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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

einem eigens für das Theater geschaffenen freien Platze zugekehrt, während die Hinterfronten, welche den 1600 Personen umfassenden Zuschauerraum umschließen, durch ihre Hallen und mächtigen Freitreppen mit einem umgebenden hübschen Park in Verbindung stehen. Im Sommer öffnet sich das Auditorium durch hohe Arcaden und Gänge auf diese lieblichen Baumgruppen und Rasenpartien; Kühlung und erfrischende Luft strömen aus ihnen ein, und das Tageslicht dringt in den Zwischenacten hell und freundlich durch die buntgemalten Scheiben, während die Vorstellungen selbst, ebenso wie im Winter, nur bei voller Gasbeleuchtung stattfinden. Für die Abend-Concerte bietet der durch die brillanteste Erleuchtung erhellte, von Springbrunnen, Säulenhallen, Lauben und Statuen phantastisch geschmückte Park den reizendsten Aufenthaltsort.

Jetzt während der Wintermonate ist der Zuschauerraum abgeschlossen von dem Parke. Hier nun hat die Kunst Alles aufgeboten. Säulen und Karyatiden tragen die Balcons, figürlicher und ornamentaler Schmuck, von den ersten Meistern Berlins ausgeführt, ziert die Brüstungen; ein mächtiger, von acht gewaltigen korinthischen Säulen gebildeter Porticus bildet die Oeffnung zur Bühne. Zierliche, vergoldete Säulen, zwischen denen die Brüstung des dritten Ranges, hinter die anderen Ränge zurückspringend, sich befindet, stützen die Decke, die in höchster Entfaltung plastischer und malerischer Kunst, unter anderen durch ein Gemälde von Bega’s Meisterhand, das Ganze würdig schließt. Ein neuerfundener Apparat ruft durch concentrirtes Gas eine fortwährende Luftcirculation hervor und setzt eine vollständig ausreichende Ventilation in’s Werk, während durch Heizung mit erwärmter Luft selbst im strengsten Winter eine stets behagliche Temperatur im Hause erzielt wird.

Für alle Arbeiten waren die tüchtigsten Kräfte gewonnen worden. Hunderte von Händen schafften auf dem Bau selbst oder außerhalb desselben an der Vollendung des Werkes, und nur so ist es erklärlich, wie dieses in der verhältnißmäßig so kurzen Zeit vom 1. Februar bis zum Spätherbst d. J. geschaffen werden konnte. Das sich immer schöner gestaltende, immer mehr fesselnde Berlin, dem Jahr aus Jahr ein größere Fremdenschaaren zustreben, hat im jetzigen Wallnertheater einen neuen Magnet erhalten, der, wie wir den Mann kennen, der ihn schuf, und die Künstler, die er um sich versammelte, sicher lange seine Anziehungskraft auf Nähe und Ferne ausüben wird.




Ein geheimnißvoller Mörder.
Naturwissenschaftliche Skizze. Von K. R.

Das kleine Stübchen erscheint als die gemüthlichste Behaglichkeit selbst. Je ärger es draußen stürmt und tobt, desto wohliger fühlen sich seine Bewohner in der Nähe des warmen Ofens. Und doch birgt das Gemach bereits den furchtbaren geheimen Feind, der ihnen mit Tod und Verderben droht, ohne daß sie eine Ahnung von seiner Anwesenheit haben. Arglos gehen sie zur Ruhe, goldene Träume des Glückes und der süßesten Lebenshoffnungen umgaukeln die jugendlichen kräftig-gesunden Schläfer – die dennoch der nächste Morgen nimmermehr erwecken wird, die schon in wenigen Stunden daliegen werden als starre, kalte Leichen!

Noch viel weiter könnten wir das grausige Bild ausmalen; wie der furchtbare Mörder, einem finsteren Gespenste gleich, auf die Schläfer heimtückisch eindringt, sie umgarnt, so daß sie jede That- und Bewegungskraft verlieren, sie dann wohl gar zum Bewußtsein erweckt und nun langsam, unter Pein und Qualen erwürgt. Doch es sei hiermit genug, denn der Vorgang ist ja in Wirklichkeit viel entsetzlicher, als ihn auch die geschäftigste Phantasie uns darzustellen vermöchte.

Vielleicht haben die Leser es schon errathen, daß wir die Erstickung in Kohlenoxydgas meinen, welche ja leider in jedem Winter zahlreiche Menschenleben als Opfer fordert. Nachdem auch der ebenso düster geheimnißvolle, wie beklagenswerthe Vorfall in Glogau die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Luftart gezogen hat, dürfte es wohl an der Zeit sein, dieselbe einmal nach allen ihren Eigenschaften hin zu beleuchten.

