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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

schildern, und Ihnen sagen, wie viele Bürgschaften er giebt, die Frau, die vertrauensvoll ihre Hand in die seine legt, glücklich zu machen.“

Markholm hielt eine Weile inne, während deren seine Brust sich hob, als wenn er nach Athem ränge. Seine Züge waren sehr bleich, seine Blicke von Elisabeth abgekehrt, sie irrten durch die offene Glasthür in’s Freie hinaus.

„Ich wollte Ihnen vieles sagen,“ fuhr er fort, „was, ich weiß nicht weshalb, mir jetzt … es wird meine Bewegung bei dem Gedanken an die ganze Zukunft Maxens sein … kurz, Sie sehen, ich bin nicht in der Verfassung, lange und geordnete Reden zu halten in diesem Augenblicke und wozu auch? Sie kennen Max, er ist so glücklich Ihre Neigung gefunden zu haben … und um zum Schlusse zu kommen: ich werbe um Ihre Hand für ihn … wenn ich nicht schon zu spät komme, wenn er selbst nicht schon darum geworben und Ihr Jawort erhalten hat. Dann lassen Sie mich Ihnen nur sagen, daß mich diese Verbindung sehr … sehr glücklich machen würde!“

Markholm waren die hellen Tropfen Schweißes auf die Stirn getreten bei dieser Rede. Er nahm sein Tuch, um sie abzuwischen, und sah dann mit einem scheuen Blick zu Elisabeth herüber.

Hatte Elisabeth ihn je mit großem fragendem Blicke angesehen, so that sie es jetzt. Aber zugleich lag etwas wie eine große, beinahe unwillige Enttäuschung auf ihren Zügen, sie sagte:

„Sie werben um meine Hand für Ihren Neffen? das ist überraschend für mich … und doch, ich kann es erklären. Aber ehe ich antworte, muß ich ein Mißverständniß aufhellen … verzeihen Sie mir, daß ich mir eine Täuschung habe gefallen lassen, welcher Sie sich in Beziehung auf mich hingaben … meine Gründe waren gute und ehrliche, und darum zürnen Sie mir nicht … ich bin nicht, wofür Sie mich halten … versprechen Sie mir, daß Sie mir nicht zürnen, daß Sie ruhig meine Gründe anhören wollen, weshalb ich Sie in dem Glauben ließ, ich sei die Tochter des Pfarrers … denn die bin ich nicht – ich bin Elisabeth von Morgenfeld!“

„Das weiß ich!“ versetzte Markholm ruhig.

„Das wissen Sie?!“

„Freilich! Glauben Sie, ich sei so naiv, eine Dame wie Sie lange für die Tochter eines Landpastors zu halten?“

„Aber mein Gott, weshalb …“

„Weshalb ich das nicht sagte? Wozu? Unser Verkehr war viel unbefangener so. Wir konnten den alten Hader zwischen mir und Ihren Eltern unberücksichtigt lassen. Es war nicht ganz recht von Max, daß er mich täuschen wollte, daß er, um seine häufigen Ausflüge zu Ihnen, um das unverkennbare Wesen des Verliebten zu erklären, mit dem ich ihn neckte, mir von dem Pfarrhause erzählte, von der Elisabeth des Pfarrers! Der arme Junge, er glaubte sicherlich, ich werde ihn aus Zorn erdrosseln, wenn er mir gestehe, daß er Elisabeth von Morgenfeld liebe! Aber mögen Sie immerhin Elisabeth von Morgenfeld heißen … Sie haben an der Eltern Schuld keinen Theil, ich achte und verehre Sie, welchen Namen Sie auch tragen mögen … das Glück, welches Sie meinem Neffen bringen werden, wird auch mein Glück sein … und indem Sie ihm Ihre Hand gewähren, vollziehen Sie einen großen Act der Sühne – Sie bringen die Stammgüter unserer Familie an den rechten Erben!“

Elisabeth schien vor Betroffenheit verstummt zu sein … dann sagte sie plötzlich sehr lebhaft:

„Aber mein Gott, Ihr Neffe liebt ja wirklich Elisabeth Kramer, meine Freundin, bei der ich ihn kennen lernte, wenigstens gestand sie mir, daß sie …“

„Thorheit … wie könnte er eine Andere lieben als Sie!“ sagte Markholm achselzuckend. „Glauben Sie mir, ich bin nicht blind für so Etwas!“

Elisabeth stand auf.

„Und welche Antwort geben Sie mir?“ fragte Markholin tonlos und leise.

