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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

es von Lehrern und Schülern, die mittlerweile in verschiedenen Privatlocalen unterrichtet worden waren, wieder bezogen werden. Von nun an nahm die Anstalt ihren Fortgang bis zu Anfang der dreißiger Jahre. Um diese Zeit ging man nach den vielfachen Veränderungen, die das Jahr 1830 im politischen und socialen Leben hervorgerufen hatte, auch daran, die Leipziger Bürgerschule einer zeitgemäßen, durchgreifenden Reform zu unterwerfen. Da sich der greise Gedike dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen fühlte, legte er 1832 sein Amt nieder und überließ seinem jungen, kräftigen Nachfolger, dem bisherigen Schuldirector in Elberfeld, Dr. Karl Christoph Vogel die bevorstehende Reorganisation der Anstalt. Ueber dreißig Jahre hat dieser edle, reichbegabte Mann, der leider schon vor zwei Jahren heimgegangen ist, im Dienste der Leipziger Bürgerschule gearbeitet und diese zu einer weithin anerkannten Höhe gehoben. Von nah und fern kamen Lehrer und Regierungsabgeordnete, um die Einrichtungen und die verschiedenen Lehrmethoden, die der in jeder Hinsicht geniale Vogel eingeführt hatte, kennen zu lernen, und keiner der Besuchenden ist gewiß unbefriedigt geschieden von der Anstalt und von ihrem liebenswürdigen Director, dessen Name auch in weiteren Kreisen nicht allein durch seine zahlreichen Schriften, sondern auch durch seinen Sohn, den unglücklichen Afrikareisenden Dr. Eduard Vogel, bekannt geworden ist.

In der ersten Bürgerschule erhalten jetzt über eintausendsiebenhundert Kinder, getheilt in vierunddreißig Classen, den nöthigen Unterricht, der von vierzig Lehrern und sechs Lehrerinnen besorgt wird. Leider ist auch schon der rüstige und gewandte Bulnheim, der nach Vogel’s Tode zum Director erwählt wurde, diesem bald in’s Grab nachgefolgt und soeben erst Dr. Paul Möbius zum Director ernannt worden.

Die Ueberfüllung der ersten Bürgerschule rief schon vor sechsundzwanzig Jahren die Gründung einer zweiten hervor, die, auf der Nordwestseite der Stadt in der Nähe des Theaters erbaut, zur Zeit von mehr als eintausend Schülern besucht wird. An ihr wirken außer zwei Lehrerinnen dreiundzwanzig Lehrer. Director ist Dr. Reuter, ein kinder- und lehrerfreundlicher, besonders von Liebe für die Naturwissenschaften begeisterter Mann. Bei dem Wachsthum der Stadt und bei dem immer größer werdenden Interesse der Einwohner an den öffentlichen Schulanstalten, machte sich im Jahre 1849 die Errichtung der dritten Bürgerschule nothwendig, die, nachdem sie sich drei Jahre lang mit Miethlocalen hatte behelfen müssen, erst 1852 in ihr gegenwärtiges Gebäude, gegenüber der Johanniskirche in der östlichen oder Dresdner Vorstadt, übersiedelte. Die außerordentlich starke Frequenz dieser Anstalt, die in den Jahren 1861 und 1862 die Schülerzahl von zweitausendfünfhundert erreichte und zum großen Theil in dem geringen Schulgeldsatze begründet war, wies dringend auf die Erbauung neuer Schulen hin.

Deshalb ward im Jahre 1862 in der westlichen Vorstadt, bekannt unter dem Namen des Reichel’schen Gartens, die vierte und im vorigen Jahre im südlichen Anbau, der sich längs der Zeitzer Straße hinzieht, die fünfte Bürgerschule eröffnet. Während die dritte noch gegenwärtig von eintausendsechshundert Kindern besucht wird, zählt die vierte gegen achthundert und die letzte und jüngste erst fünfhundert Schüler. An allen drei Anstalten wirkten bis zu Ostern dieses Jahres in sechszig Classen siebenundsiebenzig Lehrer und fünf Lehrerinnen. Als Director ist an der dritten Bürgerschule Dr. Ramshorn thätig, der sich abgesehen von seiner Lehrerwirksamkeit auch durch mehrfache schriftstellerische Arbeiten bekannt gemacht hat. Die vierte Bürgerschule leitet Dr. Hauschild, der als Gründer des modernen Gesammtgymnasiums und einer höheren Töchterschule, zweier noch jetzt blühenden Privatanstalten, sowie als pädagogischer Schriftsteller die rühmlichste Anerkennung auch in weiteren Kreisen erworben hat. Dr. Bornemann, dem als langjährigem Vorsitzenden des Leipziger Lehrervereins wegen seiner geistigen Regsamkeit, seiner collegialischen Liebe und Treue die Leipziger Lehrerschaft großen Dank schuldet, ist zum Director der fünften Bürgerschule ernannt worden.

