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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Ich legte den Körper sanft zurück. Die Zeichenmappe lag unbeachtet an meiner Seite. Mein Haar berührte den kopflosen Rumpf[1], wie ich mich sinnend über ihn neigte. Die Todtenstille wurde kaum hörbar durch das Pochen meines Herzens unterbrochen und lag über mir und auf mir wie ein einschläferndes Summen. Ich träumte, und die Jahre schwanden und die Zeit flatterte mit schwerem bleiernem Flügel nach rückwärts in dieser stillen Stunde, welche den todten Helden und den für sein Seelenheil betenden Träumer in einer einsamen, von der Außenwelt abgesperrten, regungslosen Gruppe vereinigte.

Franz Freiherr von der Trenck, dem die brennende Sonne Calabriens bei der Geburt schon das Blut erhitzte und dessen glühende Leidenschaften selbst nicht von dem Eise Rußlands abgekühlt und geklärt werden konnten, war körperlich ein Musterbild männlicher Vollendung und moralisch ein Conglomerat aller erdenklichen glänzenden und abscheulichen Eigenschaften. Seine Schönheit und seine Stärke waren bei seinen Lebzeiten sprüchwörtlich. Sein echter Heldenmuth, sein Unternehmungsgeist, seine Geschicklichkeit im Beherrschen und Bezähmen der rohesten Gemüther, seine Geistesgegenwart sowie seine großartigen Sprachkenntnisse machten ihn zu einem unbezahlbaren Feldherrn und Parteigänger, während seine unmenschliche Grausamkeit ihn dem Abscheu seiner Zeitgenossen preisgab. Ein Mord war für diesen in den wilden Kriegszeiten von aller Verantwortung freien Mann ein Zeitvertreib wie jeder andere. Freilich waren die von ihm kurz und gut massacrirten Leute meistens Räuber, Harumbaschas, Rebellen und Spione, und so mancher Mord wird durch die Nothwendigkeit und die Umstände entschuldigt; aber die Mönche, die er braten, die Gefangenen, die er sozusagen stückweise umbringen ließ, setzen ihn den wahnsinnigen Kaisern des Alterthums zur Seite.

Nichts entflammt und entzügelt ein von Natur grausames Gemüth mehr, als Macht und Straflosigkeit. Man kann annehmen, daß Trenck zuletzt selbst jedes Urtheil und jedes Augenmaß für seine Gräuelthaten verlor, da Niemand sich zu widersetzen wagte. Trenck war ein Wüthrich; daß aber die parteiische Nachwelt seine bittere Reue im Kerker, seine Bekehrung und seinen frommen Tod im Mönchsgewande für Komödie, für Heuchelei hält und den sterbenden Helden zu einem Tartüffe stempeln will, ist beinahe ebenso unverzeihlich wie die Grausamkeiten des Panduren. Ein Mann wie Trenck, der sich in’s Verderben stürzte, weil er sich nicht bezwingen, weil er nicht heucheln, weil er mit seinem wilden, offenen Naturell sich nicht verstellen konnte, soll auf seinem Sterbebette mit Reue und Buße eine meisterliche Komödie gespielt haben … aus dem einfachen Grunde, um seine Gefangenwärter zum Besten zu haben! Ein trauriger Grund und ein trauriges Terrain für einen Mann, der Kaisern und Königen mit seiner derben Offenheit getrotzt hatte! Ist es nicht vielmehr ganz natürlich, daß ein wildes, aber unverfälschtes und einfältiges Naturell, sobald seine Kraft und sein Glauben an die eigene Unfehlbarkeit gebrochen sind, in der Religion ein Asyl sucht und zu finden glaubt? Daß er Hand an sich selbst legte, daß er sich durch Gift tödtete, ist wohl anzunehmen – aber das war in den Augen des gebrochenen Kriegers keine Sünde: der Löwe entsetzte sich mehr vor der Gefangenschaft als vor dem Tode – der Heros fürchtete sich mehr vor der Unthätigkeit als vor der Auflösung.

Mit seinem Gotte war er in seinem einfältigen, naiven, kindischen Gewissen bald versöhnt: „Herr, vergieb mir, ich wußte nicht was ich that; strafe die Spitzbuben, die mich in’s Verderben stürzten, und sei meiner armen Seele gnädig!“ Und der liebe Gott – nicht der Gott der Pfaffen oder der Juden oder der Türken oder der Feueranbeter oder sonst welcher Religionsgenossenschaft, sondern unser Aller lieber Vater im Himmel, der seine Kinder nicht nach menschlichen Satzungen und Geboten, sondern nach ihrem armen kurzsichtigen Herzen und nach ihrer schwachen, der Zeit und den Umständen sklavisch unterworfenen Natur richtet, hat ihn gewiß erhört. In einem schmucklosen Sarge liegt die ruhige Hülle eines irrenden Mannes. Das Herz ist ausgebrannt, der Körper ist zu einem Lederfetzen eingetrocknet. Die sündenbefleckte Maschine hat Ruhe, und die arme irrende Seele brennt hoffentlich in keinem päpstlichen Feuerpfuhle, sondern ist bei dem gütigen Herrn, welcher die Vergebung und das Leben ist.

