Seite:Die Gartenlaube (1865) 026.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

kennen. Im Hofe angelangt, schlägt die junge Frau sogleich den Schleier wieder zurück, um die frischen Lüfte zu genießen, die um das große wassergefüllte Bassin spielen.

Endlich im großen Empfangszimmer angekommen, grüßt die junge Frau mit einer Verbeugung die Frau vom Hause, welche auf dem Fußboden an dem unten geöffneten großen Fenster von bunter Glasmosaik mit untergeschlagenen Beinen sitzt, denn sie gehört zu der jetzt regierenden Kadscharenfamilie, welche, nebst den Europäern, in Persien einzig das Recht hat, so zu sitzen. Die junge Frau steigt die sechs Stufen zu dem erhöhten Erdgeschosse hinauf, lüftet ihr Tschader, streift in der Doppelthür ihre Pantoffeln ab, und während ihre Begleiterin im Nebenzimmer über dem Hausflur das Gleiche thut, tritt sie noch fest verhüllt – denn so erheischt es der Anstand – vor die Herrin. Diese, eine stattliche Frau, wie man sie unter den Kadscharinnen häufig findet, hat die junge Frau, deren Leben erst seit Kurzem eigentlich begonnen hat, schon längst liebgewonnen und behandelt sie mehr wie eine Vertraute, als wie die Frau eines Untergebenen ihres Mannes. Sie läßt daher die Eintretende, nachdem diese ihre Verbeugung mit dem arabischen Gruße: „selamun aleïkum“ (Heil über Euch!), dem „we aleïkum esselam“ (und über Euch Heil!) als Antwort folgt, wiederholt hat, vor sich am Fußboden niedersetzen oder vielmehr niederknieen, und erwidert die Frage: „Wie ist das Befinden der Gnädigen?“ mit einem kurzen „Dank (nämlich: Gott), es ist gut, und Euer Befinden?“ Während die junge Frau antwortet: „Durch die Gewogenheit der gnädigen Frau ist es sehr gut,“ bringt eine schwarze Sclavin ein Galjan (persische Wasserpfeife) herein. Nach einigen Zügen übergiebt die Hausfrau der Besuchenden das Rauchwerkzeug zum Weiterrauchen, und das Eis der nöthig gewesenen Etikette ist gebrochen. Auf einen Wink entfernen sich die Dienerinnen, welche mit den wenigen Anordnungen zum Empfange der Gäste im Empfangszimmer beschäftigt sind, und horchen anfangs theilweise und gucken durch die Spalten der Thür oder hinter den Vorhängen, denn einige von ihnen sind eben erst vom Lande hereingekommen, wo sie von Harem und Haremsleben meist nur sehr wenig gekannt haben. Die Herrin hatte zwar „chelwet“ geboten, d. h. sie wollte (mit ihrem Besuche) allein gelassen sein; was half es aber gegen die weibliche Neugierde?

Nunmehr macht es sich die junge Frau bequem. Sie wirft Tschader und Rubend in einen Winkel, dazu die violettseidenen Ansteckhosen, aus denen die Fülle der weiten persischen Unterröcke herausquillt, welche ein hellseidener deckt. Die Füßchen stecken bis zu den Knöcheln, welche schwarze Perlenbäuder umfassen, in bunten persischen Wollensocken und den Oberkörper bedeckt ein dünnes Hemd bis zum Nabel; von da bis zu der Gegend der Hüften, wo die Röcke beginnen, bleibt der Unterleib frei. Ein buntseidenes Jäckchen mit langen Manschetten bedeckt das Hemd, und darüber ist ein vorn offener Tuchrock mit kurzen Aermeln gezogen. Das häßliche weiße Kopftuch, unter welchem die schwarzen Locken üppig hervorquellen, wirft sie zu den übrigen Stücken und läßt den Scheitel blos mit einem kleinen buntseidenen Käppchen bedeckt, in welches Goldfäden und echte Perlen eingestickt sind. Die Frau des Chans ist ähnlich gekleidet, nur sind die Stoffse ihrer Kleidung schwerer und kostbarer. Ihr Rock von Caschmirshawl wird von einem goldenen Gürtel zusammengehalten, um dessen Schloß große Rubinen sitzen. Auf dem Kopfe trägt sie einen nach hinten zu fallenden feinen Schleier und ein reiches Diadem mit großen Perlen dicht besetzt. Die Gebetbänder an den Oberarmen sind, den Gesetzen der Religion, an die sich die Kadscharenfamilie am allerwenigsten stößt, zuwider, mit Perlen reich eingefaßt, während sie bei der jungen Frau des Mirsa nur aus Schnuren schwarzer Kugeln bestehen, welche aus Seetang vom persischen Meerbusen gefertigt sind. Goldene Arm- und Fußknöchelbänder vertreten bei ihr die Stelle der sonst gebräuchlichen schwarzen Knochenperlen. Silberne Ringe mit vorstehenden großen Rubinen, Smaragden und Brillanten stecken fast an allen Fingern der niedlichen Hände, weite Perlenringe hangen in den Ohrläppchen. Chal, kleine schwarze Schönpflästerchen, finden sich auf den Wangen und der oberen Mitte des Halses. Tragen auch Beide keine schwarzbläulichen Tätowirungen in Rosetten und anderen Figuren an Armen, Stirn, Kinn und Leib, wie so viele andere Perserinnen, so sind doch gewiß die schönen schwarzen Haare mit Henna bräunlich scheinend gefärbt, und die braune Farbe des Henna findet sich, wenn nicht an Händen und Füßen ganz und gar, so doch mindestens an den Nägeln der Zehen und Finger, denn anders wäre es eben so unschicklich, in Gesellschaft zu erscheinen, wie bei uns ohne Handschuhe. Auch die Augenlidränder sind mit feinem Ruße schwarz überzogen, um das Weiße der Augen mehr hervortreten zu lassen, und die geschwärzten Augenbrauen durch einen Strich über der Nasenwurzel fast mit einander verbunden. Dies sind unschuldige Mittel, die, wie die Schminke, welche die Hausfrau aufgelegt hat, ihnen durch ihre Religion gestattet sind. Wenn ich aber recht indiskret sein darf, so erlaube ich mir noch zu bemerken, daß die Hausfrau, wie viele vornehme Perserinnen, ihre Brüste in reich gestickten Etuis trägt, die durch das dünne weiße Hemd hindurchschimmern, und daß manchmal, wenn sie der Wärme halber ihre weißbaumwollenen Ispahaner Socken auszieht, auch die Zehen ihrer niedlichen Füßchen sich mit Ringen geschmückt zeigen.

