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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

dies jedoch beharrlich, und so hatte die Krankheit ihn vom sichern Tode gerettet; das Standgericht ward aufgehoben und Peters sammt den noch übrigen Schwer-Gravirten dem ordentlichen Gericht übergeben. — Bitten und Anträge, ihn, wie seinen sämmtlichen übrigen sächsischen Schicksalsgenossen geschehen war, nach Sachsen auszuliefern, oder wenigstens ihn die badische Strafe in Sachsen verbüßen zu lassen, blieben unberücksichtigt.

Im Zuchthause zu Bruchsal, in der Zelle 287, bestand Peters’ Beschäftigung anfangs in Breterhobeln; später gab man ihm seine Zeit für seine Studien frei. Nach den Hausgesetzen durfte er jeden Monat zwei Briefe schreiben und einen Besuch erhalten. Die Behandlung pries Peters als außerordentlich human. Der Director Füßli wie der Pfarrer Heinz ehrten edel in ihm den gebildeten begabten Mann, ohne daß sie dabei der Strenge und Würde des Gesetzes Etwas vergaben. Sie verschmähten die Menschenquälerei, mit der man in anderen Strafanstalten in unmenschlicher Lust sich eine Güte that. Selbst die einzige Härte, die Peters widerfuhr, geschah auf auswärtige Veranlassung. Peters’ im Glück und Unglück unwandelbare Freundin, Louise Otto, wollte den armen Gefangenen gegen Ende August 1851 mit einem Besuch erfreuen. Die Kunde davon war der Badischen Regierung eiligst mitgetheilt worden, so daß ihrer in Bruchsal bereits ein Ausweisungsbefehl harrte. Dennoch gestattete der humane Director Beiden das Wiedersehen und eine Unterhaltung von einer Stunde, aber freilich trennte Beide ein doppeltes Gitter. —

Trotz dieses Doppelgitters und der Ausweisung —— trotzdem Louise Otto und August Peters sich nicht die Hände reichen, geschweige einen Kuß des Wiedersehens geben konnten, — trennte das kalte Eisen zwei glückliche, in gegenseitiger Liebe glühende Herzen. Nur der Mund, nur das Auge dienten dem Ausdruck des bewegten Innern, aber sie genügten, um zwei Seelen, welche Freundschaft und Dankbarkeit zur Liebe geführt, hier die innigste Vereinigung feiern zu lassen, eine Verlobung, wie vielleicht keine zweite gefeiert worden ist. Der Besuch und der arme Gefangene — schieden vom Doppelgitter als Braut und Bräutigam. —

Am 31. Juli 1852 wurde Peters in Baden begnadigt und an Sachsen ausgeliefert. Die nun beginnende neue Untersuchungshaft im Justizamt Lauterstein in Zöblitz, wegen seiner politischen Vergehen in Sachsen, war sehr streng; selbst an Louise Otto durfte er nicht schreiben, bis diese als seine Braut die Erlaubniß dazu erwirkt hatte; besuchen durfte sie ihn erst zu Pfingsten 1853, nach dem Schluß der Untersuchung und der abermaligen Verurtheilung Peters’ zu acht Jahren Zuchthaus.

Im ersten Brief aus Waldheim (vom 10. October 1853) an seine Braut schrieb Peters: „Soll ich Dir erzählen von der Schwere des neuen Wehes, das mir auferlegt ist? Louise! Freue Dich, daß ich mit heiterem Antlitz, mit aufgerichtetem Haupte vor Dich treten und bezeugen kann: Gott legt Niemand mehr auf, als er tragen kann. — Ich verhehle Dir nicht, daß mir hier manches Niederbeugende entgegentrat, dem ich mich bis jetzt (auch in Bruchsal) nicht unterworfen gesehen, — aber das feste Bewußtsein, in der Hand Gottes zu stehen, half es überwinden, — es erhob mich über die ganze Schmach meines gegenwärtigen Looses. Dazu kam Dein letzter Brief (vom 27. v. M.), der mir sagte, daß auch Du muthig und getrost dieses Weh erträgst. Nach diesem Briefe setze ich ein unerschütterliches Vertrauen in Dein muthiges Ausharren bis an’s Ende unserer Leiden. Louise! Wenn einst Alles überwunden sein wird — wie wird uns dann sein? —— Nur sehr wenige Menschen wissen, was uns zusammen innerlich und äußerlich betroffen, was wir miteinander erlebt und erduldet haben — es würde auch den meisten Menschen märchenhaft erscheinen, wenn wir es ihnen erzählen wollten. Aber wir dürfen es einander einst sagen: Das war gekämpft!“

Zu Waldheim durfte August Peters sich literarisch beschäftigen, nachdem Ernst Keil der Anstalts-Direction gegenüber sich dafür verbürgt hatte, daß es Peters weder an Arbeit noch Verdienst fehlen solle; da er unter seinem Namen jetzt Nichts drucken lassen durfte, so nahm er hier den Autorennanmen „Elfried von Taura“ an, nach seiner Leipziger Studenten-Bezeichnung und seinem Heimathsorte. Von Ostern 1854 an durfte drei Mal im Jahre seine Braut ihn — ebenfalls durch ein Gitter geschieden —— sprechen.

