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vorwärts in Eilmarsch, und so rasch war unser Anrücken, daß die Rebellen in Landon dreiundsechszig Eisenbahnwagen und zwei Locomotiven, erstere mit Munition, Waffen, Kleidern, Vorräthen aller Art beladen, in den Tennesseefluß jagten, und doch fiel Mehl, Reis, Zwieback, Waffen etc. in Massen in unsere Hände. Ich wurde beordert, über den Fluß zu setzen, wie ich könne, und nahm auf zwei schnell zurecht gemachten Flachbooten mein Regiment hinüber. Hierauf ging’s nach den Forts, nur zwei Reiter konnten wir von den Pferden schießen und vier im Stich gelassene Kanonen, eine prächtige gezogene, ein Sechspfünder und zwei Zwölfpfünder, nebst einer schönen Schlachtfahne fielen in unsere Hände. Dann ging es nach Knoxville über den kleinen Tennessee auf einer Brücke, welche vermittelst eines in’s Wasser gestellten Wagens gebaut wurde. Neun Meilen von Knoxville erfuhren wir, daß der brave Burnside mit seiner auf schmale Rationen gesetzten Mannschaft den ihn belagernden Feind geschlagen, sechstausend Gefangene gemacht, den bei unserer Annäherung ausreißenden Rebellen gefolgt sei, sie nochmals geschlagen habe und daß der Rebellengeneral Longstreet verwundet worden sei. Knoxville war entsetzt, die hartgeprüften Unionsleute von Tennessee, gegen welche die Rebellen barbarisch, blutig und grausam gehaust hatten, frei, unsere Aufgabe gelöst.

Gegen Chattanooga war die Losung. Mittlerweile hatte der Feind die Brücke über den Hiwasee verbrannt und ich wurde beordert, mit meiner Brigade rasch vorzurücken und Charleston (Tennessee) zu besetzen. Ich stellte die theilweise verbrannte Brücke in zwei Tagen, die Nacht durch arbeitend, wieder her, auf schnell zurecht gemachten Booten, nachdem ich die Brigade vorher über den Fluß gesetzt hatte. Es ist wirklich erhebend, zu denken, wie meine durch den Feldzug abgerissenen, theilweise buchstäblich barfußen Leute, durch Frost, Schlamm, Bäche, über Felsgrund und Morast marschirend, nothdürftig mit während des Marsches zusammenfouragirtem Proviant versehen, durch Regen und Wind, ohne Zelt und Obdach, nur erquickt durch die Feuer der Bivouaks, heiter und guten Muthes, voll Kampfmuth und Eifer, ihre Waffen und Munition in Ehren haltend, alle die Strapazen ertrugen! Damit der Schluß das Werk kröne, marschirten wir die letzte Nacht bis ein Uhr im strömenden Regen, durchwateten zweiundzwanzig Gewässer und erwarteten bei den Gewehren den Tag, da der Regensturm so heftig war, daß es kaum möglich wurde, hier und dort im Schutze eines Baumes ein Feuer anzuzünden. Das war eine bittere Nacht, ehe wir den letzten Marsch antraten, um dem Fuße des Lookoutberges gegenüber unser jetziges Lager zu beziehen, wo wir auf Schuhe, Kleider, Zelte etc. warteten, um nach einer Winterrast die letzten Schlachten zu schlagen. Wäre ich nicht ein zähes Holz, ich wäre längst dahin, lag ich doch im heftigen Fieber, irre im Kopf, im strömenden Regen und bin nun frisch und munter und stark wie ein Dreißiger. Auch war Herr Reb(ell) diesmal so artig, mein Fell ungeschoren zu lassen und säuberlich daneben zu schießen.“

So weit Freund Hecker. Während des ganzen von ihm beschriebenen Feldzugs hatte er eine Brigade befehligt. Eine Division wurde ihm zugesagt. Diese Versprechung, welche dem tapfern Obersten gemacht worden war, wurde ihm aber nicht gehalten. Bei seinem regen Ehrgefühle empfand er dieses lebhaft und nahm seine Entlassung, welche ihm in den schmeichelhaftesten Ausdrücken unter Anerkennung der von ihm geleisteten trefflichen Dienste ertheilt wurde.

Seither lebte Friedrich Hecker wieder auf seinem Landgute zu Lebanon. Seine Liebe zu dem alten Vaterlande ist in Amerika nicht erkaltet. Deutschland kann auf ihn rechnen, wenn es seiner bedarf. Hecker hat jenseits des Oceans nichts von seinem Feuer und seiner Geistesfrische verloren. Auch äußerlich hat er sich nicht wesentlich verändert. Noch immer ist seine Gestalt hoch und schlank, seine Haltung gerade, sein Gang rasch und jugendlich. Sein Auge leuchtet, wie in den Tagen, da er es verstand, jede Gesellschaft zu beleben und auch die trockensten Menschen zu erheitern. Sein Haar ist reich, wie in früheren Jahren, obschon sich einiges Weiß in das Blond desselben gemischt hat. Seine Stimme klingt noch immer voll und kräftig. Sein Commando drang oft durch den Donner der Kanonen und das Geknatter der Flinten, und seine Worte der Ermunterung hauchten weithin neue Kraft in die Seelen seiner Kampfgenossen.