Beide Frauen, die sich fast täglich sehen, gerathen in ein vertrauliches tête à tête, in welchem sie sich gegenseitig so viel erzählen, daß man glauben möchte, sie wären Jahre lang nicht zusammengekommen. Dabei werden sie nach und nach so lebhaft und so laut, daß die Mulattin vor der Thür, welche den geheimen Befehl erhalten hat, die alte Dienerin der jungen Frau fern zu halten, fast jedes Wort der Unterhaltung wiedergeben könnte, wenn sie überhaupt tatarisch verstände, in welcher Lieblingssprache der Kadscharen sich die beiden Frauen vertraulich unterhalten, nachdem sie officiell sich persisch begrüßt hatten. Endlich ist die Unterhaltung zu Ende. Die Dienerinnen werden wieder hereingerufen, und die junge Frau steht als Hausfreundin der Hausfrau im Anordnen der Vorbereitungen zur Mahlzeit bei, die sehr einfach sind, denn die Küche allein nimmt die meiste Arbeit in Anspruch.

Das große hohe Empfangszimmer, eingeschlossen an drei Seiten von weißen, glatten Gypswänden, an denen oben ein paar Reihen bunter und vergoldeter, schon theilweise beschädigter Stuckverzierungen hinlaufen, hat oben an diesen drei Seiten durch Vorhänge verhüllte Fenster, welche zu kleineren Haremszimmern des nächst höheren Stockwerkes gehören. An der hohen Holzdecke zeigen sich Tafeln mit persischen Malereien von sehr untergeordnetem Kunstwerthe. In den Mauernischen und auf den Simsen stehen europäische Glasgefäße und Steingutgeschirre. Die beiden schmäleren Seiten des länglichen Saales enthalten je zwei niedrige, schmale Doppelthüren mit Seitenvorhängen und fußhohen Doppelschwellen, an denen sich ungeübte Europäer ebenso leicht die Schienbeine bestoßen, wie an den niedrigen Querbalken der Thüren den Kopf. Gegenüber der einen großen Längenwand nimmt das ungeheure Fenster von persischer Glasmosaik in mehreren Abtheilngen die ganze vierte Wand ein. An ihm herab hängen bunte Kattunvorhänge zum Schutze gegen die Sonne und etwaige Neugierige. Die unteren Abtheilungen dieses großen Fensters sind hinaufgeschoben, um frischer Luft Zugang zu verschaffen und den Blicken die Aussicht auf den innersten Hof mit seinem großen Wasserbassin und den dahinter befindlichen Garten mit den monotonen Pappeln und Cypressen, mit seinen Maulbeerbäumen, mit den feuerroth blühenden Granatenbüschen und den schattigen Platanen, die ein bräunlicher Höhenzug in weiter Ferne überragt.

Der Gypsestrich des großen Saales ist schon in der Morgenfrühe besprengt und gekehrt worden. Der aufgewirbelte Staub ist da liegen geblieben, wohin ihn die Luftströmungen und die Gesetze der Schwerkraft trugen. Die den Estrich zunächst bedeckenden platten Schilfmatten aus den weiten Sümpfen der persischen Ufer des kaspischen Meeres sind ausgeklopft worden. Nun legt man auf sie einen kostbaren großen länglichen Teppich in die Mitte des Zimmers. An den zwei Längenseiten kommen dicke bunte Filze von gleicher Länge zu liegen, die mit denen an den beiden schmäleren Querseiten ein längliches Quadrat bilden, welches die Ränder des großen Mittelteppichs überragt und ihn so vollständig einfaßt. Auf den Platz der Hausfrau in dem Winkel am Fenster gegenüber der als Haupteingang benutzten Thür wird jetzt noch ein großer, viereckiger, schönerer Filz hingelegt und an die glatten Wände dieses Platzes und der benachbarten kommen große, länglich runde, weiche Kissen zu liegen. Es sind dies große Säcke mit Baumwolle, manchmal auch mit Schwanenfedern gefüllt, über die ein dunkler Baumwollenstoff gezogen ist, welchen eine dünne Hülle von Mousselin mit eingenähten Goldarabesken bedeckt. An beiden Seiten sind diese Kissen durch rothseidene, mit Goldfäden durchschossene Quasten geschlossen. Darin besteht die ganze Vorbereitung

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_026.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)