In der Züchtlingsjacke schrieb nun Elfried von Taura viele seiner gelungensten Werke, von denen wir besonders hervorheben: den Romanzenkranz „Friedrich der Freudige“ (Freib. 1856); eine Reihe von Sonetten, die zu den besten unserer Literatur gehören; eine Novelle „die stille Mühle“, die einen ersten Preis gewann, und andere treffliche Novellen, welche in der Gartenlaube, in den Unterhaltungen am häuslichen Heerd u. s. w. veröffentlicht worden und später theilweise gesammelt als „Erzgebirgische Geschichten“ und „Aus Heimath und Fremde“ erschienen sind. — Man kann daher wohl dem Herrn Straf- und Corrections- Anstalts-Director Heink in Waldheim nicht widersprechen, wenn er in seiner „Tabellarischen Notiz, den Züchtling August Friedrich Peters aus Taura betreffend“ sein Urtheil über denselben u. A. dahin ausspricht: „Nicht ohne geistige Begabung und als Schriftsteller bereits bewährt.

Im Januar 1856 hatte der König die Strafzeit Peters’ um die Hälfte gekürzt, eine Verordnung des königl. Ministeriums der Justiz aber schloß ihm schon am 9. Juli desselben Jahres den Kerker auf, nachdem er fünfundachtzig Monate lang den Hauch der Freiheit entbehrt hatte. — Am 24. Novbr. 1858 schloß er in Meißen mit Louise Otto den Ehebund und siedelte Anfang Novbr. 1859 nach Leipzig über. Hier wandelte August Peters erst den „General-Anzeiger“ in eine entschieden demokratische Zeitschrift um, begründete nach der Unterdrückung derselben die Mitteldeutsche „Volkszeitung“ mit und leitete sie bis an seinen Tod. Er starb am 4. Juli d. J., trotz abermaliger Gefängnißstrafe in seinen Grundsätzen unerschüttert, erst siebenundvierzig Jahre alt. Sein Vater war aus Gram über das Unglück des Sohnes kurz vor dessen Eintritt in Waldheim gestorben; sein altes Mütterlein hat ihn überlebt, aber in seiner Wittwe eine Tochter gefunden, die des Sohnes Pflicht auf sich nahm.

Wie August Peters vor der Revolution schon eine Sammlung Gedichte (Schneeberg, 1845) und mehrere Erzählungen und später viele politische Artikel veröffentlicht hatte, so trat in der neu gewonnenen Freiheit Elfried von Taura mit einer Reihe Romane und Erzählungen hervor, die, nach dem glücklichen Novellen-Preisdebüt im Zuchthause, seinen neuen Autornamen bald zu einem von gutem Klang erhoben. Um so mehr muß man wünschen, daß auch der literarische Nachlaß der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten werde, namentlich seine noch ungedruckten und neuausgewählten Novellen und die von ihm begonnene Selbstbiographie, die seine bewegte Jugend schildert und, von der Hand der treuen Gattin mit einer Auswahl der Briefe des Gefangenen aus seinen drei Kerkern verbunden, ein in vieler Beziehung sehr interessantes, sehr beachtenswerthes Buch werden und das schönste Denkmal dieses Vielgeprüften sein würde.




Blätter und Blüthen.

Eine naturwissenschaftliche Vexir-Frage. Als wir neulich den Lesern der Gartenlaube ein technisches Räthsel zur Lösung vorlegten, hatten wir darauf gerechnet, daß das gebildete Publicum, wenn es auch am liebsten unterhalten und dabei belehrt sein will, es nicht verschmähen würde, auch einmal selbst über die „Natur der Dinge“ nachzudenken. Wir hatten uns nicht geirrt und haben noch immer unsere Freude an dem Interesse, welches unsere Notiz erregt hat; noch jetzt gehen uns von allen Seiten kleine Aufsätze·über den Gegenstand zu, welche beweisen, wie viele Köpfe sich eifrig mit demselben beschäftigt haben. Deswegen glauben wir im Sinne Vieler zu handeln, wenn wir auch heute wieder eine naturwissenschaftliche Frage zur Beantwortung verlegen, ist sie auch nicht von der Art, daß die Männer vom Fach selbst nicht die richtige Antwort darauf geben vermöchten. Sie kann sogar durch einen von Jedermann bequem anzustellenden Versuch sofort entschieden werden. Wir bitten daher die Leser und Leserinnen, uns zuvörderst durch Handschlag zu versichern, daß sie die Frage beantworten wollen, ohne daß sie diesen Versuch anstellen. Erst wenn sie mit sich selbst über die Antwort einig geworden sind, wollen sie den Versuch darüber entscheiden lassen, ob die Antwort richtig war oder falsch. Also aufgepaßt! Die Sache ist folgende:

„Man stelle auf die eine Wageschale einer gewöhnlichen Wage ein Glas mit Wasser und lege auf die andere Wageschale so viele Gewichte, daß vollkomenes Gleichgewicht hergestellt ist. Nun tauche man den Finger in das Wasser — Frage: wird die Wageschale mit dem Glase Wasser sich senken oder wird der Wagebalken in seinem Gleichgewicht verharren?“

Wie gesagt, der einfache Versuch entscheidet die Sache augenblicklich; aber die denkenden Leser mögen sich die Frage beantworten, bevor sie den Versuch anstellen. Was gilt die Wette, daß die Antwort der einen Hälfte „ja“, die der andern Hälfte „nein“ lauten wird?

Ehe wir uns nun die Sache näher überlegen, sei noch eine kleine Bemerkung vorausgeschickt. Wenn man den Finger in ein Glas Wasser taucht,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 831. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_831.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)