„Keine, keine … ich kann Ihnen keine geben in diesem Augenblick,“ versetzte sie hastig, „ich bin zu betroffen von dem, was Sie mir gesagt haben … ich muß Zeit finden, mich zu fassen, mir selbst klar zu werden! … Leben Sie wohl … Sie sollen eine Antwort haben … bitte, begleiten Sie mich nicht, ich will allein sein!“

Mit diesen rasch hervorgesprudelten Worten eilte sie davon, ihre Urkunde vergessend, zur Salonthür hinaus und den breiten Gartenpfad hinunter.

„Wie konnte sie nur so seltsam überrascht von dieser Werbung sein?“ fragte sich Markholm verwundert.

Sie ging rasch, durch den Garten, durch die Wiesen, in die Allee im Wäldchen hinein. Auf der Rasenbank warf sie sich nieder. Hier holte sie tief Athem.

„Sollte er mich wirklich lieben?“ sagte sie sich endlich, nach langem Versunkensein in ihren Gedanken, „sprach die Eifersucht auf den Onkel aus ihm, als er vorhin sein Versprechen zurückforderte? wollte er mir dadurch unmöglich machen, Markholm wieder zu sehen? Und Markholm wirbt um ihn? .. er wirbt um ihn, um die Güter zurückzubekommen!!“

„Freilich,“ sagte sie nach einer Weile, „was liegt Schlechtes, Verkehrtes darin? Kann es ein besseres Arrangement geben? … wird nicht Jedermann sagen, es sei das Vernünftigste, was geschehen könne? ist es nicht meine Gewissenspflicht, die Werbung anzunehmen? … meine Eltern haben ja doch so unzweifelhaft Unrecht … er ist beraubt … schändlich beraubt … ich habe mich mit meinen eigenen Augen eben davon überzeugen können … es giebt für mich nur ein Handeln hier … mein Gewissen läßt nur eine Antwort zu …“

„Ich kann mir auch denken, daß meine Eltern über eine solche Art, den Zwist beizulegen, sehr erfreut sein würden, ja, sie würden es ein Glück, ein großes Glück nennen … sie müssen ja ohnehin fürchten, daß die richtige Urkunde eines Tages gefunden wird; welche Demüthigung, welches Unglück für sie! … welche Beruhigung würde es für sie sein, wenn ich sie für immer vor einem solchen Schicksale sicherte … ihren Herzen, ihren zweifelnden Gewissen alle Ruhe zurückgäbe … und gewiß, sie würden es als ein großes Glück betrachten!“

Elisabeth seufzte tief und schwer auf und blickte mit dem Ausdruck tiefer Verzweiflung starr die gelben Laubblätter an, welche der Herbst ihr zu Füßen geworfen.




Gute Freunde und getreue Nachbarn.

Ist über diese Gesellschaft noch Etwas zu sagen? Bedarf das gegenseitige Verhältniß ihrer Mitglieder irgend einer Erklärung?

Herzliche Theilnahme allein ist es nicht, die den Jagdhund zu der jungen Brut hinzieht. Es mag ihm wohl aus der Nase der Gedanke in den Kopf steigen, daß diese kleinen Dinger vielleicht nicht übel schmecken möchten – „allein nachher die Prügel!“ So denkt er, aus Erfahrung weise, hinzu, labt sich am Geruch und legt in’s demüthige Gesicht den Ausdruck seiner berühmten Treue.

Der Verdacht, daß er es doch nicht ehrlich meine mit seiner Herablassung, ist offenbar in das kleine Hähnchen gefahren, das vor dem Futternapf steht und über den Rand hinüber eifert. Dabei hebt der junge Ritter die ersten Kielchen seiner zukünftigen stolzen Schwungfedern zornig empor.

Ist es die Angst über die Schnüffelversuche des Hundes, oder die Besorgniß, daß die patzige Herausforderung des Kleinen die Langmuth des Großen erschöpfen könne, – jedenfalls richtet sich die augenfällige Erregtheit der Mutter Henne gegen das Hähnchen. Dieses aber stellt sich trotz solcher Mahnung so kampfbereit hin, wie ein Student auf der Mensur, so daß Mama sicherlich aufspringen würde, um es am Kragen zu schütteln, wenn sie nicht just für einen Theil ihrer Piephühnerchen als Grotte oder Laube und für einen andern als Berg dienen müßte, auf welchem diese ihre erste Aussicht genießen.

Ein wahres Meisterstück in diesem Bilde unseres genialen Düsseldorfers Beckmann ist die Hauptfigur der Gruppe, der aus einer unermeßlichen Höhe des Selbstgefühls auf Alles um sich her hinabschauende Dachshund Wachtel. Welche classische Ruhe, welche souveräne Verachtung, welche über alles Lob erhabene Würde sucht in ihm sich auszudrücken! Mit den vielgeschilderten unerforschlichen Augen eines zweiten December scheint er selbst längst Alles

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_308.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2022)