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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

dem Reichthum der Besitzerin ist er von Horn, von Silber, ja von Gold, oder wenigstens vergoldet. Einige junge besser gekleidete Mädchen, wahrscheinlich Gäste von Como oder andern Städtchen des Sees, hatten einen schwarzen Schleier über ihrem Kopf hängen, der in Mailand und weiter südlich einen gewöhnlichen Ersatz des Frauenhutes bildet. Man kann die Frauen am Comer See im Allgemeinen nicht hübsch nennen, die Backenknochen stehen zu sehr hervor, nichts destoweniger geben ihre dunkeln Augen dem Gesicht einen großen Reiz, und man kann es wohl verstehen, daß ein junger Bursch mit Freuden einen ganzen Wochenlohn für ein Geschenk hingiebt, das ihm einen dankenden Liebesblick von den dunkeln Augen seiner Angebeteten einbringt.

Ungezwungen gaben sich Alle dem Vergüngen des Tages hin. Und wirklich, wenn man die zufriedene Heiterkeit dieser Menschen sieht, wie sie bereit sind, auf jeden Scherz einzugehen, wie geneigt, aus den geringfügigsten Veranlassungen Freude zu schöpfen: wenn man ihr herzliches, aber weder unmäßiges, noch tolles Lachen hört, wie z. B. die Gans, als sie versteigert wurde, gegen die gewaltsame Herrschaftsveränderung durch energisches Schnattern protestirte; wenn man die Ordnung sieht, die dabei herrscht, die Abwesenheit aller Rohheit, alles Trinkens, ohne dessen Excesse bei uns im Norden kein Volksfest gedacht werden kann – dann wird man unwillkürlich von dem Geiste dieser harmlosen Heiterkeit angesteckt und vergißt sogar, über die schlaue Erfindungskraft der Geistlichkeit zu speculiren, die gewiß einen großen Gewinn von diesem Feste zieht, einen Gewinn, zu dem Jeder der Beisteuernden mit Freude und Stolz beiträgt.

Sehr unterhaltend war es auch, die sogenannten Honoratioren zu beobachten. Die Frauen, die sehr elegant, reich und mit vielem Geschmack gekleidet waren, hatten in ihrer Toilette wie in ihrem ganzen Wesen etwas Ungekünsteltes und Selbstbewußtes, wodurch sie sehr vortheilhaft von den Herren abstachen, die in ihrem Aeußern wie in ihren Bewegungen etwas entschieden Unfreies hatten. Die älteren, geschniegelt und gebügelt, abgelebte Roués, wie man sie in der ältern Komödie zu finden gewöhnt ist, zum Theil mit sehr unangenehmem, niedrigem Ausdruck, waren ganz das Bild einer seit Jahrhunderten abgeschlossenen Aristokratie. Die Jüngeren, als ob sie das theilweise Lächerliche der alten Herren sähen, suchten sich freier zu kleiden, offenbar in Nachahmung des englischen Gentleman. Aber man bemerkte auf den ersten Blick, daß das ein ihnen fremdes Element war; daher gelang es Keinem so recht. Man sah die Absicht im Schnitt des Bartes, wie der Kleider, sich zu englisiren, während doch die Natürlichkeit und Absichtslosigkeit gerade das Hauptkennzeichen eines Gentleman ausmacht, im Benehmen, wie im Anzuge. Indessen störte die „Aristokratie des Sees“ das Vergnügen des Volkes in keiner Weise; im Gegentheile nahm sie wirklich Theil am Feste, sie lachte so herzlich, wie die Andern, wo es etwas zum Lachen gab, und wie sie zu den dargebrachten Früchten mit beigesteuert hatte, so half sie auch bei der Versteigerung. Das Volk bewegte sich so ungebunden, als ob sie gar nicht zugegen gewesen wäre.