Die Sorge für die Erziehung und den Unterricht der Kinder der ärmeren Classen hat sich vor Allem die Armenanstalt angelegen sein und schon am 7. Januar 1804, nur wenige Tage nach Eröffnung der ersten Bürgerschule, die Armenschule in’s Leben treten lassen. Lange Zeit mußte sich dieselbe mit Miethlocalen begnügen, ehe sie ihr eignes Haus erhielt, und als auch dieses bei dem alljährlich sich steigernden Zudrange nicht mehr ausreichte, wurden vor einigen Jahren zwei prachtvolle Gebäude, das eine auf der Südostseite, das andere am Westende der Stadt gelegen, aufgeführt, in denen nahe an dreitausend Schüler Unterricht erhalten. Den vereinten Anstrengungen der Behörden und Lehrercollegien ist es gelungen, daß auch die Armenschulen wetteifern können mit jeder guten Volksschule; sind sie doch selbst die ersten Anstalten in Leipzig gewesen, die dem Turnunterrichte durch Schulturnplätze und pädagogisch gebildete Turnlehrer größere Sorgfalt zuwendeten, als bisher an Schulen üblich war. Ehrend muß vor Allen des um’s Armenschulwesen höchst verdienstvollen Directors Krauß gedacht werden, der mit Umsicht und Geschick lange Zeit die Anstalt allein dirigirte, bis vor drei Jahren dieselbe getheilt und als selbstständiger Director der zweiten Armenschule der frühere College von Krauß, Schöne, ernannt wurde.

Es darf wohl erlassen werden, genauer auf die innere Einrichtung der Leipziger Schulen einzugehen, die hierin im Wesentlichen, wenigstens was die Bürgerschulen betrifft, nicht von einander abweichen. Die Schulbehörde hat sich jederzeit bemüht, Männer zu ihrer Leitung zu berufen, welche sich als gute Erzieher schon bewährt haben, und ihnen Lehrer an die Seite zu setzen, die ganz von der Aufgabe ihres Berufes erfüllt sind. Die Bürgerschaft hat kein Opfer gescheut, die freundlichen und zweckmäßig eingerichteten Unterrichtsstätten mit allen nothwendigen Lehr- und Hülfsmitteln auszustatten und den Lehrern durch stete Anerkennung ihres Wirkens das arbeitsvolle und mühereiche Leben zu erleichtern. Recht erfreulich ist es, wahrzunehmen, wie sich unter der Bürgerschaft eine immer größere Theilnahme an der Erziehung kundgiebt. Davon zeugen die verschiedenen Erziehungsvereine, welche in den letzten Zeiten entstanden sind, dafür bürgen auch die Sitzungen der Stadtverordneten, von denen wohl selten eine abgehalten wird, ohne daß dabei der Schulen gedacht würde. Immerhin ist das ein gutes Zeichen, die wackern Bürger bauen an ihrem eigenen Ruhme und an der Zukunft ihrer Stadt, denn so lange ihre Schulen treu gepflegt werden und Pflanzstätten echt religiösen Sinnes und wahrer Bürgertugend sind und bleiben, so lange wird auch die Blüthe Leipzigs nicht welken.

H. O. Zimmrrmann.




Der bairische Hiesel.
Volkserzählung aus Baiern.
Von Herman Schmid.

Der Amtmann hatte noch immer Lust zu zögern, aber seine Frau warf sich schreiend vor ihn hin, als sie bemerkte, daß Hiesel an seiner Büchse zu rasseln begann … „Um aller Heiligen willen,“ flüsterte sie ihm zu, „thu’, was er verlangt, sonst sind wir Alle verloren!“

Es blieb kein anderer Ausweg; der alte Diener wurde gerufen und kam bald mit einem vollen Geldsack zurück. Hiesel winkte einen der Wachposten herbei. „Da, nimm,“ sagte er, „und bring’ es den Leuten, denen es gehört … und so Gott befohlen, Herr Amtmann! Laß sich der Herr aber ja nicht in Sinn kommen, den Bauern wegen dessen, was ich für sie gethan, auch nur ein Haar zu krümmen oder ihnen wohl gar das Geld wieder abzunehmen – ich erfahr’s auf der Stelle und komme wieder, und dann kommen wir nicht so gut auseinander! B’hüt’ Sie Gott, Frau Amtmännin, und wenn Sie für die Zukunft sich einen solchen Schrecken ersparen will, so rede Sie Ihrem Mann

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_334.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)