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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Blätter und Blüthen.

Noch eine naturwissenschaftliche Vexir-Frage. Jedes Kind weiß jetzt, daß die Sonne feststeht und sich um sich selber dreht, trotzdem sie sich um die Erde zu bewegen scheint, und daß die Erde in ihrem jährlichen Umlauf um die Sonne sich ebenfalls um ihre eigene Axe dreht; aber wie steht es in dieser Beziehung mit dem Monde? Dreht sich der Mond ebenfalls um sich selbst, während er die Erde umkreist? Wenn wir uns in den Lehrbüchern der Astronomie Rath holen wollen, um diese Frage zu beantworten, so werden wir finden, daß uns dieselben im Stich lassen. So müssen wir denn selber versuchen, uns die Bewegung des Mondes klar zu machen; dem denkenden Leser soll es dann überlassen bleiben, aus unsern Auseinandersetzungen sich das Nöthige herauszunehmen und sich die Frage selbst zu beantworten. Wir glauben sicher zu sein, daß ein Theil der Leser und Leserinnen sein Ja, ein anderer ebenso großer Theil sein Nein bereit hat, gerade wie bei unserer Vexirfrage in Nr. 52 des letzten Jahrgangs.

Der Mond mag im ersten oder im letzten Viertel stehen oder mag voll sein, immerfort erblicken wir den allbekannten Mann im Mond, natürlich je nach der Gestalt des Mondes mehr oder weniger verfinstert. Mit andern Worten: die helle Mondscheibe hat einige dunkele Flecken, welche wir immer an einer und derselben Stelle erblicken. Daraus machen wir den Schluß, daß der Mond bei seiner Bewegung uns immer eine und dieselbe Seite zu kehrt. Dieser Satz ist unbedingt richtig, auf ihn können wir schwören wie auf die Bibel und, was die Hauptsache ist, auf ihn können wir unsere weiteren Auseinandersetzungen gründen. Um uns nun die Bewegung des Mondes um die Erde recht klar zu machen, denken wir uns, daß diese, die Dame Erde also, in der Mitte eines Saales unbeweglich still stehe, daß jener aber, der Herr Mond, in dem Saale jene Dame umkreise, aber so, daß er sein Gesicht ihr immer zugewendet hält. Der Herr geht also um die Dame genau so herum, wie die Katze um den heißen Brei; auch diese wendet ihr sehnsüchtiges Auge nicht ab von dem heißgeliebten, aber nicht heiß geliebten Brei. So ist auch die Bewegung des Mondes um die Erde, das ist Wahrheit.

Unsere Frage ist aber dadurch noch nicht beantwortet. Sehen wir weiter! Wenn leichtfüßige Jungfrauen und Jünglinge einen Rundtanz vollführen, so weiß jedermann, daß die tanzenden Paare sich um sich selber drehen. Denken wir uns nun in die Mitte der Tanzenden versetzt, so werden wir bemerken, daß dieselben uns fortwährend andere Seiten ihres Ich zukehren, sodaß wir sie abwechselnd von vorn und von hinten zu sehen bekommen. Daraus schließen wir, daß, wenn sich ein Körper um sich selber dreht, wir ihn nacheinander von allen Seiten beschauen: da dies nun aber beim Monde nicht der Fall ist, so kann sich der Mond auch nicht um sich selber drehen. Gut, aber wer sagt denn, daß wir uns gerade in die Mitte des Saales stellen sollen? Nehmen wir einmal Stellung an der Thür des Saales und lassen jetzt den Herrn Mond die in der Mitte des Saales stehende Dame Erde so umkreisen, daß er dieselbe immer im Auge behält. Werden wir nun nicht, wenn der Herr seinen Kreislauf vollendet hat, ihn ebenfalls von allen Seiten, von vorn und von hinten, von rechts und von links, in Augenschein genommen haben? Sicherlich. Dem Beobachter an der Thür wird es demnach so vorkommen, als ob der Herr Mond sich auch um sich selber gedreht hätte. Ein außerhalb der Mondbahn, also z. B. auf der Sonne befindlicher Beobachter, wird also behaupten: der Mond hat sich nach je vier Wochen einmal um sich selber gedreht.

Unsere Frage hat sich dadurch in eine andere verwandelt: „Dürfen wir uns auf unsere Beobachtungen des Mondes von der Erde aus verlassen, oder müssen wir uns außerhalb des Mondreviers versetzt denken?“ Es giebt allerdings viele Bewegungen der Himmelskörper, welche von der Erde aus beobachtet einen ganz andern Eindruck machen, eine ganz andere Erscheinung hervorbringen, als wenn man sie von einem andern Punkte des Wellraums aus beobachtete. Ob zu solchen Bewegungen auch die Drehung des Mondes gerechnet werden muß, ist zu untersuchen. Da uns die Axendrehung des Mondes, von der Erde aus gesehen, zweifelhaft erscheint, so wenden wir uns einmal zur Sonne, welche sich ja auch um sich selber dreht.