Verfasser dieses hatte einst Gelegenheit, diesen Feind der Menschheit sehr nahe kennen zu lernen, und ist daher im Stande, auch die Empfindungen zu schildern, welche durch die Einwirkung des Gases auf den menschlichen Körper hervorgebracht werden. In Folge der Glogauer Geschichte sind mannigfache, häufig sich widersprechende Angaben über das Kohlenoxydgas in die Oeffentlichkeit gelangt, so daß unter anderen die Erörterung der Frage: wann und in welcher Weise ist das Gas durch die menschlichen Sinne wahrzunehmen? als außerordentlich wichtig erscheinen muß.

Nach einer ermüdenden Tagesreise im eisigen Januar kehrten wir, mein jüngerer Bruder und ich, in einem Gasthofe ein und begaben uns sogleich in das für uns vorherbestellte Zimmer. Eine starke Hitze strahlte uns von dem großen Kachelofen entgegen, die, zwar im ersten Augenblicke unangenehm, doch allmählich sehr wohlthuend unsere frosterstarrten Glieder durchwärmte. Durch Speise und Trank erquickt, suchten wir bald die einladenden Betten auf. Obwohl aus der frischen Lust kommend und ohne im Geringsten an Schnupfen zu leiden, hatten wir Beide eben so wenig, wie der ab- und zugehende Kellner, beim Betreten des Zimmers außer dem grellen Contrast der Hitze im Zimmer gegen die Kälte draußen irgend etwas Verdächtiges wahrgenommen — wenngleich die Stube doch bereits stark mit Gas gefüllt sein mußte. Sehr ermüdet, waren wir Beide rasch eingeschlafen, und noch war kaum eine Stunde vergangen, als ich durch ein röchelndes Stöhnen meines Bruders erweckt wurde. Der Vollmond schien in die Stube, so daß sie fast tageshell erleuchtet war. Sobald ich mich soweit ermuntert, daß ich jene ängstlichen Laute deutlich hören konnte, wollte ich aufspringen, um dem Armen, den ich von irgend einer Krankheit befallen glaubte, zu Hülfe zu eilen. Allein was war denn das? Ich fiel machtlos in die Kissen zurück, unfähig, Hände oder Füße zu gebrauchen.

Ein entsetzlicher Zustand, so bei vollem, klarem Bewußtsein gelähmt dazuliegen und das immer furchtbarer werdende Stöhnen, vielleicht das Todesröcheln des geliebten Bruders mit anhören zu müssen! So lag ich wohl eine geraume Zeit, ich konnte die Uhr auf dem Stuhle sehen und unterschied ganz deutlich, daß es noch frühe an der Zeit war. Noch immer wußte ich mir aber darüber keine Erklärung zu geben, was eigentlich mit uns vorgegangen war. Indessen wurde ich immer matter, ein entsetzliches Gefühl, wie wenn mit einem stumpfen Instrumente mir auf die Stirn gehämmert und dann wieder oben die Schädelplatte durchbohrt würde, nahm mehr und mehr zu, verschwand dann für Augenblicke, um mit erneuerter Heftigkeit plötzlich wiederzukehren. Darauf wurde das Bewußtsein dunkler und entschwand, trotz des starken Stöhnens des Andern, allmählich ganz. Sonderbarer Weise, und ich erinnere mich dessen ganz genau, fühlte ich durchaus keine Beschwerden beim Athemholen, keine Beklemmungen und dergleichen, und ebenso entsinne ich mich noch, daß ich bis zum letzten Augenblick des Bewußtseins in größter Angst um den Bruder war.

Wie lange wir so gelegen, weiß ich nicht; ich wurde aus der Ohnmacht durch das Gepolter aufgerüttelt, welches ein Stuhl, den mein Bruder, wohl in der Qual des beginnenden Erstickens, umgeworfen hatte. Das volle Bewußtsein kehrte mir zurück, und nun kam mir mit einmal der Gedanke, daß es Kohlenoxydgas sein müsse, was uns Beide krank gemacht. Sei es, daß mir noch einmal etwas größere Kraft zurückgekehrt, oder daß die Macht der Verzweiflung in der Angst vor dem Erstickungstode mir geholfen, genug, ich wälzte mich aus dem Bette, kroch mit unsäglicher Mühe bis nach dem Fenster, erhob mich mit noch viel größerer Anstrengung und schlug mit beiden Fäusten in die Scheibe und zum Glück so stark, daß sie klirrend zu Boden flog.

Die kalte Winterluft, welche in starkem Zuge in das noch immer sehr erhitzte Zimmer drang, war mir wohlthätig und belebte mich allmählich soweit, daß ich um Hülfe rufen konnte. Wir wurden nun Beide schleunigst in ein anderes, gelinde erwärmtes Zimmer gebracht und genasen unter der Pflege eines erfahrenen Arztes, so daß wir in vier bis fünf Tagen das Bett verlassen konnten. Allein die Pein dieser vier Tage war noch eine entsetzliche, denn die beschriebenen Schmerzempfindungen tobten noch die ganze Zeit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 822. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_822.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)