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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

deutschen Regierungen und das deutsche Volk selber hinleiten möchte, daß sie nicht die Hände in den Schooß legen und über die Schlechtigkeit der Welt lamentiren, sondern zur That schreiten.

Hier im goldenen Oregon würde man einen solchen Seelenhändler, der von hier aus amerikanische Mädchen als Tanzwaare exportiren wollte, wegen beleidigter Nationalehre ganz einfach „lynchen“, theeren und federn, todtschießen, todtstechen, aufhängen, todtprügeln – je nachdem. Wenn diese bewährten Mittel nun allerdings für Deutschland nicht zu empfehlen sind, so giebt es doch wohl noch andere, um dergleichen Schurken unschädlich zu machen.

Genug aber von dieser Schmach des deutschen Namens, die jedem ehrlichen Deutschen, den sein Lebensloos auf diese Scholle fremder Erde geworfen, die Schamröthe in’s Gesicht treibt! Möge diese wahrheitsgetreue Darstellung von Thatsachen, die wahr bleiben, trotz aller ihnen widersprechenden „Erklärungen“, endlich den sie betreffenden deutschen Regierungen die Augen öffnen, damit sie energische Schritte thun, diesem Menschen- und Seelenhandel ein Ende zu machen; denn aufhören wird er und aufhören muß er, oder Deutschland wird die Achtung im Auslande, mit der es leider einmal nicht eben glänzend bestellt ist – Dank sei es der inneren Zerrissenheit und der ungenügenden nationalen Vertretung in fremden Ländern – mit der Zeit noch gänzlich verlieren.

Dalles im Staate Oregon, Ende Februar 1865.

Theodor Kirchhoff.




Ein Besuch beim Scheik von Lischana in der Wüste Sahara.

Auf der Oase Biscara war es, dem alten Präsidium der Römer, welches fünfzig römische Meilen von den Salinae Nubonenenses entfernt lag, der größten Palmenoase in der Wüste Sahara, wo über hundert und sechszigtausend Palmen stehen. Der französische Obercommandant des Kreises von Biscara, Escadronschef Forgemol, hatte mir in Folge eines Schreibens des Marschalls Mac Mahon, Generalgouverneurs von Algerien, Briefe an den Scheik von Lischana, Barek ben Lachmar, und an den Marabut Sidi Ali ben Amor, der in der alten berühmten Araberstadt Tolga wohnt, zwei zur Gruppe Siban gehörigen Palmenoasen, und außerdem die Begleitung von zwei Spahis zu meiner Sicherheit zugesagt. Um vier Uhr Morgens waren die Spahis mit den Pferden vor der Thür meiner Wohnung in Biscara. Mein Pferd trug heute einen glatten englischen Sattel aus dem Stalle des gefälligen Commandanten, da ich mich auf den hohen Arabersätteln, in denen man wie in einem Stuhle sitzt, nicht zurechtfinden konnte. Nach einer Viertelstunde trabten wir über den Platz, wo die Araberzelte stehen und die Kameele lagern, an den Palmenhainen entlang, in westlicher Richtung der großen Wüste zu. Das Thermometer stand bereits auf achtzehn Grad Réaumur, obschon die Sonne noch nicht aufgegangen war. Einer von den Spahis sprach fertig Französisch und sollte mir als Dolmetscher dienen. Beide waren mit Flinten und Säbel bewaffnet, da es in der Sahara seit einigen Tagen etwas unruhig aussah.

Nach einer halben Stunde lagen die Palmenwälder hinter uns. Rechts stiegen die letzten Ausläufer des Auresgebirges in der Form nackter Felsen und wüster Sandberge in die Höhe, links dehnte sich die große Wüste Sahara, das Sandmeer, in ihrer ganzen Größe und Majestät bis zum Horizont aus. Wenn der Blick des menschlichen Auges so weit reichen könnte, hätte ich bis nach Tombuktu und nach dem märchenhaften Sudan sehen müssen. Ein ungeheures Sandmeer von gelbröthlicher Färbung, an den Rändern, wo es den durchsichtig blauen afrikanischen Himmel zu berühren scheint, bläulich schimmernd, das alte Gätulien, das Land der Kameele und der Strauße, der Antilopen und Gazellen, in welches der Löwe von den Abhängen des Atlas noch heute bei Nacht hinabsteigt, um sich Beute zu holen! – Der Boden, über den wir abwechselnd in Trab und Galopp hinsprengten, um während der Morgenkühle eine so große Strecke wie möglich zurückzulegen, bestand aus Sand und Lehm, dann und wann mit Geröll bedeckt oder von großen salzhaltigen Steinen durchzogen, hier und da mit kurzem Gestrüpp bewachsen. Todtenstille ringsum, zuweilen von dem sonderbaren Schrei der Kameele unterbrochen, welche in dem Gestrüpp weideten und in der Ferne aussahen wie lebendig gewordene Hügel, welche sich bald hoben und bald niedersenkten. Der Spahi erzählte mir von Sidi Okban, der Palmenoase, auf welcher der älteste muselmännische Tempel in Afrika steht, den ich nach einigen Tagen besuchen wollte, von der Expedition nach Tuggurt, welche er mitgemacht hatte, von arabischen Hochzeiten und Beerdigungen, vom Koran und von Mahomet, während der Andere die eintönige arabische Melodie, welche Jeder kennt, der in Afrika gewesen ist und die man in jedem maurischen Kaffeehause zum Klange der Tambourins und der zweisaitigen Guitarre alle Tage von Neuem hört, vor sich hinsang. Dann stieg die Sonne am östlichen Himmel über die Palmenkronen Biscara’s in die Höhe und bedeckte das Sandmeer mit einem feurigen Glanze, welcher den Augen wehe that.

