Seite:Die Gartenlaube (1865) 030.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

barg. Sollte man das dem protestantischen Eroberer so ohne Weiteres überlassen? Es galt wenigstens den Versuch, das herrliche flüssige Gut, das man ein Jahrhundert lang mit so viel Liebe gepflegt, den nordischen Kehlen zu entfremden, in der Hoffnung, der liebe Gott werde das Schwedenregiment nicht allzulange dulden. Der Keller hatte eine kleine versteckte Abtheilung, irgend ein allerliebstes, geheimes Gemach; dahinein wurde der Cyklope des sechszehnten Jahrhunderts gebracht und so geschickt zugemauert, daß die Schweden, die doch sehr viel in diesem Keller verkehrten, ihm nicht auf die Spur kamen. Zur größten Freude aller gutkatholischen Weinzungen fand man den verborgenen Liebling gerettet in seiner Klause, als die scandinavischen Weinschläuche nach der Nördlinger Schlacht ihren Abmarsch genommen hatten. Als Erbe des Marienberger Kellers erhielt jene Abtheilung des Hofkellers zum Andenken an diese tragikomische Begebenheit ihren Namen. Der alte Goliath, der in jenem Drama die Hauptrolle gespielt, liegt zwar noch im Schwedenkeller, aber sein historisch berühmter Inhalt ist mit seinen jüngeren, nicht minder edlen und feurigen Brüdern, den berühmten Jahrgängen 1631 und 1728, nach dem königlichen Keller in München gewandert, nicht ohne vorher noch einmal in ihrer Gesellschaft den Kehlen trinklustiger Eroberer escamotirt worden zu sein. Als nämlich die französische Armee unter Jourdan 1796 siegreich heranzog, ließ der letzte Fürstbischof Georg Karl von Fechenbach diese Perlen seines neuen Hofkellers schnell nach dem nahen preußischen Orte Marktsteft bringen, wo sie unter den Fittigen des hohenzollerschen Adlers ein sicheres Asyl fanden. So kettet sich an die unselige Geschichte von der Uneinigkeit Deutschlands die komische dieser alten Weine. Das vor dem Schweden- und Franzosendurst gerettete Faß prangt mit einem gereimten Spruch an seiner Fronte, der Nachricht von der Geburt und Pflege des darin aufbewahrten Weines giebt.

Eine andere Kellerabtheilung führte sonst einen ebenfalls scherzhaften Namen. Weil nämlich in ihr die ältesten und edelsten Weine, die Crême des Leisten und des Stein von allen erhaltenen Jahrgängen, fein brüderlich beisammenlagen, so wurde dieses interessante Closet „die Sacristei“ genannt. Ueber dem Eingange liest man wieder gereimte Verse im Geschmack jener Zeit, die uns freilich nicht mehr so munden, wie die Weine. Von den Böden dieser Fässer und von den Mauern dieser Gewölbe sollten die den heutigen Weinen entsprechenden Gedichte und Reimsprüche des trefflichen Frankendichters Ludwig Bauer flammen, der seine vaterländischen Weine so reizend besungen hat. O dieser poetische Hofkeller verdiente, wie der Bremer Rathskeller, daß ein Dichter darin seine patriotisch-önologischen Phantasien schriebe, und sie müßten wahrlich noch farben-, geist- und gemüthreicher sich darstellen, als Wilhelm Hauff’s einst vielgelesenes Werk.




Französische Fußtritte für deutsche Fürstendienste.

Jene Tage, als deutsche Fürsten mit dem Blute ihrer in fernen Klimaten für die Sache der Tyrannei geopferten Landessöhne sich Millionen erwarben, stehen obenan auf den schmachbedeckten Blättern unserer deutschen Geschichte. Kaum minder schmachvoll aber sind die Zeiten des Rheinbunds, als, wiederum lediglich in dynastischem und absolutistischem Interesse, deutsche Krieger im Kampfe gegen die eigenen Brüder das Joch des fremden Eroberers auf dem Vaterlande immer schwerer schmieden halfen. Längst hat die Geschichte ihr Urtheil gefällt über diese Periode unserer kläglichsten Erniedrigung, allein um den ganzen Jammer der Rolle kennen zu lehren, welche diese deutschen Hülfstruppen im Heere ihres „Protectors“ spielten, liefern die neuerdings veröffentlichten Aufzeichnungen eines deutschen Soldaten einen wichtigen Beitrag, der um so mehr unsere Beachtung verdient, als die Zeitungen den Lenkern der mittelstaatlichen deutschen Politik die alten Gelüste nach einer Anlehnung an das französische Kaiserthum beimessen und antideutsche Diplomatenhände die anknüpfenden Fäden vielleicht schon zu spinnen begonnen haben. Welches Loos den deutschen Hülfstruppen in der „großen Armee“ gefallen war – welches sie von Neuem erwarten dürfte – das schildert in dem gedachten Buche schlicht und prunklos ein deutscher Fürstensohn, Markgraf Wilhelm von Baden, der als junger Prinz in drei Feldzügen, von 1809 bis 1813, ein solches deutsches Hülfscorps, das badische, befehligte.

