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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

ihn, wenn ich aus Tolga nach Biscara zurückkehre, noch einmal zu besuchen. Daß auch ich mit Ruhm von der Vertheidigung Saatscha’s gesprochen und das Recht der Nationalität anerkannt hatte, schien mir sein Herz gewonnen zu haben. „Ich werde Dich besuchen, Scheik von Lischana,“ sagte ich, „aber gieb mir einen Beweis Deines Vertrauens, oder vielmehr Deiner aufgeklärten Denkungsart; denn Du bist ein kluger Mann. Zeige mir Deine Frauen.“

Die arabischen Frauen zeigen sich bekanntlich niemals einem Fremden. Sie gehen selten aus und verhüllen sich, wenn dies durchaus nothwendig ist, mit einem weißen Tuche dan Gesicht.

Der Scheik sah mich lächelnd an. „Du bist ein Europäer,“ sagte er, „und kommst niemals wieder nach Lischana. Von Dir habe ich nichts zu fürchten. Ich werde Dir meine Frauen bei Deiner Rückkehr zeigen.“

„Sei ruhig, Scheik Barek ben Lachmar,“ sagte ich, „von mir hast Du nichts zu fürchten. Ich liebe ein Mädchen im Norden, welches schön und klug und gut ist – und bei uns liebt man nur eine Frau.“

Dann bestieg ich mein Pferd und sprengte mit den Spahis in den Palmenwald von Farfar.

Nach zwei Tagen ritt ich zurück nach Lischana. Der Scheik kam mir mit Hamoud im Palmenwalde von Farfar entgegen. Es war ein heiterer, etwas kühlerer Morgen, als an dem Tage, wo ich von Biscara nach Lischana ritt. Ich schickte die Spahis mit den Pferden voraus und setzte mich mit dem Scheik und dem Dolmetscher unter eine hundertjährige Palme. Der Morgenwind flüsterte in den Kronen der prächtigen Bäume und ein Vogel sang in dem frischen Laube der Mandel- und Pfirsichgebüsche. Scheik Barek ben Lachmar erzählte mir von seiner Liebe zu seiner schönen achtzehnjährigen Cousine Halima, welche er seit Kurzem geheirathet hatte, nachdem er schon mit zwei Frauen vermählt war. Die erste hatte er aus Familienrücksichten geheirathet, die zweite hatte ihn durch ihre Schönheit bestochen. Geliebt hatte er sie nie. Mit der ersten hatte er eine sechszehnjährige Tochter, mit der zweiten einen Knaben von fünf Jahren. Zum ersten Male war die Liebe, als er seine schöne Cousine sah, welche in Constantine bei ihren Eltern erzogen war, in sein Herz eingezogen. Er kaufte sie für viertausend Franken von ihren Eltern. „Ich hätte meine Pferde, meinen Sohn, mein Haus, mein Leben für Halima gegeben,“ sagte er und seine Augen blickten glänzend in die Palmenkronen. „Ich will jetzt meine beiden ersten Frauen von mir sanft entfernen und nur mit Halima leben. Du hast neulich recht gesagt, Herr, das Menschenherz kann nur eine Frau lieben.“

Dann standen wir auf und gingen nach Lischana. Vor dem Hause des Scheiks standen viele Menschen. Sie sahen ängstlich und bestürzt aus. Vergebens fragten wir, ob im Hause Etwas vorgefallen sei. Niemand antwortete. Der Scheik stieg rasch die hohe Steintreppe hinauf, eiligen Schrittes folgte ich und Hamoud. Wn traten Alle zugleich in das Frauengemach, welches dem Saale, wo ich vor einigen Tagen arabisch gespeist hatte, gegenüber lag. Das Gemach war mit Rosenduft erfüllt, in der Mitte blickte der blaue afrikanische Himmel durch die Oeffnung hinein, durch welche man auf das terrassenförmige Dach des Hauses stieg. Die beiden Frauen des Scheik und seine Tochter stürzten uns mit entsetzten Gesichtern entgegen. „Wo ist Halima?“ rief der Scheik. Die Frauen zogen ihn nach dem hintern Ende des Gemaches. Dort lag Halima auf einem mit bunten türkischen Teppichen bedeckten Divan, in deren kunstvoller Bereitung die Sahara noch geschickter ist als Constantinopel. Ihre schönen Füße waren mit silbernen Spangen geschmückt, die Arme zierten über den feinen Handgelenken goldene, mit Perlen besetzte Armbänder. Das glänzend schwarze Haar war mit seidenen Bändern durchflochten und mit einem bunten, turbanartigen Tuche umwunden, welches reich mit Gold gestickt war. Den schönen Hals bedeckten kostbare Perlenschnuren mit Goldmünzen. Aber Halima’s dunkle Augen waren geschlossen, auf ihre hohe, freie Stirn hatte der Engel des Todes sein unverkennbares Stigma gedrückt. Der Scheik riß ihr den goldgestickten, seidenen Kaftan auf und legte seine Hand auf ihr Herz. Das Herz schlug nicht mehr. Halima war, während der Scheik mir nach dem Palmenwalde von Farfar entgegenging, an dem Stich eines der Scorpionen, welche sich auf den Oasen in der Sahara aufhalten und deren Biß sofort tödtlich ist, plötzlich gestorben. – Selbst erschüttert schied ich von meinem tiefgebeugten Gastfreunde und schweigend neben meinen schweigenden Gefährten ritt ich andern Morgens durch die Wüste heimwärts.

