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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

„Der Gang zum Lutherbrunnen“[1] lasen, eine Novelle, in der romantisches Lieben und Sterben eine große Rolle spielen, lachte er während der ganzen Vorlesung still vor sich hin. Von seiner Frau gefragt, was der Grund seiner Heiterkeit sei, antwortete er mit vernehmlicher Stimme: „Ich habe den Helden an einer Pfarrerstochter sterben lassen; das ist mir später nicht mehr passirt.“

Mosen’s Haus in Oldenburg.

Bei Gelegenheit der Subscription auf die Gesammtausgabe seiner Werke sandte Ferd. Freiligrath seine herrlichen Verse an Julius Mosen; ich las ihm dieselben vor, da traten Mosen vor innerer Bewegung die hellen Thränen in die Augen; er verlangte nach Wein und brachte den schönen Trinkspruch:

„Ferdinand – Für’s Vaterland!
Freiligrath – Hoch die That!“

Als ich Mosen am Weihnachtsabend 1863 den kostbaren Ehrenbecher überreichte, zu welcher Gabe auf Anregung des „Lahrer hinkenden Boten“ von allen Seiten des Vaterlandes Beiträge eingelaufen, saß er einige Zeit stumm da, innerlich heftig bewegt und Thränen der Freude und Rührung in den Augen. Mit schwacher, bebender Stimme verlangte er aus dem Ehrenbecher zu trinken, und nachdem er aus demselben einen vollen Zug gethan, klangen laut und vernehmlich aus seinem Munde die Verse:

„Es prangt vor mir in Märchenpracht
Der Becher vom deutschen Volk gebracht –
Füllt mir den Becher bis an den Rand,
‚Es lebe hoch das Vaterland!‘
Gott schirme die deutsche Jugend zugleich
Im heiligen Kampf für Recht und Reich;
Hell sei mein Dank wie der Weihnachtsstern,
Er grüße die Freunde nah und fern;
Gott schütze vor Allem die Rosenblüthe
Der deutschen Poesie in Eurem Gemüthe!“

Mosen, der in seinem leidenden Zustande selbst keine Zeitung lesen kann, hatte vorher keine Ahnung von dieser frohen Ueberraschung gehabt, die auch von seiner Umgebung vor ihm geheim gehalten worden war.

Im vorigen Jahre wurde in der Oldenburger Hafenstadt Brake eine stolze Brigg gebaut und vom Stapel gelassen, die als „Julius Mosen“ jetzt auf fernen Meeren schwimmt. In einigen herzlichen Versen baten die Unternehmer den verehrten Dichter um seinen Namen für ihre Brigg und luden ihn zur Tauffeierlichkeit ein. Sie sagten zum Schluß:

„Drum bitten wir um Deinen Dichternamen,
Die Meerfahrt hat auch ihr poetisch Ziel.
Gieb ihr die Weihe! Sprich ein freundlich ‚Amen‘!
Segne die Brigg, vom Top herab zum Kiel!
Mag sie sich dann auf Sturmeswogen wiegen,
Mit Gott wird sie in Deinem Zeichen siegen!

Und wenn die Dichterschiffe sich begegnen,
Der ‚Schiller‘, ‚Goethe‘, ‚Lessing‘, unser ‚Mosen‘
Auf hohem Meer, wird sie Apollo segnen
Bei heitrer Fahrt und wenn die Stürme tosen,
Sie werden grüßend ihre Flaggen zeigen
Und segnend wird Neptun den Dreizack neigen!“

Als Antwort sandte Mosen die folgenden Verse:

„Zum Schutz, zum Trutze sollst Du schalten
Ueber zwei Gewalten,
Du schöne Brigg, mein Pathenkind!
Helles Aug’ und kühne Hand
Führe Dich von Land zu Land –
Dies, mein Schiff, Dein Angebind.“

Einmal in der Woche, am Donnerstag Abend, versammelt der Kranke einen Kreis seiner treuen Freunde um sich. Es ist die „Donnerstags-Gesellschaft“ welche oft schon auch in der Presse rühmliche Erwähnung gefunden hat. Gewählte Lectüre oder geistvolle Gespräche bilden hier den Gegenstand der Unterhaltung, an welcher der Kranke leider nur noch selten und dann blos mit kurzen Worten theilnehmen kann. Daß er aber mit ganzer Seele dabei ist, beweist sein geistvoll blitzendes Auge, welches, ein treuer Spiegel seiner innersten Gedanken und Empfindungen, beredter spricht als viele Worte und seine ganze Umgebung beherrscht.

Doch nicht allein von Oldenburg, der zweiten Heimath des Dichters, sondern von allen Seiten des weiten Vaterlandes sucht sich die Liebe und Verehrung für den Leidenden einen Weg in seine stille Häuslichkeit und tritt tröstend zu ihm an sein trübes Schmerzenslager, um ihm „den vollen, den immergrünen deutschen Kranz“ auf seine Stirn zu drücken.

So überraschte ihn am letzten Christfeste Fritz Reuter in

  1. Mosen hat diese Novelle als Student in Jena geschrieben. Dieselbe war lange Zeit gänzlich vergriffen und nirgends mehr aufzutreiben. Sogar der Dichter besaß kein Exemplar mehr, bis sie im vorigen Jahre in Jena wieder aufgefunden wurde. Sie ist nicht mit in die Gesammtausgabe von Mosen’s Werken aufgenommen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_268.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)