Wie lange wirst Du warten, Deutschland, einen Deiner besten Söhne aus dem fernen Amerika zurückzuberufen?




Ein Streifzug nordischer Wasserschützen.
Mitgetheilt von Otto Lübbert.[1]

Zu Anfang des Maimonats war es, als mir das hier eben nicht ganz alltägliche Ereigniß gemeldet wurde, ein Walfisch, und zwar einer von der Sorte, die man hier den Buchten-Walfisch (norwegisch: Vaagehval, schwedisch: Vikhval, Balaenoptera rostrata Fabr.) nennt, sei in der „Hatlevigen“ geheißenen etwa ein und ein halb norwegische Meile südlich von Bergen belegenen Bucht eingesperrt. Die Gelegenheit, Eingeweide und vollständiges Skelet, vielleicht auch einen Fötus zu ergattern, war lockend; ich zog meine großen Seestiefel an, ließ Mundvorrath für acht Tage und extra einige Flaschen Franzbranntwein und mehrere Pfunde Puderzucker einpacken, nahm Schleppnetz und Spiritusgefäße mit, setzte mich in ein von drei kräftigen Leuten gerudertes Fischerboot, und vorwärts ging’s, daß das Wasser am Bug schäumte. Die Ruderer priesen mir einmal über das andere, wie gut ich’s haben würde bei der Wittwe Martha Hatlevigen, die Anrecht hätte auf den größten Theil des Walfisches. In etwa drei Stunden war die Reise beendigt. Zwei kleine Inseln versperren den Eingang zu einer umfangreichen Bucht. „Siehst Du,“ sagten die Leute zu mir, „da wohnt Martha, nun sind wir gleich da. Da sind die Wachen aufgestellt; hörst Du nicht, wie der Ole mit dem Fischhaken auf den Bootsrand loshämmert, um den Walfisch zurückzuscheuchen, wenn dieser versuchen will, das Garn zu durchbrechen?“ Wir glitten dann über das dreidoppelte Garn, das die Bucht absperrte, hinweg. Der Eingang zu der Bucht, der hatte abgeschlossen werden müssen, war kaum zehn Faden breit, das Wasser aber zur Ebbezeit so flach, daß ein Walfisch eben mit genauer Noth über die Untiefe hinweggleiten konnte. Drinnen in der Bucht dagegen hatte er einen weiten Spielraum. Am Landungsplatze lag ein großes Boot mit mehreren älteren Männern, es waren Walfischschützen von Profession, aus Skogsraag, die man eingeladen hatte, damit sie dem eingeschlossenen Ungeheuer den Garaus machten. Einige von ihnen kannten mich.

„Willkommen!“ riefen sie, als ich zu ihnen in’s Boot sprang. „Was ist Dein Begehr?“

„Den Walfisch zu kaufen.“

„Ja, die Knochen kannst Du schon kriegen für Geld und gute Worte, aber vom Fleische und Speck bekommst Du Nichts ab; darauf verstehst Du Dich nicht.“

Nun, an eine Thranspeculation hatte ich eben nicht gedacht.

Die guten Leute halfen mir meine Sachen zur Martha Hatlevigen hinaufschleppen, auf einem mäandrisch gewundenen Steig, der uns zu einem Grasplane führte, auf welchem das Häuschen der glücklichen

  1. Der Verfasser dieser interessanten Mittheilungen, denen wir später noch einige andere aus seiner Feder folgen lassen werden, ist leider nicht mehr unter den Lebenden; mit ihm sank nicht nur ein reiches vielseiliges Talent, sondern auch ein echter deutscher Mannescharakter, ein treffliches Herz in das frühe Grab in fremdem Lande. Otto Lübbert war ein geborener Mecklenburger und hatte eben auf verschiedenen deutschen Universitäten seine juristischen Studien beendet, als das Jahr 1848 auch ihn in seine Bewegung riß. Ein begeisterter und begeisternder Volksredner in den mecklenburgischen Städten, war er einer der tapfersten Kämpen wider die sogenannte patriarchalische Junkerwirthschaft seines Heimathlandes; die Reaction fasste daher ihn vor Allem in’s Auge, so daß er sich genöthigt sah, vor ihrer Rache zu flüchten. Er stieg in Rostock in das erste beste Schiff, in der Hoffnung, nach England zu entkommen, allein erst an Bord erfuhr er, daß das Fahrzeug nach Norwegen bestimmt war, und so schiffte er nach dem fernen Nordlande. Ein guter Clavierspieler und Musiker, erwarb er sich zunächst in Drontheim, dann in Bergen einen leidlichen Lebensunterhalt und manche Freunde und hatte sich eben in dem seinen wissenschaftlichen Bestrebungen und literarischen Arbeiten, die meist die norwegische Thierwelt betrafen, günstigern Christiania niedergelassen, als ihn im September des letzten Jahres ein hitziges Nervenfieber rasch dahin raffte.       Die Redaction.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_059.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)