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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

zwei gleichfalls schon wiederholt bestrafte Diebe A. und C. Auf jenen werde ich gleich wieder zurückkommen, dieser, eine stupide, rohe Natur, erregte irgend ein Interesse nicht. Der Hehlerei bezichtigt und somit Complicen der Hauptangeklagten waren zwei Männer und drei Frauen. Der Hehler E., ein gut aussehender, wohlgekleideter, noch junger Mann, der sich im Hause der Verhandlungen wohl mit Absicht dümmer gab, als er war, hatte sich bisher jedem Zusammenstoß mit der Polizei und dem Criminalgericht zu entziehen verstanden, obwohl er seit einer ganzen Reihe von Jahren einer der gefährlichsten Vertreter seines schmählichen Gewerbes gewesen. Er betrieb dasselbe mit seiner Ehefrau der Art en gros, daß Eines von ihnen jede Leipziger Messe besuchte, um die hier auf Lager gesammelten Waaren, fast ausnahmslos gestohlenes Gut, vortheilhaft und ohne Gefahr der Entdeckung an den Mann zu bringen, gleichzeitig aber mit dortigen Dieben in Verkehr zu treten und die neuerworbenen Güter wieder hierher zu senden. Es erscheint räthselhaft, wie dieses würdige Paar – die Frau war übrigens noch nicht zur Haft gebracht – Jahre lang in einem sehr frequenten Geschäftstheil der Stadt, der Rosenthaler Straße, im großartigsten Maßstabe die Hehlerei betreiben konnte, ohne die Blicke der Polizei auf sich zu ziehen, und das ist vielleicht nur aus der Offenheit zu erklären, mit der in dem dürftigen Kellerlocal das anscheinend ehrliche Verkaufsgeschäft betrieben wurde. Gerade der lebhafte Verkehr auf der Straße erleichterte dabei wohl den Verbrechern unbemerkt aus- und einzugehen. Zuletzt hatte das Geständniß eines Betheiligten diesen gemeingefährlichen Menschen zur Untersuchung gebracht, aus der er, obwohl noch unbestraft, zu mehrjähriger Zuchthausstrafe wanderte. Dem F., auch einem noch jungen, aber schon wiederholt bestraften Menschen, war das gewiß seltene Geschick zugefallen, neben seiner Mutter und einer Geliebten, die fast seine Mutter sein konnte, unter der nämlichen Anklage vor Gericht zu erscheinen.

Unter den verschiedenen Einbrüchen, die hier zur Sprache kamen, verdient der eine wohl näherer Erwähnung, und das um so mehr, als er gerade dem Angeklagten A. Gelegenheit bot, bei der Verhandlung in den Vordergrund zu treten und besonderes Interesse in Anspruch zu nehmen. Das Kleeblatt A., B., C. bedurfte zu besserer Uebung seiner nächtlichen Künste dringend verschiedene Geräthschaften und glaubte sie in erster Güte in einer Eisenhandlung finden zu können, deren Solidität A. aus den Zeiten ehrlicher Arbeit bekannt war. In dem offenen Geschäft war es leicht, genaue Kenntniß der Localität zu gewinnen und als richtigsten Angriffspunkt eine Thür zu wählen, die aus dem geräumigen Flur des Hauses in den Laden führte. Den Schlüssel zur Hausthür zu beschaffen, war dem genannten B. Kleinigkeit, aber auch der schwierigeren Aufgabe unterzog er sich, in Gemeinschaft mit C. am hellen Tage im Flur eines Hauses an der größten Verkehrsader Berlins die Schrauben an den Eisenstangen der erwähnten Thür zu lockern und so die Arbeit der Nacht abzukürzen. Der so vorbereitete Einbruch gelang, allein trotz allen Suchens fand man die gewünschten Geräthschaften nicht, und da auch der gelegentliche Griff in die Ladencasse nur einen geringen Erfolg gab, schien das Geschäft ein sehr klägliches, der Mühe wenig werthes sein zu sollen.

Da entdeckte A. hinter einer Gardine im zweiten Zimmer, dem Comptoir, einen eisernen Geldschrank, und kurz entschlossen gingen die drei verwegenen Menschen, ohne irgendwie auf eine solche Arbeit vorbereitet zu sein, daran, den mehr als sechs Centner schweren Schrank zu stehlen und so sich gründlich für die sonstigen Täuschungen zu entschädigen. Ohne viel Lärm brachten sie ihn von der Stellage durch zwei Zimmer bis auf den Flur, nun aber war guter Rath theuer, denn wie wollte man ihn durch die Stadt an einen sichern Ort bringen? Zur guten Stunde erinnert sich C., daß in einem Hofe am Alexanderplatz, wohl eine halbe Stunde vom Schauplatz der That, ein Handwagen stehe, und wußte denselben, obschon auch dazu wieder ein Einbruch nöthig war, noch vor Tagesanbruch herbeizuschaffen. Von zwei Menschen, denn der dritte mußte Wache stehen, wurde der schwere Schrank glücklich auf den Wagen gebracht und dann, der Morgen dämmerte bereits, nach dem Keller des Hehler E. gefahren und hier über schnell herbeigeholte Betten geräuschlos die Treppe herunter gewürfelt. Was könnten Menschen von solcher Entschlossenheit, Arbeitskraft und Ausdauer vor sich bringen, wenn sie den ruhigen Gang ehrlichen Geschäftes wandelten!

