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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

in der Mitte aber wird die ganze Schlammflüssigkeit durch den Dampf, welcher sich einen Ausgang sucht, oft bis zu fünfzehn Fuß Höhe gehoben und wie ein Springbrunnen steigt unter donnerartigem Getöse eine ganze Garbe davon in die Luft, um in langen Strahlen und faustdicken Tropfen wieder in das Becken zurückzufallen und, wie in der heftigsten Brandung starke Wellen schlagend, an den Wänden des Kessels emporzuzischen. Nach jeder solchen Schlammexplosion, welche in Zeiträumen von drei bis vier Secunden einander folgen, während an den Rändern des Kessels die Masse in fortwährendem Brodeln begriffen ist, wird eine große Menge Dampf ausgehaucht; die einzelnen Ausbrüche haben nicht gleiche Stärke, bald bleiben sie niedriger, bald brechen sie mit verdoppelter Wuth und lauterem Gebrüll hervor … Vergebliches Bemühen würde es sein, den Eindruck dieses feierlich ergreifenden Schauspiels zu schildern. Die ganze Erscheinung ist so merkwürdig, so großartig und eigenthümlich, daß wir staunend eine Zeit lang stumm dastanden vor diesem colossalen Naturspiel, das Tag und Nacht ununterbrochen fortdauert.“

Wer, wie meine Reisegefährten von Berna’s Nordfahrt und ich selbst, Anfang September erst in Island landet, darf es nicht wagen, zum Mückensee aufzubrechen. Die Rückkehr vor dem Winter würde ihm wahrscheinlich abgeschnitten. Gönnte mir aber das Glück, ein zweites Mal das ferne Thule besuchen zu können, so würde gewiß Reykjahlid am Mückensee mein erstes Ziel sein, wenn auch der für habsüchtig verschrieene Besitzer des Gehöftes seine Preise noch erhöhen sollte.




Blätter und Blüthen.

Die deutsche Schillerstiftung in Weimar. Die deutsche Schillerstiftung hat vor kurzer Zeit in Weimar ihre Generalversammlung gehalten und dort nicht allein gerade in den Hauptparagraphen ihre Satzungen oder Statuten vollständig geändert, sondern das Geänderte auch gleich zum Beschluß erhoben. Es sind darüber in der Presse die verschiedensten Stimmen laut geworden. Die in der Majorität gebliebenen Mitglieder jener Generalversammlung, die meistens über eigene Organe verfügten, haben die bisherige Verwaltung außerordentlich gelobt und die gefassten Beschlüsse als segensreich für die Stiftung hingestellt – von Anderen ist dagegen das Geschriebene auf das Bitterste angegriffen worden. Gestatten Sie einem Manne, der kein Mitglied der Zweigvereine ist, aber den wärmsten Antheil an der Sache selber nimmt, die Verhältnisse auch ziemlich genau kennt, ein Wort darüber, das ohne Gehässigkeit den gegenwärtigen, sehr zu beklagenden Stand dieser schönen Stiftung besprechen soll.

Es ist eine bekannte Thatsache, daß die erste Anregung zu der Schillerstiftung von Dresden kam und daß die Stiftung gegründet wurde, um für hülfsbedürftige, verdienstvolle Schriftsteller oder ihre Hinterlassenen einen Fond zu bilden. An vielen Orten entstanden Zweigvereine. Viele Schriftsteller – ich selber unter ihnen – hielten Vorlesungen zum Besten der Schillerstiftung, aber immer in diesem Sinn, denn Keiner von uns hatte damals noch eine Ahnung, daß je ein so bedeutendes Capital zusammenkommen könne. Der verstorbene Major Serre in Dresden that endlich für die Stiftung den Glückswurf, indem er die Schillerlotterie in’s Leben rief – aber auch seine Loose wurden dem Publicum nur zum Besten hülfsbedürftiger Schriftsteller und ihrer Hinterlassenen angeboten, und die deutsche Nation betheiligte sich, von diesem edlen und schönen Zweck angeregt, auf das freigebigste bei dem Kauf der Loose.

