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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

hätte ich ihn fast nicht erkannt; er machte auch wenig Umstände mit mir, als ich ihm mit einem Kusse einen herzlichen guten Morgen wünschte. Ohne die Feder aus der Hand zu legen, reichte er mir seine Wange und sprach: ‚Fünfundzwanzig, dreißig, siebenundvierzig – ssst!‘ Ich war ganz verblüfft und wollte mich beleidigt zurückziehen, als er eben sein Conto geschlossen hatte und mit seiner Rechnung fertig geworden war. Er erklärte mir sehr einfach, daß ich ihn nie beim Rechnen stören dürfe, weil von einem Fehler oft Wichtiges abhinge und ein Principal sich dergleichen nie dürfe zu Schulden kommen lassen. Ich verzog den Mund zum Weinen, eilte auf mein Zimmer und wollte schmollen. Ich wollte, ja, aber ich konnte nicht. Er hatte doch eigentlich Recht und er mußte es doch besser verstehen. Rasch sattelte ich um, ich wollte liebenswürdig sein und siehe, das gelang mir besser. Als er zum Essen kam, war ich heiter und bat scherzend um Entschuldigung wegen meines Verbrechens von heute früh. Er küßte mich zärtich und nannte mich sein kluges Weibchen. Aber noch etwas viel Schrecklicheres muß ich Dir miltheilen. Denke Dir nur, in jedem seiner Röcke steckt ein Taschentuch und dieses wechselt er nie, unbekümmert darum, ob die Farbe desselben mehr dem Weiß oder dem Schwarz ähnlich ist. Ich war außer mir darüber, wenn ich daran dachte, wie sauber Alles an ihm war, wenn er uns bei der Mutter besuchte. Auf meine naive Frage, wie es denn möglich sei, sich so zu verändern, gab er mir ruhig die Antwort: ‚Ich habe mich nicht verändert, nur die Verhältnisse sind anders geworden. Meine alte Haushälterin versorgte alle meine Rocktaschen stets mit reinen Taschentüchern, meine junge Frau wird das auch lernen müssen!‘ Seit der Zeit kannst Du mich jeden Tag auf der ‚Taschentücherjagd‘ finden, das heißt, ich vertausche die gebrauchten Tücher mit reinen, und obgleich er sich den Anschein giebt, es nicht zu bemerken, so macht es mir doch Vergnügen, zu wissen, daß ich damit einer seiner Gewohnheiten Rechnung trage und ihm gefällig bin.“

Die junge Frau schwieg nachdenklich, und ich war eben im Begriff, ihr zu sagen, wie sehr ich ihre Handlungsweise billige und daß sie auf dem besten Wege sei, als sie, fast wehmüthig, wieder begann: „Das Schlimmste hab’ ich Dir noch nicht erzählt, doch es muß heraus, Dir gegenüber kann ich nichts auf dem Herzen behalten! Wirst Du es glauben“ – sie stockte ein Weilchen – „sein schönes Haar, das er immer so reizend trägt“ – sie stockte wieder „ist nur zur Hälfte sein Eigenthum; oben auf dem Scheitel trägt er – eine kleine Perücke!“

Das war mir selbst überraschend bei einem so jungen Manne, und ich mochte wohl ein recht verwundertes Gesicht bei dieser Mittheilung gemacht haben, denn plötzlich schlang meine junge Freundin ihre Arme um meinen Hals und sagte mit einer wahrhaft rührenden Stimme: „Nein, nein, Du darfst deshalb nicht schlecht von ihm denken, dafür kann er nun schon gar nicht, daß er das garstige Ding tragen muß; ein Nervenfieber in der Jugend zerstörte seinen natürlichen Haarwuchs; seit jener Zeit trägt er auf den Wunsch des Arztes die Tour, die ihn“ – sie wurde wieder ganz heiter – „doch eigentlich sehr gut kleidet. Und ich habe doch einen hübschen Mann,“ sprach sie dann mit jugendlichem Uebermuth, „und so sehr gut ist er und so fleißig, so treu, so klug und – ich liebe ihn von ganzem Herzen und möchte ihn gar nicht anders haben!“

„Und die Nudelsuppe?“ sagte ich gespannt.