Um den Schrank seines Inhaltes berauben zu können, war es nöthig, eine kreisrunde Scheibe auszubohren, und als auch das dem kundigen A. geglückt, wurde das Möbel in eine Kiste verpackt und unter fingirter Adresse der niederschlesisch-märkischen Eisenbahn zum Transport nach X. Eisenbahn restante übergeben. Da Nachfrage nach der schweren Kiste nicht erfolgte, wurde diese endlich geöffnet und so der Anfang des Fadens gefunden, der schließlich zur Entdeckung der Verbrecher führte, die durch ihre frechen Einbrüche die Stadt Berlin vollständig alarmirt hatten.

Und nun zu A., in dem der schlaue, gewandte B. in jeder Richtung einen würdigen Kumpan für seine verbrecherische Thätigkeit gefunden hatte. Nicht allein, daß er große technische Geschicklichkeit besaß, daß er in den verschiedensten Hantirungen wohl Bescheid wußte, daß er von großer Körperkraft war und dabei in seinem äußeren Erscheinen eher einen soliden, biederen Eindruck machte, besaß er eine geistige Ausbildung, die weit über das gewöhnliche Maß des Arbeiterstandes hinausreichte. Er nahm Gelegenheit, uns in drei schwunghaften Reden, die nach Form und Inhalt wahrlich einer besseren Sache würdig gewesen wären, davon Probe zu geben. Die eine, mit viel Sarkasmus und einzelnen beißenden Witzworten gewürzt, galt einer technischen Frage und übte Kritik an dem Kunstschlosser, der als sachverständiger Zeuge vernommen wurde. A. leugnete die Mitthäterschaft an einem der Einbrüche, bei dem es sich gleichfalls um einen Geldschrank handelte und wo aus der Art einer vorliegenden Scheibe sich nach weitläufiger Auslassung des Zeugen ergeben sollte, daß dieselbe Hand mit demselben Instrument in diesem Falle hantirt habe, welche den Schrank in E.’s Keller eröffnete, und das war geständigermaßen die des A. gewesen.

Während dieser nun Schritt für Schritt des Zeugen Auseinandersetzung widerlegte, flüsterte mir mein Nachbar, zufällig auch ein Sachverständiger, ein über das andere Mal zu: „Der Mensch hat ganz Recht,“ und im weitern Verfolg der Zeugenaufnahmen ergab sich zu allem Ueberfluß noch, daß die ganze Frage durch ein Mißverständniß in die Untersuchungsacten gekommen und der eigentliche Zusammenhang ein ganz anderer war, als hier vorausgesetzt wurde. Erschreckend in Bezug auf die traurigen Folgen des Gefängnißlebens klang des A. Aeußerung, wie es eine ganz falsche Annahme sei, daß überall zu solchen scheinbar kunstgemäßen Arbeiten, wie sie im Diebeshandwerk vorkommen, Leute vom Fach gehörten; das lerne sich im Gefängniß durch gegenseitige Mittheilung schnell und leicht, und er sei gar nicht in Zweifel, daß z. B. der Mitangeklagte C., obschon seines Zeichens ein Tischler, Alles, was ihm als Schlosser bei den gemeinsamen Einbrüchen zugefallen, ebensogut hätte verrichten können.

A. blieb dabei stehen, an dem einen Einbruch nicht Theil genommen zu haben, und als der Vorsitzende Richter noch einige weitere Querfragen deshalb an ihn stellte, erbat er sich noch einmal das Wort, um uns daran zu erinnern, wie es ja ganz lächerlich von ihm sein würde, zu leugnen, wo er, wie wir, wüßte, daß das auf das Maß der Strafe gar keinen Einfluß habe. Er bleibe dabei, seine Unschuld zu behaupten, weil es Princip bei ihm sei, keine Schuld auf sich zu nehmen, an der er nicht betheiligt sei. Das Alles brachte er mit einem Nachdruck, einer Sicherheit vor, als stehe er auf irgend einer Rednerbühne und spräche zu einer seinen Worten lauschenden Versammlung. Es widersprach seiner Verbrecherehre, sich zu einer That zu bekennen, mit der er nichts zu schaffen gehabt!

Den größten Eindruck auf Geschworene, Richter und Zuhörer machte aber die erste Rede des A., mit der er den Geschworenen es an’s Herz legte, mildernde Umstände für ihn anzunehmen. Er betrat mit ihr ein Gebiet, auf dem es leicht ist, warme Theilnahme zu erregen, weil es ganz bestimmte, leider nicht wegzuleugnende Schäden unserer socialen Verhältnisse deutlich erkennen läßt. Als A. das zweite Mal der Haft entlassen war, hatte er seinen Versicherungen nach den festen Entschluß gefaßt, ein für allemal dem Verbrechen den Rücken zu kehren. Bei seiner Tüchtigkeit als Schlosser konnte es ihm ja nicht fehlen, durch ehrliche Arbeit sich den nöthigen Unterhalt zu verdienen. Seine guten Absichten wurden vereitelt durch, wie er sagte, die Polizei. „Indem sie mich unter ihre Controle nahm, indem sie mich jedem Brodherrn, bei dem ich Arbeit fand, als bestraften Dieb signalisirte und dies unter meinen Mitarbeitern nur zu schnell bekannt wurde, stand ich überall bald als Gemiedener, Geächteter, von dem Verkehr

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