Die Auction übte ihre Anziehungskraft ungeschwächt, bis alle Geschenke versteigen waren. Diejenigen, die sich nicht an ihr betheiligten oder die bereits ihre Einkäufe für ihre Geliebten gemacht hatten, schlenderten umher und begrüßten Freunde oder Bekannte von andern Gegenden des Sees, tauschten ein paar Worte aus mit Diesem und Jenem, scherzten und lachten, während die Kinder unter den mächtigen Kastanienbäumen zur rauschenden Musik tanzten und sprangen, oder sich an den schönen Weintrauben labten, die ein paar Hökerinnen zum Verkauf ausboten.

Auf diese Weise verging der Nachmittag in Heiterkeit und Frohsinn, und als die Sonne anfing, sich hinter den Bergen zu versenken, fuhren Alle in ihren Gondeln und Barken von dem kleinen Hafen nach Hause. Bald war der See wieder bedeckt von mehr als hundert Schiffen, die sich nach allen Richtungen hin zerstreuten und aus denen allen fröhliche Gesichter herausschauten.

So endete das Fest zur Zufriedenheit aller Besucher und, ich zweifle nicht, zur noch größern Zufriedenheit der Geistlichen des Kirchsprengels von San Giovanni.

B. B.


Blätter und Blüthen.


Pariser Salonplaudereien. Die Pariser Salons, welche früher einen so brillanten Ruf besaßen und einen förmlichen Turnierplatz für den feinen Witz, den geistreichen Scherz bildeten, haben in dieser Hinsicht undendlich viel verloren und sind zu wahren Klatschgesellschaften herabgesunken, wo das müßige Geschwätz und die Médisance sich ungebührlich breit machen – indessen bleibt es immerhin noch ergötzlich genug, diesen kleinen Klatschereien zuzuhören, besonders wenn das gute Paris so vollauf Stoff zum Plaudern hat, wie dies jetzt der Fall ist. Da ist zuerst die Hochzeit des Alexander Dumas junior mit Frau Narischlin oder der Fürstin Narischlin, wie sie von vielen Seiten genannt wird. Der Verfasser der „Cameliendame“ macht eine ganz glänzende Partie an der schönen Wittwe, die ihm, wie man sagt, in ihrem Corbeille de nôces eine Rente von einhunderttausend Franken mitbringt, so daß der glückliche Bräutigam, als er seinen Freunden die Anzeige von seiner bevorstehenden Verheirathung machte, den Vorsatz aussprach: „Ich werde jetzt nur noch ein einziges Lustspiel und einen einzigen Roman schreiben.“

Was die Neuvermählte außer dem Glück, einen berühmten Mann bekommen zu haben, sowie viele andere wünschenswerthe Güter zu besitzen, zu einem Gegenstande großen Neides für die gesammte Damenwelt von Paris macht, ist der außerordentliche Vorzug, daß sie von der Mutter Natur mit dem schönsten rothen Haar begabt wurde. Sie ist so durch die Natur schon eine Modeschönheit des Tages, während andere Damen sich ihr Haar erst mit vieler Mühe und großen Unkosten roth färben müssen. Viele stellen ohne Weiteres die Behauptung auf, daß die schöne Russin oder vielmehr Schwedin, denn dies ist sie von Geburt, diesem Umstande das Herz ihres jetzigen Gatten verdankt. Wie hätte er sich auch in eine Brünette oder Blondine verlieben können, während „Roth“ die Parole des Tages ist! Indessen dürften alle diese Heldinnen aux cheveux rouges bald genug aus der Mode kommen; in Paris vergeht Alles noch schneller, als anderswo, und man hat bereits wieder eine ganz neue, noch viel seltsamere Haarfarbe entdeckt, welche haute nouveauté des Tages ist.