Diese Drehung der Sonne aber können wir von der Erde aus recht gut beobachten, wenn auch nicht mit bloßem, so doch mit bewaffnetem Auge. Von jedem andern Punkte des Weltalls aber kann die Rotation der Sonne ebensogut wahrgenommen werden und es scheint demnach, daß die Axendrehung nicht zu denjenigen Bewegungen gehört, welche dem Beobachter auf der Erde anders erscheinen als dem Beobachter an irgend einem andern Punkte des Himmels. Hiernach würden wir also gezwungen sein anzunehmen, daß der Mond sich überhaupt nicht um sich selber dreht. Zuerst also nein, dann wieder ja und nun wiederum nein! So kommen wir nicht zum Ziel; greifen wir die Sache deshalb einmal wo anders an. Machen wir uns den Begriff „sich um sich selbst drehen“ zuvörderst recht klar und durchsichtig. Ein Wagenrad dreht sich doch sicher um sich selber, das wird Niemand bezweifeln; ein jedes Kind weiß auch, daß ein Wagenrad eine Axe hat, welche im Mittelpunkt des Rades feststeht. Es ist aber nicht durchaus nöthig, daß diese Axe gerade im Mittelpunkt liegt: es giebt ja auch unregelmäßige Körper, welche überhaupt kein eigentliches Centrum haben, und diese können sich gleichwohl um eine Axe drehen. Nehmen wir z. B. einen Stuhl mit vier Füßen: wir fassen ihn an der Lehne, stützen ihn auf einen seiner Füße und drehen ihn um sich selber herum. Daraus ist ersichtlich, daß unbeschadet der Drehung eines Körpers um sich selbst die Drehungsaxe im Körper liegen kann, wo sie will. Ist aber die Lage der Drehungsaxe gleichgültig, so kann sie auch ganz und gar außerhalb des Körpers liegen, welcher sich dreht. Gehen wir von diesem Grundsatz aus, so können wir die Bewegung des Mondes als eine Drehung um sich selbst ansehen, bei welcher die Drehungsaxe dann allerdings nicht im Monde, sondern außerhalb des Mondes und zwar im Mittelpunkt der Erde liegt. Sonach dreht sich der Mond doch um sich selbst? Ueberlege sich aber auch der denkende Leser oder die wißbegierige Leserin ja recht genau, ob man auch sagen könne, daß ein Körper sich um seine eigene Axe drehe, wenn diese Axe nicht einmal in ihm liegt; man überlege sich, ehe man die Frage entscheidet, ob man sagen könne, der Mond drehe sich um seine eigene Axe, wenn diese Axe im Mittelpunkt der Erde liegt, also doch der Erde gehört.

Hütet Euch, freundliche Leser der Gartenlaube, damit es Euch nicht gehe wie jenem ehrlichen Manne, welcher sich in einer Zuschrift an die Redaction rühmte, wie leicht ihm die Lösung der in Nr. 52, 1864 aufgestellten Glas Wasser Frage geworden sei, und dieselbe Frage – falsch beantwortet hatte.

R. H.




Handeln die Thiere nur aus Instinct oder mit Ueberlegung? In den Jahren 1851 und 1852 war ich Commis in dem Fabrikgeschäfte des Herrn Friedrich Heermann in Holzminden; derselbe hatte auf dem Fabrikhofe einen Fuchs an die Kette gefesselt, der fast nichts von seiner Wildheit verloren hatte, obgleich er jung gefangen war und schon anderthalb Jahre an der Kette lag. Manches Täubchen, das sich dem Häuschen zu nahe wagte, das man Meister Reinecke aus Lehm und Steinen hergerichtet hatte, ward von diesem mit einem Sprunge erreicht; trotzdem hatte mein Principal seine Freude an dem Thier und wollle es nicht abschaffen. Ich machte mir oft ein Vergnügen daraus es zu necken, vorzüglich damit, daß ich einen leckern Bissen ihm so nahe legte, daß es ihm mit Vorderlauf oder Schnauze bis auf sechs Zoll nahe kommen, aber ihn nicht erreichen konnte. Dann ging ich abseits und sah aus gewisser Entfernung, wie er sich vergeblich bemühte den Bissen zu erreichen; bei dem fünften Male kam es gar nicht mehr aus der Höhle, es mochte wohl eingesehen haben, daß sein Bemühen vergeblich war. Nach acht Tagen machte ich den Versuch von Neuem; aus meinem Hinterhalte sah ich, wie der Fuchs aus seinem Gebäude kam und auf das Stück Fleisch losging. Als die Länge der Kette nicht genügte, drehte er sich um, fügte zur Länge der Kette die Länge seines Körpers hinzu, erreichte mit dem Hinterlaufe das Stück Fleisch und schob es so zu sich heran.

H.




Für Landwirthe. Unter den landwirthschaftlichen Blättern Deutschlands nimmt jedenfalls die nunmehr schon seit zwanzig Jahren erscheinende Agronomische Zeitung von Dr. Wilhelm Hamm in Leipzig einen hervorragenden, wenn nicht den ersten Rang ein. Wir sehen in derselben die größten Männer der Wissenschaft und der Praxis als fleißige Mitarbeiter vertreten; so: J. von Liebig, A. von Weckberlin, Prof. Dr. Knop, O. Rohde, Dr. H. Grouven, Dr. K. Birnbaum, Prof. Dr. Kühn, Gartendirector Jühlke, H. Jaeger und viele andere, namentlich auch aus dem Gebiet der ausübenden Landwirthschaft. Ein gewählter, nur aus Originalen bestehender Text, eine große Masse des Inhalts und eine gute Ausstattung mit reichen Illustrationen rechtfertigen die Empfehlung dieser Zeitung, deren Herausgeber auch seit Jahren zu den Mitarbeitern der Gartenlaube gehört.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_096.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)