Ein wahres Epos, furchtbar in seiner Erhabenheit, entrollen diese einfachen Denkwürdigkeiten. Der Feldzug des badischen Hülfscorps in Rußland läßt Alles hinter sich, was die Weltgeschichte in dieser Art aufzuweisen hat. Der Rückzug Xenophon’s mit seinen Zehntausend Griechen ist dagegen fast eine Idylle; nur die letzten Kämpfe der Nibelungen am Hof des Hunnenkönigs rufen ähnliche Eindrücke hervor, wie die einfache Schilderung des Markgrafen Wilhelm über den Untergang des badischen Hülfscorps im russischen Feldzuge. Unendlich lehrreich für das deutsche Volk aber sind die Einzelnheiten dieser Schilderungen, in so weit sie das Verhältniß der deutschen Hülfstruppen zu den Franzosen in der „großen Armee“ oft in kleinen, aber stets in hellleuchtenden Zügen darstellen.

Der erste Feldzug, den ein badisches Hülfscorps im Heere Napoleon’s mitmachte, war jener des Jahres 1809 in Oesterreich, der zur Schlacht bei Aspern führte und in der Schlacht bei Wagram seinen Schluß fand. Der junge Markgraf Wilhelm, damals noch Graf von Hochberg, wurde dem Marschall Massena als Adjutant zugetheilt. Er war Zeuge des ersten Zusammenstoßes der Franzosen und Oesterreicher gewesen und wurde dann von dem Marschall beauftragt, dem Kaiser die Nachricht der errungenen Vortheile zu überbringen. „Zu dem Ende,“ erzählt Markgraf Wilhelm, „frug mich der Marschall Massena, was ich melden wolle. Ich erwiderte, daß das, was ich mit angesehen, in der Gefangennehmung von ungefähr fünfzig Mann und dem Verlust von nur sehr wenig Leuten bestände. Der Marschall entgegnete hierauf lebhaft, dies dürfe ich dem Kaiser nicht sagen, denn ich würde einen Bericht mitbekommen, in welchem der Verlust der Oesterreicher auf vierhundert Gefangene und eine große Anzahl Todter angegeben sei, wornach ich mich zu richten hätte.“ – Das war die erste Erfahrung, die der junge deutsche Krieger im Gefolge des französischen Marschall auf dem „Felde der Ehre“ zu machen Gelegenheit hatte.

Am 1. Mai 1809 bestand das badische Dragonerregiment, welches die Avantgarde bildete, mit der Arrièregarde des Hiller’schen Corps ein höchst ehrenvolles Gefecht. Unterstützt von würtembergischer Cavalerie, die ein anderer Adjutant Massena’s, Obristlieutenant St. Croix, führte, sprengten die deutschen Reiter das Viereck eines Bataillons vom Regiment Jordis; ein badischer Trompeter erbeutete die Fahne des gesprengten Bataillons. Da sprengte seinerseits der Herr Oberstlieutenant St. Croix herbei, entriß dem Trompeter die Fahne, brachte sie dem Marschall, wurde dafür auf der Stelle zum Obersten ernannt, erhielt einen höhern Orden – und der deutsche Dragonertrompeter konnte sein Trompeterstückchen erzählen, wo er wollte, nur nicht wo der Franzose, der den Lohn bekommen, es hörte. Das war der erste Lorbeer, den die deutschen Truppen hier erworben und den – die Franzosen sich zusprachen.

Wir übergehen den wenn auch vielfach interessanten Verlauf dieses Feldzugs und der ihm folgenden Jahre, um alsbald zu dem erschütternden Gemälde des Kampfes von 1812 zu kommen.

Zum russischen Feldzuge stellte Baden 7666 Mann, zum großen Theile aus Leuten bestehend, die den Feldzug von 1809 mitgemacht hatten. Dazu stieß eine Abtheilung Hessen. Napoleon „ließ dem noch nicht zwanzigjährigen Markgraf Wilhelm eröffnen, daß er ihm das Commando der aufmarschirenden Truppen bestimmt habe.“ Der Anfang der Campagne bestand für die Badenser und Hessen in blutigen Mißhandlungen, die ihnen von der französischen Garde in Stettin (wo sie ebenso wie später in dem ungesunden Danzig viele Wochen den härtesten Garnisondienst leisten mußten) zu Theil wurden. „Graf Laborde,“ erzählt der Markgraf, „bestrafte einige seiner Officiere und Unterofficiere, wobei ich mich um so mehr beruhigte, als ich voraussah, daß alle weiteren Klagen und Reclamationen erfolglos bleiben würden.“

Diese und ähnliche Scenen waren der Prolog zu der furchtbaren Tragödie, die endlich über die deutschen Truppen hereinbrach. Das neunte Corps der großen Armee, welches in Mehrzahl aus den Truppen des Rheinbundes bestand, hatte in Smolensk

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_030.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)