Der Erfolg war ein solcher, daß wir fast sagen können, wir sind wirklich im Stande, der größten Noth bedürftiger Talente abzuhelfen, und somit war der schöne Zweck vollständig erreicht. Da durchlief im Anfang vorigen Jahres das Gerücht die Presse, daß der Verwaltungsrath der Schillerstiftung gegen den Sinn und den nicht mißzuverstehenden Wortlaut der Satzungen sogenannte Ehrengaben an bemittelte Schriftsteller gegeben habe, während wirklich bedürftige und sogar solche, die sich um die Nationalliteratur verdient gemacht, leer ausgingen, ja abgewiesen wurden. Ich nenne hier Töpfer in Hamburg. Ich selber bewarb mich um eine Unterstützung für den humoristischen Schriftsteller und Maler Carl Reinhardt in Dresden, der, von Krankheit gelähmt, in die höchste Noth gerathen war – ich befürwortete dieselbe auf das Wärmste, wurde aber ebenfalls abgewiesen, wenn auch außerordentlich höflich.

Jetzt trat die Generalversammlung in Weimar zusammen, und man erwartete, daß der Verwaltungsrath eine scharfe Rüge über sein willkürliches Verfahren erhalten würde. Der Verwaltungsrath selber hatte sich auch in der That darauf gefaßt gemacht. Aber nichts dem Aehnliches geschah. Der Abgeordnete für Hamburg sah sich sogar im Stande, dem Verwaltungsrath ein Lob zu ertheilen, und der Vorsitzende, Dr. Franz Dingelstedt, ein tüchtiger und gewandter Redner, mit dem Nimbus eines kleinen, geselligen Hofes hinter sich, leitete mit einer solchen Meisterschaft die Verhandlungen, daß die Mitglieder der Generalversammlung (wenn auch mit geringer Majorität und einige Abgeordnete sogar – wie sich später herausstellte – gegen die ihnen gewordenen Instructionen ihrer Zweigstiftungen) für Alles stimmten, was der Verwaltungsrath in seinen kühnsten Hoffnungen für möglich gehalten hatte:

1) Oeffentlichkeit – wofür ihm die deutsche Nation nicht allein dankbar sein kann, sondern die sie auch berechtigt war zu fordern.
2) Verbleiben des Vororts in Weimar (gegen die Satzungen),
3) aber die Aenderung des Paragraphen, der eigentlich bis jetzt die tragende Stütze der ganzen Schillerstiftung gewesen und nun durch geschickte Einschiebung des kleinen, unansehnlichen Wortes „insbesondere“ völlig umgestoßen wurde, so daß der Verwaltungsrath dadurch die gewünschte Macht in die Hände bekam, mit den Geldern der Nationalstiftung zu thun, was er für passend hielt.

Der Paragraph der Satzungen lautete früher wie die nachstehende gewöhnlich gedruckte Schrift – das großgedruckte Wort „insbesondere“ ist jetzt eingefügt.

„Die Schillerstiftung hat den Zweck, deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen, welche für die Nationalliteratur (mit Ausschluß der strengen Fachwissenschaften) verdienstlich gewirkt, vorzugsweise solche, die sich dichterischer Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen oder ihren nächstangehörigen Hinterlassenen (insbesondere) in Fällen schwerer Lebenssorge Hülfe und Beistand darbietet.“

Herr Advocat Judeich in Dresden hat in Folge davon im dortigen literarischen Vereine auf das Ungesetzliche dieser Aenderung und auf die juristische Unverletzlichleit des Zweckes einer Stiftung hingedeutet – und er hat Recht. Die Gelder sind von der deutschen Nation zur Unterstützung hülfsbedürftiger Schriftsteller zusammengeschossen, wie dürfen wir Schriftsteller jetzt, nun wir das Geld einmal haben, sagen: „Ei, wir machen damit, was wir eben wollen!“

