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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Ein donnerndes, dreifaches Hoch erfolgte aus hundert kräftigen Kehlen; die Musikbande blies den Tusch, die Gläser schwangen und klangen und in Strömen

„Floß das Naß,
Aus dem Faß
In das Glas.“

Wutschel redete noch viel in der ihm wie allen Wienern eigenthümlichen blumen- und blüthenreichen Weise, welche Quintilian mit dem Ausdruck „color asiaticus“ charakterisirt.

Gegen fünf Uhr hatte sich der größte Theil der Gesellschaft in Weinseligkeit aufgelöst und zerstreut; die Meisten hatten sich mit langen, schweren Haarbeuteln in die benachbarten Quartiere verzogen. Blenker aber und sein Stab waren schon um vier Uhr wieder in dem himmelblauen Zelte des Hauptquartiers, denn es galt sich vorzubereiten, um in voller „grande tenue“ einer Soirée in Washington beizuwohnen. Schon um sechs Uhr war Alles wieder hoch zu Roß, und im wilden Galopp ging es über Fort Albany, über die meilenlange, wacklige Brücke (Long Bridge) des Potomak, durch die breite Pennsylvania Avenue, an dem Capitol vorbei nach der D-Street, wo in einem hübschen Garten zwischen tropischen Bäumen und Rosen versteckt, die niedliche Villa des Grafen Pourtalès lag.

Die schöne Wirthin – ein geborenes Fräulein Braun aus Frankfurt a. O., einstens von den Berlinern „die Krone der Mauerstraße“ genannt – empfing mit gewohnter Liebenswürdigkeit die stets willkommenen Gäste. Ihr Auge weilte mit sichtbarem Wohlgefallen auf mancher schlanken Officiergestalt, welche sie an ihre Jugendzeit erinnerte, wo die Gardelieutenants mit obligatem Säbelgerassel, die Lorgnette in’s Auge gekniffen, vor ihrem Fenster die Sehnsuchtsparade machten.

Der Abend verfloß in Frohsinn und Gemüthlichkeit, bei Musik und Tanz und edler Himbeerbowle. Um elf Uhr, der Wirthin und den meisten Gästen zu früh, erscholl Blenker’s Stimme im Saale; eine Minute darauf war die Gesellschaft wieder zu Pferde und in ebenso wildem Trott, wie sie gekommen, ging’s zurück in’s Lager. Die Nacht war prachtvoll; das glorreiche Sternbild des Orion mit Gürtel und Schwert, den silberleuchtenden Hund im Gefolge, glänzte südlich schön über unseren Häuptern; die Plejaden funkelten, wie ein hingesäetes Häufchen Diamanten, in der dunklen Tiefe des Himmels, und daneben stand Mars in seinem blutrothen Lichte.

Und wie wir so dahinsausten, an dem kolossalen Bau des Capitols vorbei, dessen weiße Marmormassen gespenstig durch die dunklen Schatten riesiger Pinien schauten, und über Pennsylvania-

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_237.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)