„Ach, sei davon still, er ißt sie sehr gern und wollte mich nur ein wenig bestrafen meiner ästhetischen Ziererei wegen!“

Siehst du, meine liebe junge Leserin, das war ein kluges Weibchen! Ich schloß sie gerührt in meine Arme und bat den Himmel, sie ferner in seinen Schutz zu nehmen. Beruhigt reiste ich ab, nahm ich doch die sicherste Garantie für das Lebensglück meiner Freundin mit mir: die Gewißheit, daß diese Geist und Herz auf der richtigen Stelle habe und den besten Gebrauch davon machen werde, du aber, gehe hin und thue desgleichen!


Eine verhängnißvolle Alpenfahrt. Gewiß sind die meisten unserer Leser der lebens- und schwungvollen Schilderung mit Interesse gefolgt, welche in Nummer 3 des laufenden Jahrgangs dieses Blattes ein Weihnachtsbild aus einem Tiroler See- und Bergwinkel vor Augen brachte. Sie werden daher mir schmerzlicher Theilnahme von dem beklagenswerthen Unfalle hören, der dem Verfasser jenes Artikels, Dr. Heinrich Noë, einem der talentvollsten jüngeren Schriftsteller Baierns, vor Kurzem in der Nähe des Achensees, wo er zeitweilig sein Zelt aufgeschlagen, widerfahren ist. Die Augsburger Abendzeitung berichtet aus München, wie folgt:

„Aller Einreden ungeachtet machte sich Dr. Noë mit ganz einfacher Fußbekleidung auf den Weg von Bertisau nach dem Plumser Joch; nach einiger Zeit begann es auf das Heftigste zu stöbern: Noë irrte vom Wege ab und verlor im fußtiefen Schnee seine Schuhe; es blieb ihm dessenungeachtet nichts anderes übrig, als seinen Weg gleichwohl fortzusetzen; binnen kurzer Zeit hatten sich an seinen Fußsohlen Eisklumpen gebildet, sodaß er deswegen und vor Mattigkeit nicht mehr gehen konnte. Nun schleppte er sich, auf allen Vieren kriechend, nach einer nahen verlassenen Sennhütte und fand dort noch vorräthiges Holz. Hiervon machte er sich Feuer und schmolz das Eis von den Füßen. Leicht vorauszusehen wäre sein Loos gewesen, hätten nicht glücklicherweise des Weges kommende österreichische Grenzwächter, von dem aus der Hütte emporquellenden, übelriechenden Rauch aufmerksam gemacht, den Verirrten entdeckt und nach der nächsten Ortschaft gebracht. Man hat den Unglücklichen mit der Bahn nach Ansbach gebracht, wo seine Eltern leben. Zum Glück scheint indeß der Unfall nicht so ernste Folgen nach sich zu ziehen, wie die ihn jetzt behandelnden Aerzte anfänglich fürchteten, die von Amputation der Zehen beider Füße, ja sogar vielleicht dieser letzteren selbst sprachen. Dr. Noë befindet sich erfreulicher Weise schon auf dem Wege völliger Genesung und wird sicher noch manche Alpenfahrt – hoffentlich aber keine so verhängnißvolle mehr wie die neuliche – unternehmen und schildern können.


 Kreuz- und Quer-Charade.

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Wenn Du in des Sommers Schwüle
Dich in 1. und 2. ergangen,
Und Dich sehnst nach Schattenkühle,
Stillt 3. 4. Dir Dein Verlangen.

So der Ruhe hingegeben,
Horchest Du wohl 3. 2. Klängen,
Die vom Felde dicht daneben,
Jubelnd sich zum Ohr Dir drängen.