E. V.




Der Lustgarten im Hofe.

Nur Wenige sind in großen Städten so glücklich, einen Garten am Hause oder in der Vorstadt zu besitzen, wo sie die frische Luft genießen, sich der Blumen und der Natur erfreuen können. Die Reichen entfliehen im Sommer der Stadtatmosphäre und eilen in Bäder und frische Waldgegenden; aber die minder Bemittelten, vor Allem die durch Geschäfte oder ein Amt Gefesselten sind fest an die heimathliche Scholle gebunden. Und doch verlangen auch sie aus den vier Wänden, so oft der Beruf es erlaubt. Die Einen besuchen die städtische Promenade (wenn eine vorhanden und nahe genug ist), die Andern öffentliche Gärten; allein Vielen will weder das Eine, noch das Andere so recht behagen.

Fast noch mehr fallen die Kinder in’s Gewicht. Sie haben keinen Platz, wo sie in freier Luft spielen können, weil man nicht Lust hat, sie Gassenkinder werden zu lassen. Dennoch aber ist der reichlichste Aufenthalt in freier Luft für Kinder die Grundlage körperlicher und geistiger Gesundheit.[2] Was ich bisher sagte, werden Viele einsehen, aber keine Möglichkeit der Abhülfe erkennen; es soll daher die Aufgabe der folgenden Zeilen sein, darzulegen, wie Höfe und Gebäude zu Gärtchen eingerichtet werden können. Sehr viele Hausbesitzer haben hierzu Gelegenheit. Man wird sich erinnern, in einer oder der andern Stadt an Kaffeehäusern und bessern Bierwirthschaften nette Gartenhöfe gesehen zu haben, welche den angenehmsten Eindruck machten, so daß man darin mit Behagen einige Nachmittags- oder Abendstunden zubringen mag. Sie sind in der Regel nichts Anderes, als ein ärmlicher Kiesplatz von Laubengängen umgeben, welche zugleich die Nachbargebäude und die Besucher fremden Blicken verbergen. Man hat also mit den einfachsten Mitteln einen für Viele höchst angenehmen Aufenthalt geschaffen. –

Ein anderes weiteres Beispiel sind die Gärtchen von Pompeji, deren in neuerer Zeit eine große Anzahl ausgegraben worden sind und deren Einrichtung bei einigen noch vollständig zu erkennen ist. Das volkreiche Pompeji hatte wenig Raum, aber ein Gartenhof (Peristyl) durfte nicht fehlen. Solche Anlagen muß man zum Muster nehmen. Der Verfasser hat schon manchen früher von den Bewohnern gemiedenen, häßlichen Hof in den zierlichsten Garten umgewandelt, den man in der schönen Jahreszeit förmlich als Sommerwohnung benutzt. Dazu gehört weder besondere Kunst, noch großer Aufwand, sondern nur die Fähigkeit, aus der Localität den größtmöglichen Vortheil zu ziehen. Für’s Erste darf der Hof nicht zu lang und schmal und nicht allseitig von zu hohen Gebäuden umgeben sein, er muß wenigstens einen Sonnenstrahl erhaschen können, wenn auch die Sonne fast nie den Boden erreicht. Dies gehört weniger zum Gedeihen der Pflanzen, als zum Wohlbefinden der Besucher. Ganz enge, düstere, von vier Stock hohen Gebäuden umgebene Höfe, wie man sie noch so oft in alten Vierteln großer Städte findet, sind völlig ungeeignet zu solchen Gartenanlagen. Vor Allem muß man sämmtliche Wände mit Schlingpflanzen bekleiden, wozu sich besonders wilder Wein, Aristolochia und die amerikanischen wilden Reben empfehlen; an warmen Südmauern kann man auch edle Reben, an niedrigen Mauern muß man eine Menge Schlingpflanzen anbringen. Sind die umgebenden Gebäude zu hoch, um sie zu begrünen, so stelle man ringsum einen nach innen offenen Laubengang her, welcher den Blick von dem Hofe abhält. Zuweilen wird der Hof von Nachbargebäuden begrenzt, welche die Schlingpflanzen nicht dulden oder von denen Fenster in den Hof gehen. In diesem Falle errichtet man ein freistehendes Geländer für Schlingpflanzen so weit von der Nachbarwand ab, daß allenfalls eine Baureparatur dahinter vorgenommen werden kann.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_346.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)
  1. Der Kopf des Leichnams wurde von angeblichen Verwandten des Todten fortgenommen.
  2. Man vergleiche den Aussatz: „Städteverschönerung und Kinderwohl“ in Nr. 7 Jahrgang 1863 von demselben Verfasser.