Seite:Die Gartenlaube (1865) 309.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Vor der Hundehütte.
Originalzeichnung von L. Beckmann.

erforscht zu haben und Nichts das Gleichgewicht seiner Seele stören zu können. Und ob eine Welt neben ihm versänke, es fragt sich, ob er dies nur des Zuckens mit den Ohren werth erachtete. Man kann kaum ahnen, was er wohl denkt, ja, es ist selbst nicht zu kühn, zu behaupten, daß er vielleicht gar nichts denkt, oder wenigstens mit dem Grafen Wartensleben der Ansicht huldigt, daß das Denken überhaupt eine unnütze Erfindung sei. – Das ist so die Natur der Exclusiven im Hunde- wie im Menschenleben.




Pariser Bilder und Geschichten.

Von Sigmund Kolisch.
Salon der Gräfin d’Agoult.[1]

Es sind nun fünfzehn Jahre her, daß ich Weimar, die letzte deutsche Zufluchtsstätte für den „Versprengten“, verließ, um in dem fremden Frankreich Sicherheit und Unterkunft zu suchen. O Erinnerung voll Trauer!

Nachdem ich in Leipzig von der Polizei verhaftet, dann mit einem Zwangspaß aus der Stadt gewiesen worden war, hatte ich mich nach Weimar begeben, weil meine Beziehungen zu Herrn Franz Lißt mir einen angenehmen Umgang und eine moralische Erleichterung meiner Existenz mitten unter unbekannten Leuten in Aussicht stellten. Dreiviertel Jahre verlebte ich in der kleinen Residenz mit zwölftausend Einwohnern, und wenn mir auch daselbst nicht viel des Erfreulichen widerfuhr, so hatte ich jedenfalls die lohnende Gelegenheit, die ausgesuchte Zartheit, die vollendete Bildung, mit einem Worte, die trefflichen Privateigenschaften des berühmten Musikers kennen zu lernen, dessen Wesen um so mehr anzieht und gewinnt, je unbefangener, je schmuckloser und ungefälschter es sich giebt.

Franz Lißt ist der Einzige von meinen früheren Verbindungen, welcher sich des Flüchtigen annahm, der sich ihm gefällig und hülfreich erwies. Wäre tief gefühlter Dank Lohn, der würdige

  1. Vielleicht vor allen andern Größen der heutigen französischen Literatur verdient die Gräfin Marie d’Agoult, unter ihrem Schriftstellernamen Daniel Stern in weitesten Kreisen bekannt geworden, einen Platz in der Gartenlaube, weil sie durch ihre Geburt mindestens zur Hälfte Deutschland angehört und mit größerer Sachkenntniß und Unparteilichkeit, als wir sie in dieser Beziehung sonst unsern überrheinischen Nachbarn vindiciren können, deutsche Verhältnisse und Persönlichkeiten mehrfach zum Gegenstande ihrer journalistischen Veröffentlichungen gemacht hat. Auch ihre mehrjährigen Beziehungen zu Franz Lißt geben ihr einen Anspruch auf unser besonderes Interesse.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_309.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2022)