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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

wollten … ich hatte meinen Schützenrock angezogen, um mich in Respect zu setzen; jedes Kind kennt den Rock auf fünfzig Stunden im Umkreis – aber Niemand kam heraus, mich zu begrüßen, und wo sich ein Kopf am Fenster sehen ließ, da war er wie der Blitz wieder verschwunden!“

„Aber der Bauer … ich glaub’, es war der Kirchenpfleger … was sagte der?“

„Der? Nicht viel, Hauptmann. Erst sah er mich an, als ob ich böhmisch mit ihm gered’t hätte … dann kratzt’ er sich hinter den Ohren und fing zu husten an … er könne das nit übernehmen, sagte er dann; er wisse im Voraus, daß die Bauern nichts geben würden, sie könnten auch nit vor Armuth und dürften nit, es sei vom Gericht verboten, dem Hiesel und seinen Leuten etwas zu geben, und wenn er mir gut rathen könne, so sollt’ ich machen, daß ich aus dem Dorf käme, eh’ der Amtmann von mir hörte …“

„Das … das hat der Bauer gesagt?“ stieß Hiesel hervor. „Das hat er gewagt, dem bairischen Hiesel als Antwort zu sagen?“

In optima forma!“ erwiderte der Sternputzer. „Siehst Du’s nun ein, daß nichts übrig bleibt, als exemplum statuiren?“

Hiesel war eine Secunde lang wie außer sich und biß sich fast die Unterlippe wund. „Brecht auf, Wildschützen!“ rief er dann. „Wir gehen hinunter in das Dorf – ich hab’ Euch eine Mahlzeit versprochen und Ihr sollt sie haben, so wahr ich Euer Hauptmann bin! Kommt, Cameraden, die Antwort muß ich selber hören!“

Mit wildem Geschrei drängten sich Alle um den Führer und stürmten dem Dorfe zu.

„Da bin ich,“ rief Hiesel, in’s Wirthshaus tretend, dem Wirthe entgegen, der ihn mit kriechenden Bücklingen, die grüne Schlegelkappe in der Hand, empfing. „Du kennst mich doch?“

„O … freilich …“ stammelte der Wirth, „wer sollt’ den Herrn Hiesel nicht kennen? Was verschafft mir die besondere Ehr’?“

„Dumme Frag’ für einen Wirth!“ erwiderte Hiesel. Aufgetragen, was Küche und Keller vermag – wir bleiben über Nacht bei Dir und wollen’s uns wohl sein lassen! … Nun, wo fehlt’s?“ fuhr er auf, als der Wirth noch immer zögernd auf einem Flecke stehen blieb und nur mit weit ausgestrecktem Arm furchtsam nach dem Spiegel deutete, an welchem das Dillinger Placat, weithin leserlich, angebracht war. „Ist es nichts, als das?“ rief Hiesel lachend. „Dafür kann geholfen werden – was man gezwungen thut, dafür kann einem kein Haar gekrümmt werden, also frisch, Cameraden! Damit dem Wirth nichts zu Leid’ geschehen kann, nehmt ihm die Schlüssel des Hauses ab, postirt Euch in Küche und Keller – bis morgen ist das Haus mein und ich bin der Wirth! Schreibt aber Alles auf das Genaueste auf, – morgen rechnen wir ab und zahlen; morgen haben wir Geld genug und ein Paar von Euch gehen und schaffen mir den Kirchenpfleger her – mit dem hab’ ich ein Wörtel zu reden!“

Das war ein Auftrag, wie er den wilden Gesellen nicht willkommener werden konnte. Lachend fielen sie über den Wirth her, zogen ihm den Schlüsselbund, den er unter der weißen Brustschürze verborgen hatte, hervor und stürmten unter Jubel und Geschrei in die verschiedenen Gelasse des Hauses. Die Einen stiegen in den Keller, um die Fässer zu proben, und riefen bald herauf, sie hätten dasjenige schon herausgefunden, auf dem die schwarze Katze sitze; Andere schäkerten mit den Mägden in der Küche und schürten ein Feuer an, daß es zum Kamin emporloderte, wieder Andere wühlten zur Verzweiflung der Wirthin im Wäschschrank, um das Tafelgedeck und die Tischzeuge hervorzusuchen, die sonst nur bei einer großen Hochzeit oder gar bei einer Primiz zu paradiren gewohnt waren. Die Wirthin konnte den Jammer nicht mit ansehen und schloß sich weinend in die hinterste Kammer ein, der Wirth wurde mitgeschleppt und mußte, so sauer es ihm ankam, in das Lachen einstimmen: er wagte nicht, die schonungslosen und gewaltthätigen Gesellen noch mehr zu reizen.