Wie man wohl schon aus den Zeitungen erfahren haben wird, langten vor Kurzem der Graf und die Gräfin Zichy in Paris an, wo sie sich einige Zeit aufhielten, um dann weiter nach Wien zu reisen. Das gräfliche Paar kehrte aus Mexico zurück, wohin sie dem Kaiser Max und der Kaiserin Charlotte das Geleit gegeben; wie man hört, werden sie auch wieder dahin zurückkehren. Die Gräfin Zichy soll eine Schwester der Fürstin Metternich sein, ist jedenfalls aber durch ihren Gemahl dem Metternich’schen Hause nahe verwandt und hat in den vornehmen Kreisen von Paris durch ihre Haarfarbe ungeheures Aufsehen erregt, denn die bildbübsche, böchstens dreißigjährige Frau, hat schneeweißes Haar, welches in üppigster Fülle ihr jugendfrisches Antlizu umrahmt und einen höchst eigenthümlichen Contrast dazu bildet. Alle Welt war außer sich darüber; man fand es pikant, höchst pikant, und viele Damen behaupteten, die Gräfin habe diese Haarfarbe ganz eigens für sich erfunden, um sich ein interessantes Relief zu geben. Da man nun in Paris dem Ungewöhnlichen mir einer wahren Leidenschaft nachjagt, so wollen jetzt alle jungen Damen weißes Haar haben und die Haarkünstler und Chemiker plagen sich damit, ein geeignetes Mittel zu erfinden, um die Haare schneeweiß zu bleichen. Wenn die geehrten Damen noch eine Zeit lang warten wollten, könnten sie ganz von selbst die gewünschte Haarfarbe erlangen, aber sie wollen dieses Ziel ja schon während der Jugendzeit erreichen; vielleicht erreichen sie es, und dann werden für einige Zeit die „Blanchetten“ den Sieg davontragen über Brünetten, Blondinen und Roussetten. –

Unter den Proceßgeschichten, welche das Tagesgespräch bilden, stehen die Ehescheidungsprocesse, deren es in Frankreich mehr als sonst wo giebt, jedenfalls obenan. Sowie das heißeste Sehnen der jungen Mädchen in Frankreich danach geht, Frau zu heißen, nur um Cachemirshawls und Brillanten tragen zu dürfen, so scheint es für die einmal verheiratheten Frauen keinen innigern Wunsch zu geben, als den, wieder von ihrem Manne getrennt zu sein. So hörten wir neulich folgendes Geschichtchen erzählen:

Ein junger Mann aus vornehmer Familie verliebte sich in ein sehr hübsches, junges Mädchen und heirathete es. Eine Zeitlang war Alles Freude und Herrlichkeit, da führte die Schlange Eva in Versuchung; die junge Frau verliebte sich in einen Freund ihres Mannes, welcher ihr eifrig den Hof machte, und zeigte dies auch unverhohlen ihrem unglücklichen Gemahl. Dieser liebte die Ungetreue trotzdem immer noch, wollte aber ihrem Glücke nicht im Wege stehen und willigte deshalb in eine Scheidung, damit sie den angebeteten Freund heirathen könnte. Er selbst ging unmittelbar nach der Scheidung auf Reisen in den Orient, und die Dame vermählte sich mit dem Freunde. Aber was geschah? Derselbe wurde aus einem aufmerksamen, galanten Liebhaber ein ziemlich gleichgültiger Ehemann, und Madame fühlte sich sehr bald grausam enttäuscht. Da kam ihr früherer Gatte von seinen Reisen zurück: er begegnete seiner ehemaligen Frau in Gesellschaft, und sie machte die Bemerkung, wie sehr die gebräunte Gesichtsfarbe, der dunkle Bart ihn zu seinem Vortheil verändert, wie interessant er zu erzählen wisse, kurz, wie bedeutend er sich neben ihrem Manne ausnebme. Er hingegen fand sie ebenfalls noch hübscher als ehedem, und die erloschen geglaubte Liebe loderte von Neuem in seinem Herzen auf. Diese Liebe wurde von der Dame bald in vollem Maße erwidert, ihr Mann hatte nichts gegen eine Trennung einzuwenden; sie wurde abermals geschieden und heirathete nun wieder ihren ersten Gatten.

Eines Tages, als sie schwärmerisch über ihr Glück phantasirte, sagte ihr Gemahl lächelnd: „Aber, liebes Kind, wenn Du Dich jetzt so glücklick fühlst, warum wußtest Du dies Glück nicht zu schätzen, als Du es schon einmal besaßest?“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_063.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)