Auf dem Feld im Sonnenscheine
Sind 1. 4. ein Spiel den Winden,
Aber bald kommt mehr als Eine,
Die’s versteht, sie fest zu binden.

Träumend Deine Blicke weilen
Auf dem ländlich schönen Bilde,
Und die Stunden rasch enteilen,
Abend kommt mit seiner Milde.

Ruft das Glöckchen der Capelle
Heim sie von des Tages Mühen,
Sieh, da 4. 2. auf der Stelle
Viele, eh’ sie heimwärts ziehen.

Auch Dich mahnt es heimzugehen,
Und aus 1. 2. 3. 4. wendet
Sich Dein Schritt, um nachzusehen,
Was 1. 2. 3. 4. gespendet.

Und was ist’s, das Du gefunden?
Früchte, die auf Blättern nicken,
Oder lockend zwischen bunten
Blüthen Dir entgegenblicken.


Erklärung. Wahrhaft schmerzlich ist es uns, auch unsererseits die Leser der Gartenlaube von Neuem um Geduld wegen der längst versprochenen Erzählung von Hermann SchmidDer baierische Hiesel“ bitten zu müssen. Wie uns der Verfasser soeben schreibt, rauben ihm Körperleiden, mehr aber noch ein großer Seelenschmerz, den er kürzlich dadurch erfahren, daß, trotz dem einträchtigen Urtheile der Kritik und trotz der einstimmigen Befürwortung der betreffenden Preisrichter, seinem Trauerspiele „Ludwig im Bart“ der vom Könige von Baiern ausgesetzte Preis ohne jedwede Motivirung versagt worden sei, augenblicklich die nöthige Ruhe zur Vollendung der genannten Erzählung. Dieselbe werde aber noch im Laufe des gegenwärtigen Quartals uns im Manuscripte zukommen. Die Redaction.     



Kleiner Briefkasten.

F. M. in Berlin. Die Erfindung läßt kaum zu wünschen übrig, aber die Ausführung, die Form? Für jetzt also „Nein“. Indeß „Rom ist nicht in einem Tage gebaut“.

J. G. in N … bg. Vom Ober- und Unterland ist bis jetzt nichts zu uns gedrungen. Forschen Sie freundlich nach.

D. R. in Bielefeld. Getroffen. Der Artikel in Nr. 49, 1864: „Ein gekröntes Opfer“ hat Herrn Georg Hiltl, unsern altbewährten Mitarbeiter, zum Verfasser.




Schach.
Auflösung der Aufgabe Nr. 1.
  Weiß.       Schwarz.
1)0 D A 4 – C 2 0 L E 4 – H 1: oder A
2)0 D C 2 – G 6 0    G 5 – F 4:
3)0    E 3 – E 4 0 K E 5 – D 4: (am besten)
4)0 D G 6 – D 6:       0 K beliebig.
5)0 D D 6 – D 5
A.
1)0 ....... 0 D A 7 – B 7
2)0 T D 4 – E 4: 0 K E 5 – F 5
3)0 T E 4 – E 6 0 K F 5 – G 4
4)0 D C 2 – F 5       0 Beliebig.
5)0 D oder S H 6
B.
1)0 ....... 0 K E 5 – F 5
2)0 L C 2 – E 4: 0 K F 5 – G 4 oder C
3)0 D C 2 – D 1 0 K G 4 – H 4
4)0 D D 1 – H 5       0 Beliebig.
5)0 D H 6 - H 3
C.
2)0 ....... 0 T E 7 – E 4
3)0 D C 2 – E 4: 0 K F 5 – G 4 oder C
4)0 D E 4 – E 6 0 Beliebig.
5)0 D


Correspondenz.

O. S. in B. 0 Falsch gel. Nr. 1 wegen 2) D A 7 – E 7:.



Verantw. Redact. Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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