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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Eine steinerne Schatzkammer der Kunst.
Die Heimath der Pappenheimer. – Die Arbeitercolonie von Solnhofen und ihre Aristokratie. – Der Patrefactenschatz und Sennefelders Grabstein.

Glücklicher Weise birgt sich in unserm lieben Deutschland noch gar mancher schöne Winkel, welchen der Tourist von Profession noch nicht entdeckt hat, wo man noch nichts weiß von Sommerschwärmen blasirter Großstädter und steifbeiniger Uebercanäler, wo vielmehr noch der ganze Zauber unberührter Jungfräulichkeit, die Poesie ungestörten Naturfriedens und unverkünstelter Naturwüchsigkeit das Gemüth des stillvergnügten Fußwanderers erquicken, der gern abseiten der ausgetretenen großen Heerstraßen in Beschaulichkeit seine eigenen Wege geht.

Baiern, dessen Binnenstrecken für die Welt draußen zum Theil noch halbe terra incognita sind, ist vorzugsweise reich an solchen nicht abgelaufenen Winkeln, und selbst einer seiner allerlieblichsten, der Altmühlgrund in Franken mit seinen freundlichen wohlhabenden Ortschaften, ist, trotzdem, daß er eine Weltberühmtheit umfaßt, die Solnhofener Kalkbrüche, welche die sämmtlichen Lithographen der Erde mit den nöthigen Steinen versorgen, nur selten besucht und bereist.

Es war ein heiterer Morgen des letzten Frühherbstes, als ich mit mehreren Nürnberger Freunden in Pleinfeld, einer Station der nach München führenden Eisenbahn, dem Waggon entstieg, um mir einmal dies vielgenannte und wenig bekannte Solnhofen zu beschauen. Die Massen von Steinen, welche auf dem Bahnhofe zur Versendung aufgeschüttet lagen, sagten mir besser als die blauweiße Wegtafel, daß wir uns auf richtigem Pfade nach unserem Ziele befanden. War es der wolkenlose Himmel, die frische Luft, waren es die weiten Wiesengründe ringsum, auf denen man eben in munterem Gewühle den zweiten Schnitt zu Schobern aufbaute, die nur erst leise gesprenkelten Laubwaldungen, durch welche unser Weg sich schlängelte, oder war es das freundliche „Grüß Gott“, das uns zurief wer immer uns begegnete, Jung oder Alt, was uns so recht mit Wanderlust erfüllte – genug, es war uns ganz Wilhelm-Müllerisch oder Eichendorffisch zu Muthe. Frisch und froh, „bald singend, bald fröhlich still“ marschirten wir drauf los und merkten erst, daß unsere Wanderung uns schon vor die Mauern eines zweiten jener alterthümlichen Städtchen geführt hatte, wie wir ihrer in dem aus gar mancherlei Herren Besitzungen zusammengeschweißten Baiern so viele finden, als ein eigenthümlich bethürmtes Thor, dasselbe, welches das linke Seitenbild unserer Illustration zeigt, uns in sein kühles Schattendüster aufnahm. Ein recht schmuckes Städtchen, in das wir nun einrückten, dies Weißenburg mit der Veste Wülzburg, die es überragt, und den sauberen Häusern, auf denen der Anstrich nicht modernen Dampfhochdrucklebens, aber altgegründeter Bürgerbehaglichkeit und gemüthlicher Kleinstädterei liegt. Auch ein Brunnen ist da, ein Mineralbrunnen nämlich von reichem Eisengehalt, wie man uns rühmte, nur schade, daß ihn Niemand kennt und trinkt außer den glücklichen Eingebornen, wenn diesen das treffliche Bier, das uns in der Herberge zur goldenen Rose in höchst empfehlenswerther Qualität geschenkt wurde, noch Anwandlungen von anderswelchem Durste aufkommen läßt, was freilich kaum glaubhaft erscheint.

Wie wir etwas minder behende, denn vor dem würzigen Labetrunke, durch Weißenburgs Straßen fürbaß wandelten, fesselte uns die ungewöhnliche Staffage derselben. Vor den Hausthüren und in den Fluren saßen je zwei bis vier Frauen oder Mädchen zusammen und klöppelten Spitzen aus – Goldfäden, die dann theils zu Kirchenparamenten verwandt werden, theils den Bäuerinnen der Umgegend zu zierlichem Kopfschmuck dienen. Wer sich eine gewisse Fertigkeit in dieser Arbeit erworben hat, gewinnt damit einen ganz leidlichen Erwerb. Groß und Klein betheiligt sich an dieser Industrie, die sonderbarer Weise nur auf ein einziges Stadtviertel Weißenburgs, die sogenannte Türkei, beschränkt geblieben ist.