Gustav Rasch.




Aus Kaulbach’s Atelier.
Mit einer Holzphotographie.

„Ist die Frau Baronin zu Hause?“ fragte ich den dicken Portier im Hotel Leinfelder in München und stieg, als ich bejahende Antwort empfing, die Treppe zu Nr. 6 und 7, den von Friederike Goßmann mit ihrem Manne, dem Baron von Prokesch-Osten, bewohnten Zimmern hinauf.

Ich traf Besuch bei dem Ehepaare, ein langer Herr von vornehmem, liebenswürdigem Aeußern erhob sich um Abschied zu nehmen, just als ich eintrat. Es war der durch sein reizendes Talent in den weitesten Kreisen bekannte Dichter und Humorist Graf Pocci; trotz seines hohen Ranges, den er am bairischen Hofe bekleidet, einer der liebenswürdigsten und fröhlichsten Gesellschafter, der ohne Zweifel dem gefeierten Münchner Kindl (Friederike Goßmann ist bekanntlich von Geburt eine Münchnerin) auch seine Huldigung darbringen wollte.

Während mir Herr von Prokesch nun die Ergebnisse eines Besuches erzählte, den er gestern mit seiner Frau beim alten König Ludwig von Baiern im Wittelsbacher Palais gemacht hatte, Ergebnisse, die, äußerst amüsanter Art, zur Genüge darthun, welches Humors sich noch der greise König erfreut, die aber hier mitzutheilen leider zu weit führen würde, vollendete Frau von Prokesch ihre Toilette im Nebenzimmer und flocht fortwährend durch die geöffnete Thür in die Erzählung ihres Gemahls die ergötzlichsten Bemerkungen ein.

Endlich erschien sie zum Ausgehen bis auf das historisch gewordene Spazierstöckchen, das sie freilich mit eigenthümlicher Grazie zu führen wußte und das der kleinen eleganten Gestalt besonders gut stand, fertig in der Thür, und wir verließen das Hotel, um unsern Weg zu Kaulbach’s Atelier anzutreten.

Die berühmte Schauspielerin ist nämlich wie wenige zugleich eine äußerst geistvolle Frau, deren Interessen weiter reichen als die Coulissenwelt und die an allen hervorragenden Erscheinungen im Gebiete von Kunst, Literatur und Wissenschaft den lebhaftesten Antheil nimmt. So hatte sie am Abend vorher, als am traulichen Theetisch die Rede auf Kaulbach’s Zeichnungen der Goetheschen Frauenbilder kam, den Wunsch geäußert den großen Meister persönlich kennen zu lernen – ein Wunsch, dem ich sehr leicht die Erfüllung bringen konnte, da ich fast täglicher Gast im Kaulbach’schen Atelier, neulich von dem Meister selbst erst die Aeußerung vernommen hatte, daß, wenn er überhaupt das Theater besuchte, er gar gern die berühmte „Grille“ einmal wiedersehen würde.

Ich wußte also, er werde mir nicht zürnen, wenn ich ihm die liebenswürdige Grille mit sammt ihrem damals in München so vielbesprochenen Spazierstöckchen in natura in’s Atelier brächte. So ward denn unser Besuch, den wir dem Schöpfer der Frauenbilder machen wollten, schon auf den nächsten Morgen verabredet, und der freundliche Leser der Gartenlaube, der allerdings schon einmal im Kaulbach’schen Atelier war, wird um so mehr gebeten uns zu begleiten, als er damals nur das Kaulbach’sche Sommeratelier gesehen, das Winteratelier, der sogenannte Koloßsaal, in welchem wir den Meister besuchen wollen, aber auch des Neuen und Interessanten Vieles bietet. Der Koloßsaal ist im Erdgeschoß des großen Akademiegebäudes, ein riesiger Raum, der seinen Namen von der in demselben befindlichen in kolossalen Verhältnissen ausgeführten antiken Figur erhalten. Dieser große hohe Raum ist so recht geeignet für Kaulbach’s Wirken, das ja ebenfalls sich vorzugsweise in den größten Verhältnissen bewegt. Hier zumeist sind die Cartons der Wandgemälde entstanden, welche das Museum in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_315.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)