Der Hauptmann wehrte ihnen nicht ab; in unruhiger, hastiger Bewegung schritt er selbst in der Stube hin und wieder. Schon Studele’s Entfernung hatte ihn mehr ergriffen, als er es äußerlich gezeigt; die Entdeckung über die schlechte Gesinnung seiner Genossen hatte die Erregung gesteigert, durch die Nachricht von der Weigerung der Bauern war sie zur Erbitterung geworden – es bedurfte nur noch eines Anstoßes, so brach die Zornwuth los, die ihn wohl manchmal in besonders leidenschaftlichen Augenblicken übermannte.

„Bist Du der Kerl,“ rief er dem kreidebleichen Kirchenpfleger zu, der, von zwei Schützen geschleppt, hereinwankte, „bist Du’s, der sich untersteht, dem bairischen Hiesel mit dem Amtmann zu drohen?“

Ehe der Mann etwas zu erwidern vermochte, erschien schreiend und weinend sein Weib, das ihm gefolgt war, in der Thür und versuchte sich hineinzudrängen. „Laßt mir das Weib nit herein!“ rief Hiesel wild. „Wir haben nichts mit Weibern zu thun, schafft mir sie fort … Bitten und Betteln hilft nichts! Wenn sie ihren Mann retten will, soll sie machen, daß in fünf Minuten das Geld auf dem Tisch liegt, sonst steh’ ich für nichts!“

(Fortsetzung folgt.)




Dichter, Patriot und Prophet.
Von Carl Frenzel.

Soeben hat Italien ein glänzendes Fest gefeiert. Sechshundert Jahre sind vorübergegangen, daß in Florenz der erste und größte Dichter des italienischen Volkes geboren wurde, und wieder wollte es das Schicksal so, daß ihm die erste großartige Feier gilt, welche das geeinigte und von fremden Drängern befreite Italien den Musen bringt. Nicht in dem Maße ist Dante’s Dichtung in seinem Vaterlande volksthümlich geworden, wie bei uns die Schiller’sche; seine Verse, die bei seinen Lebzeiten Eseltreiber, Handwerker und Frauen des Volks gesungen haben sollen, verloren im Lauf der Jahrhunderte etwas von ihrer Deutlichkeit; wie sein ganzes Gedicht, die göttliche Komödie, wurden auch ihre einzelnen Schilderungen schwerer verständlich. Dante’s Werke blieben fast ausschließlich in den Händen der Gelehrten, der Hochgebildeten, erst allmählich gewinnen sie in der Gegenwart tiefere Wurzeln im Volke selbst. Aber die Masse der Italiener verehrt in Dante auch weniger den erhabenen Dichter, als den Patrioten. Ihr verkörpert Dante die Einheit des Vaterlandes. Er hat das erste Wort von dem einigen Italien, von dem Gegensatz dieses Landes zu den fremden Barbaren gesprochen. Was Cavour und Garibaldi jetzt vollendet, Dante hat es gewollt, geträumt. Die Formen, in denen sich diese Einigung vollzog, konnte er nicht voraussehen; in seiner Zeit war von einem Königreich Sardinien, von einem stillen Bunde aller Edlen vom Norden zum Süden der Halbinsel keine Spur; er suchte nach seiner Bildung und in den Anschauungen des Mittelalters den Einiger Italiens in einem römischen Kaiser, der, wie Augustus, von Rom aus die beruhigte Welt regiere. Die Grundgedanken seiner politischen Ueberzeugung verbinden ihn dagegen auf das Innigste mit den jetzigen italienischen Patrioten; Einheit des Landes, eine Kirche ohne weltliche Macht: das sind seine und ihre Ziele. Italien ehrt bei diesem Jubelfeste in Dante nicht nur den Dichter, sondern zumeist, wie es einem zum politischen Bewußtsein erwachenden Volke geziemt, den Vaterlandsfreund; neben dem Lorbeerkranz trägt er die Bürgerkrone.

Dante wurde im Mai 1265 zu Florenz geboren. Langsam war die Stadt, zu beiden Seiten des Arno gelegen, zu Wohlstand und politischer Bedeutsamkeit aufgewachsen. Mehrere Stunden vom Meer entfernt, hatte sie nicht den schnellen Aufschwung erlangt, den Pisa, Genua, Venedig durch die Kreuzzüge genommen. Während der große lombardische Städtebund, Mailand an seiner Spitze, mit dem Kaiser Friedrich dem Rothbart um Freiheit und Unabhängigkeit kämpfte, schlugen sich die Florentiner auf engem Gebiet, das etwa zehn Meilen im Umkreis betrug, mit dem Landadel der Umgegend, der von seinen Burgen aus ihren Handel hinderte, ihre Marken mit Plünderungen heimsuchte. Der Reichthum der Stadt beruhte auf ihrer Wollfabrikation: im Verlauf des dreizehnten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_340.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2022)