Immer reizender wird die Landschaft. Zwei und eine halbe Stunde bequemen Steigs durch rauschende Buchen- und Eichengehölze brachten uns nach Pappenheim. Hier thut sich vor dem entzückten Blicke ein Gebirgsbild auf, zwar nur in bescheidenen Dimensionen, aber so anheimelnd, so lauschig, so harmonisch in allen Einzelheiten, so mannigfaltig je nach dem Standpunkte des Beschauers, so – doch still, verrathen wir nicht mehr von diesem weltentlegenen, kleinen Eden, auf daß es noch recht lange im Verborgenen blühe und nicht eines schönen Morgens von einem jener Federpioniere aufgestöbert werde, welche das moderne Pilgerthum mit den unerläßlichen rothen Reisebrevieren versorgen. – Wer kennt nicht seine Pappenheimer? Die alte Burg uns zur Rechten, die noch aus Römerzeiten stammen soll, ist das Stammschloß jenes kühnen Reiterführers, der uns allen seit den Knabentagen eine vertraute Erscheinung ist.

In einem fürtrefflichen Wirthshause mit noch fürtrefflicherem Biere machten wir eine sehr werthvolle Acquisition in der Person des Solenhofener Revierförsters, der hier eben ausruhte von den Beschwerden seines dem Wohle des bairischen Großstaats gewidmeten Lebens. In seiner Begleitung legten wir bei schon sinkendem Abend das letzte Stück unseres derben Tagmarsches zurück, und unter seiner Führung drangen wir am nächsten Morgen nach wohlverdientem Schlummer in die merkwürdige Welt der großen Steinbrüche ein, denen zumeist unser Ausflug in diese unbekannten Gebreite galt.

Bekanntlich erfand Sennefelder in München im Jahre 1819 die Lithographie, angeregt hierzu durch eigenen Bedarf in mancherlei Vervielfältigungen und jedenfalls nicht ahnend, zu welcher industriellen Bedeutung sich seine Kunst dereinst emporschwingen sollte. Nach vielerlei Versuchen entdeckte er bei Solnhofen eine Art Kalkstein, den er, Stein auf Stein, glatt rieb, um nun hierauf zu zeichnen und ihn zum Abdruck vorzubereiten. Zuerst wurde auch lediglich nur mit Kreide, d. h. in Kreidemanier gearbeitet; die Kunstleistungen selbst aber waren derart, daß man dieses Vervielfältigungsmittel nur für die allergewöhnlichsten Bilder in Anwendung bringen konnte. Bald kam man auf eine Weise des Steinzeichnens, die sogenannte Federmanier. Während bei der erstern, der Kreidemanier, der Stein ebenmäßig rauh (gekörnt) gemacht wird, wird er bei der letzteren glatt geschliffen, und man bedient sich hier nicht der Kreide, sondern, wie dies der Name anzeigt, der Feder, welche mit einer besonders präparirten Tusche gefüllt wird. Diese Behandlung hat den Vortheil, daß sie auf dem Steine eine viel größere Anzahl von Abdrücken zuläßt, als die weicheren und deshalb nicht so gründlich ätzbaren Kreidezeichnungen. Später noch erfand man die Gravier-Manier, womit der Weg zur Herstellung der feinsten Schriftsachen gefunden war, so daß bald die bisher einzig dem gleichen Zwecke dienende Stahl- oder Kupferstechkunst aus ihrem alten Recht verdrängt und z. B. Landkarten, die man früher auf keine andere Art, als die des sehr theuren Kupferstichs herzustellen wußte, nun auf dem zehnfach billigeren Weg der Lithographie in Feder- oder auch Graviermanier erzeugt wurden.

Daß man hellere und dunklere Abdrücke erzielte, führte auf die Idee des Tondrucks, d. h. den Gedanken, einen milden Ton über das Ganze zu legen, in welchem die höchsten Lichter frei gelassen sind, also auf dem Papiere wieder weiß erscheinen, während alles Uebrige jener Ton deckt. Zu dieser Manipulation werden für ein Bild zwei Steine gebraucht, der eine für Schwarzdruck, der andere für den Tondruck, und es ist nun Aufgabe des Lithographen (Zeichners) wie des Druckers, die Steine so auf einander zu passen, daß Ton und Schwarz sich genau ineinander fügen. Welchen warmen Hauch eine solche zweite Tonplatte jedem Bilde giebt, sei es Landschaft oder Portrait, das wird jedem unserer Leser schon aufgefallen, sein.

Dieselben Grundsätze, welche bei dem Druck dieser zweierlei Platten in Anwendung kommen, mußten sich nun auch bei einer erhöhten Anzahl von Platten zur Geltung bringen lassen; man begann dem Bilde drei, vier Töne zu geben, man kam auf den Farbendruck, in dem jetzt von den in verschiedenen größeren Städten Deutschlands und des Auslands bestehenden Anstalten so vollendet Schönes geleistet wird. Zu einem solchen Farbendruckbild sind oft 16 bis 20 und mehr Platten nöthig und würden vielleicht noch mehr gebraucht, wenn nicht der Aufeinanderdruck zweier Farben oft wieder eine dritte erzeugte. Die Mischung in Farbe und Ton, die Genauigkeit in Druck und Behandlung sind indeß sehr schwierig und fordern Meister ihrer Kunst.

Bedenkt man nun, daß in der ganzen Welt blos die Solnhofner Steine für alle diese Zwecke gebraucht werden können – ein in Frankreich mit ähnlicher Steinmasse aufgefundener Bruch hat sich nicht als verwendbar erwiesen –; rechnet man ferner, wie viele Tausende von Zeichnern, Lithographen und Druckern existiren, deren jeder eine mindere oder größere Anzahl solcher

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_282.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)