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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Stelle am Ende des Waldes, wo man den Edelsitz sich über seiner Wiesenfläche emporheben sah … das Haus lag im Mondschein dunkel und massig da; nur aus ein paar Fenstern im ersten Stock schimmerte mattes Licht. Max wanderte zurück, ohne vom Onkel etwas wahrzunehmen.

Als er dem eignen Hause wieder nahe war und durch den Mittelpfad des Gartens darauf zuschritt, sah er in dem durch eine Lampe erhellten Salon den Schatten eines Mannes sich vor den Fenstern hin- und herbewegen.

Er athmete erleichtert auf.

„Da ist er!“ sagte er, „in seinem Eisbärentrab im Zimmer auf und ab!“

Hastiger schritt er auf das Haus zu, und als er in den Salon trat, rief er aus:

„Gott sei gelobt, daß Du wieder da bist … ich war besorgt um Dich; Du bist so entsetzlich lange geblieben … hast Du so lange mit Elisabeth Morgenfeld zu verhandeln gehabt?“

„Nicht ganz so lange,“ erwiderte Markholm, indem er in seinem Auf- und Abschreiten blieb und das Gesicht den Fenstern zuwandte, wie um den forschend auf ihn gerichteten Blicken seines Neffen zu entgehen.

„Aber so sprich, lieber Onkel … welche Nachricht bringst Du von ihr?“

„Du kannst Dich vollständig beruhigen, ich habe Alles in’s Gleiche gebracht!“ versetzte Markholm so tonlos wie eben. Dabei ging er in das dunkle Nebencabinet, wo er zu ruhen pflegte, und warf sich hier auf die Chaise longue nieder.

Max sah ihm einen Augenblick erstaunt nach. Dann folgte er ihm und sagte:

„Onkel, willst Du nicht soupiren? es ist fast neun Uhr!“

„Soupire nur. Ich mag nicht! Laß mich allein!“

„Lieber Onkel, Du bist todtenblaß, wie ich eben sah, Du siehst verstört aus … ich kann mich nicht dabei beruhigen, daß Du mich fortschickst … Dir ist etwas zugestoßen. Bist Du unwohl geworden …? soll ich Dir –“

„Unwohl!“ lachte Markholm bitter auf, „in der That! Wenn den Menschen der ganze Daseinsjammer überfällt, so ist’s kein Wunder, daß ihm unwohl dabei wird! Geh und laß mich!“

„Onkel, lieber Onkel,“ rief Max, dessen ganze Zärtlichkeit für seinen zweiten Vater erwacht war, stürmisch aus, „wie kann ich Dich verlassen! Sag mir, ich bitte Dich, was Dir geschehen ist, was ich thun kann … ?“

„Du kannst nichts daran thun. Du kannst mir nur wohlthun, indem Du mich allein lässest!“

„Aber mein Gott, wenn Du mir doch anvertrauen wolltest, was … Du hast eine Scene, einen heftigen Streit mit Morgenfelds gehabt.“

„Nun so ungefähr … glaub’ das immerhin … man hat mich dort ein wenig zur Thür hinausgeworfen!“

„Ist das wahr?! Bei Gott, Onkel,“ brauste Max auf, „ich werde mich mit Morgenfeld schießen … oder, wenn nicht mit ihm, mit seinem Sohn …“

„Du bist ein thörichter Knabe … willst Du Dich schießen, so müßtest Du’s mit ihr, mit dieser Elisabeth thun.“

„Mit ihr? Sie hat Dich doch nicht – Onkel,“ rief Max, plötzlich von einem Blitz des Verständnisses durchzuckt, aus, „Du liebst Elisabeth und sie hat Dich zurückgewiesen …“

„Nun ja, und nun Du es weißt, laß mich allein.“

„Ahnt’ ich’s doch, dacht’ ich’s doch,“ sagte Max, „aber weil Du heut Morgen für mich warbest, gab ich natürlich den Glauben auf; wer hätte es danach noch denken können? Also doch! Und trotzdem hast Du für mich geworben? Armer, guter Onkel. Aber hör’ einmal, Onkel,“ rief Max mit verändertem Tone fast vorwurfsvoll aus, „das ist aber auch eine seltsame Geschichte, am Morgen wirbst Du für mich und am Nachmittage für Dich, das ist eine Art zu verfahren, wie sie mir noch nicht vorgekommen; wie kann man denn auf ein Mädchen so losstürmen, was mußte sie von Dir glauben, wie konntest Du ihr zumuthen, sogleich an Deine Neigung zu glauben, nachdem Du eben ihre Neigung für einen Andern gefordert! Onkel, Onkel, Du bist aber auch seltsam!“

(Schluß folgt.)




Die letzten Elf von unserm Regiment.[1]
Von Miles O’Reilly, amerikanischem Soldaten.
Aus dem Englischen von Friedrich Gerstäcker.

Drei Jahre sind es heut’ gerad’,
Da kamen zusammen wir
In diesem Saale, im vollen Staat
Siebenunddreißig Officier’;

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Und tausend Mann, eine wack’re Schaar,

Die führten wir zum Strauß.
Aus diesem Saal, ’s ist nun drei Jahr,
Da rückten wir fröhlich aus.

O welch ein großer Tag war der,

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Der uns dem Schwert getraut,

Wie funkelte so hell und hehr
Die scharfgeschliffne Braut!

Wie funkelten uns zu Stolz und Lust
In der Sonne Glanz und Strahl

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Die tausend Klingen von Eisen just

Und die siebenunddreißig von Stahl!

Von den tausend Bajonetten nun
Zweihundert halten noch Stand,
Denn Hunderte in den Sümpfen ruhn,

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Und Hundert’ in Maryland,


Und andere Hundert – treu und brav,
Die schleppen – verkrüppelt und wund,
Durchs Leben sich noch, und neiden den Schlaf
Der Todten im blutigen Grund.

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Und die Klingen? Heut Abend im nämlichen Saal

Da kam aus dem Schlachtgewühl
Der Rest zusammen – noch elf an der Zahl,
Für siebenunddreißig Stühl’.

Zwei hinkten an Krücken nur fürbaß,

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Zwei hatten je eine Hand,

Aber hoch erhob die eine das Glas
Zum Toast: „Unser Banner und Land!“


  1. Die siebenunddreißig Officiere des 103. Regiments des nordamerikanischen Unionsheeres vereinigten sich vor dem Ausrücken zu einem Festmahle. Nach dreijährigem Kriege trafen sie wieder zusammen, in dem nämlichen Saale; für alle siebenunddreißig waren Gedecke gelegt – aber es sind nur noch elf Cameraden, die übrig geblieben! Ueber alle Worte ergreifend muß die Scene dieser Feier gewesen sein, denn sie begeisterte einen gemeinen Soldaten, einen Irländer von Geburt, seinen Gefühlen in dem vorstehenden Gedichte Luft zu machen, das zwar in Form und Ausdruck nichts weniger als vollendet, doch von überwältigender Wirkung ist und besser als manche lange Schilderung das Furchtbare dieses Bruderkriegs veranschaulicht.
    Die Redaction
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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_324.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2022)