Aber die Sache hat auch noch eine andere Seite. Von dem Augenblicke an, wo die Verwaltung der Schillerstiftung die Gelder derselben nicht mehr ausschließlich, sondern nur insbesondere zu mildthätigen Zwecken verwendet, ist jeder weitere Zuschuß, also jede Vermehrung des vorhandenen Capitals, vollständig abgeschnitten, denn welche Stadt in Deutschland wäre jetzt noch im Stande, einen neuen Zweigverein zu gründen – welcher Schriftsteller hätte noch die Stirn, eine Vorlesung zum Besten der Schillerstiftung zu halten, wo Jeder auftreten könnte und sagen: „O, Du willst wohl auch für Dich selber eine Ehrengabe zusammenbetteln?“ Ist das Vermögen der Schillerstiftung so gewachsen, daß jede Noth verdienstlicher deutscher Schriftsteller gehoben oder gemildert werden kann (was aber nach den vorliegenden Thatsachen noch nicht der Fall zu sein scheint, während der Verwaltungsrath bis jetzt, trotz des dahin zielenden Antrags einer Zweigstiftung, die Liste der um Unterstützung eingekommenen und abgewiesenen Schriftsteller ebensowenig vorgelegt hat), so wäre ich selber der Letzte, der Schillerstiftung das Recht abzusprechen, einzelne Gaben als eine Auszeichnung auch solchen Männern zu geben, die sich, dem Wortlaut der Satzungen nach, um die Nationalliteratur verdient gemacht haben. Nie aber dürfte eine solche Auszeichnung allein von dem beschränkten Kreise des Verwaltungsrathes ausgehen, sondern es müßte einer Generalversammlung überlassen werden, darüber zu bestimmen. Sollen aber, da keine neuen Zweigstiftungen mehr entstehen können, wenn das Vermögen der Stiftung zu anderen als mildthätigen Zwecken verwandt wird, die wenigen jetzt bestehenden Zweigstiftungen die permanenten und einzigen Gesetzgeber der Schillerstiftung bleiben?

Mit all diesen Vorgängen schon vor der Sitzung der Generalversammlung bekannt, ging ich selber nach Weimar. Ich wußte, daß ich, als keiner Zweigstiftung angehörend, weder eine Stimme in der Versammlung haben, noch einen Antrag stellen konnte.

Mit Dr. Franz Dingelstedt hatte ich vorher persönlich darüber gesprochen und er mir selber gerathen, das, was ich vorschlagen wolle, schriftlich einzureichen, er werde dann schon dafür sorgen, daß es zur Kenntniß der Versammlung komme. Ich that das. Meine kurzgedrängte Schrift, worin ich das obige Bedenken hervorhob, außerdem die Gründung eines Reservefonds empfahl und dagegen protestirte, daß diese Generalversammlung die Satzungen, ja den Zweck der ganzen Stiftung umstoßen und dann auch ohne Weiteres in Ausführung bringen könnte, wurde jedoch nicht allein nicht vorgelesen, sondern Dr. Dingelstedt beseitigte das Schriftstück selber in der Versammlung mit den Worten:

„Auf Gerstäcker’s Vorschläge ist in keiner Weise einzugehen, weil sie das ganze Gebäude der Stiftung umwerfen.“

Das Papier kam zu den Acten (Papierkorb?). Der Brief, den ich danach officiell von der Schillerstiftung bekam, lautet:

„Ihre unterm 16. dieses Monats an die erste ordentliche Generalversammlung der Schillerstiftung gerichtete Zuschrift ist der hohen Versammlung mitgetheilt worden.

In Erwägung jedoch, daß die von Ihnen angeregten Punkte – Neubestimmungen der Satzungen – ohnehin auf der Tagesordnung standen und daß Anträge, die auf eine Erörterung und Beschlußfassung Anspruch machen, laut Geschäftsordnung nur von Zweigstiftungen eingebracht werden können, ging die hohe Versammlung zur Tagesordnung über.

gez. Dr. Dingelstedt.“

Hierbei bemerke ich, daß die wichtigste Aenderung der Satzungen, jene die den ganzen Zweck der Stiftung umstößt, nicht erst an die Zweigstiftungen gegangen, sondern gleich in der Generalversammlung vorgeschlagen und zum Beschlusse erhoben ist. Eine andere Aenderung der Satzungen wurde in dieser Generalversammlung beantragt und durchgeführt – das Verbleiben der Schillerstiftung in dem Vorort Weimar. Wir dürfen aber nicht glauben, daß es sich hier nur um eine Verlängerung der Zeit handelt, welche die Stiftung an Weimar fesseln soll. Das thätigste Mitglied für dieses Resultat, der Abgeordnete für Hamburg, sagt darüber in den Hamb. Nachrichten:

„– Aber die Wegräumung der Verbindlichkeit zur periodischen Wanderschaft

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_047.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2022)