Der Boden wurde immer unebener. Sandberge wechselten mit Erdrissen, in denen man Häuser und Thürme hätte versenken können, und mit großen Strecken fliegenden Sandes. Dann kamen wir an das Ufer eines breiten Flusses. Es war der Wed-el-Kantara, der auf den Abhängen des Auresgebirges entspringt und durch die Felsenschlucht el Kantara, welche man den „Mund der Wüste“ nennt, in die Sahara fließt.

Wir durchritten ihn mit den Pferden. Ich hielt einige Minuten in der Mitte des Stromes, um die kühlere Luft einzuathmen, welche über dem Wasser schwebte. Scenerie, Boden und Höhenzüge blieben auf der andern Seite des Flusses ganz dieselben. Der Spahi erzählte mir, daß man so vier Monate reiten müsse, um nach Tombuktu zu kommen, und fragte mich, ob ich nicht auch nach Tombuktu reisen wolle; der Marabut von Tolga, dem ich am folgenden Tage einen Besuch abstatten würde, könne mir bis nach Tombuktu an alle Marabuts unterwegs Empfehlungen geben. Ich sagte ihm, ich wolle mir die Reise nach Tombuktu doch erst noch überlegen, und dachte an die schattigen Buchenwälder in Deutschland, wenn ich in der kühlen Morgenfrische unter ihren Laubkronen hinritt und Millionen Thautropfen auf dem Grase funkelten. Wie war solch ein Morgen duftig und frisch und erquickend, wie sangen die Vögel im Laube der prächtigen Bäume und wie stieg die Lerche jubelnd zum Himmel! Hier wehte mich ein heißer Odem an, wie der Odem aus einer Feueresse, hier sang kein Vogel sein Morgenlied, hier glänzte kein Thautropfen im Grase – nur brennender Sand, soweit das Auge blickte, nur wüste Steinmeere und hinabgeschurrte Bergabhänge in der Ferne. Nein, ich werde nie nach Tombuktu reisen, schon die Tuareks wohnen mir zu weit in diesem Meer von Sand.

Immer ging’s weiter, im Schritt, im Trab, im Galopp, wie der Boden es eben erlaubte. Araber im weißen, fliegenden Burnus, das weiße Tuch mit kameelhaarenen Stricken um den Kopf gewunden, begegneten uns, Kameele zogen vorüber, mit Datteln und Wolle beladen, Gerippe gefallener Esel bezeichneten den Wüstenpfad, wieder sangen die Spahis ihre traurige und eintönige Melodie; endlich, endlich, nach vierstündigem Ritte, sah ich am Horizont im Westen lange Reihen von Palmenkronen. Es ist doch nicht die Fata Morgana, die mich täuscht? Nein, es ist Wirklichkeit. Der Spahi streckte die rechte Hand nach Westen aus und sagte: „Lischana.“

Meine Augen brannten und meine Zunge lechzte. „Wie weit?“

„Anderthalb Stunde.“

Und wieder ging es vorwärts im Schritt, im Trab und im Galopp, wie es gerade gehen wollte. Und wieder flogen arabische Reiter an uns vorüber im flatternden weißen Burnus. Und immer röther glühte das Sandmeer, und immer heißer brannte die Sonne. Aber auch immer näher kam der grüne Palmenwald. Schon konnte ich die Tausende von Kronen auf den schlanken, hohen Stämmen unterscheiden. Endlich „Allah, dem Gnadenhort, sei Dank und Preis, die Wanderung ist vollbracht, das Ziel erreicht.“ Ich ließ mein Pferd im Schritt gehen. Da standen wir am Saume des Palmenwaldes. Ein zu beiden Seiten mit Mauern von ungebrannten Ziegeln eingefaßter enger Weg führte in den Palmenwald und in das Araberdorf Lischana, welches mitten im Palmenwalde liegt.

Einzeln ritten wir hintereinander. Ueber die Mauern blickte ich in die Palmengärten, in denen eine wunderbare Vegetation

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_313.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)