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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Little-Rock, abließ. Vor etwa zwei Jahren, wo er genöthigt wurde sie eines Vergehens wegen zu züchtigen, lief sie ihm davon, und vergebens setzte er damals hundert Dollars Belohnung für ihre Wiedereinlieferung aus; sie war und blieb verschwunden, bis vor etwa sechs Wochen ein Freund von uns, der Texas besucht hatte, um sich hier einen Platz zur Ansiedlung auszusuchen, auch zufälliger Weise, und zwar gerade in Ihrer Abwesenheit, Mr. Jenkins, hier bei Ihnen einkehrte, die Dirne sah und augenblicklich wieder erkannte.“

„In der That?“ sagte Jenkins, „bitte Alte, gieb dem Herrn einmal einen Schluck Kaffee. Er muß vom vielen Reden ordentlich trocken werden.“

„Wollen Sie nicht die Papiere ansehen?“

„Was helfen mir die Wische?“ sagte Jenkins verächtlich, indem er die Schriftstücke in der Hand, wie einen Haufen trockener Blätter, aufgriff, flüchtig ringsum betrachtete und dann wieder zurück auf den Tisch warf. „Meine Alte da – denn ich selber kann nicht schreiben, und hab’s nie gekonnt – fabricirt Ihnen in einem halben Tag ein Dutzend solcher Dinger, und wer soll denn hier in Texas untersuchen können, ob die Namen richtig sind?“

„Dann müssen Sie uns schon auf unsere ehrlichen Gesichter glauben,“ sagte der Begleiter des „Stadtmenschen“, wie eigentlich Jeder genannt wurde, der einen Tuchrock trug.

„Ehrlichen Gesichter, Mann?“ rief Jenkins halb lachend, indem er von einem der beiden Fremden zum andern übersah. „Gott segne Ihre Seele, Squire, da Sie’s doch einmal gerade erwähnen, so dürfen Sie mir glauben, daß Sie auf die beiden Gesichter in ganz Texas keine fünf Dollars geborgt bekämen. Aber lassen wir den Unsinn,“ brach er kurz ab, „Ihr Bruder, Mr. – wie war doch gleich Ihr Name?“

„Saunders.“

„Ah ja, Mr. Saunders, mag also wohl eine Negerin verloren haben, das will ich Ihnen gern glauben, und sie kann auch vielleicht in Texas stecken – sollte mich wundern, wenn sie’s nicht thäte – aber meine Nelly ist’s nicht, darüber seien Sie beruhigt, und was Ihre Papierschnitzeln betrifft, so sind die hier in Texas noch nicht einmal so viel werth, wie eben so große baumwollene Lappen, denn mit denen kann man doch wenigstens eine Büchse auswischen.“

„Mr. Jenkins,“ sagte der Mann im Frack ziemlich ernsthaft, „ich hoffe nicht, schon Ihres eigenen Selbst wegen, daß Sie sich den gerechten Anforderungen eines an seinem Vermögen geschädigten Mannes widersetzen wollen, denn die Jurisdiction der Vereinigten Staaten –“

„Reden Sie keinen Unsinn, Mann,“ sagte Jenkins, „wir sind hier in Texas, aber selbst in den Staaten und drüben in Arkansas, will ich verdammt sein, wenn Sie mir mein Eigenthum so unter der Nase weg, blos auf Vorzeigen von irgend einem bekritzelten Wisch, fort holen sollten.“

„Und verlangen Sie wirklich, daß wir die ganze Reise umsonst gemacht haben sollen?“ rief der im Frack.

„Gott segne meine Seele, Mann,“ lachte Jenkins, „hab’ ich Euch denn eingeladen zu kommen? Aber für verdammt grün müßt Ihr mich halten, oder irgend Einen von uns hier, wenn Ihr glauben konntet, Jemand würde sein wohlerworbenes Eigenthum so mir Nichts Dir Nichts an ein paar Fremde ausliefern, die ihm da irgend eine Geschichte vorerzählen.“

„Sie zwingen uns dann unser Recht auf andere Art zu suchen.“

„Ganz wie’s Ihnen beliebt, Sir,“ lachte der Squatter, „versuchen Sie’s, ob Ihre Advocaten hier bei uns Etwas ausrichten werden. Ich gebe Ihnen aber mein Wort, es wäre für die Herren ein sehr undankbares Geschäft.“

„Und welches Gesetz erkennen sie hier an?“

„Das Recht der Selbsthülfe – kein anderes,“ sagte Jenkins ruhig, „aber da ist das Mädel selber – He, Nelly, komm einmal her. Wie hieß der Herr, von dem ich Dich kaufte?“

„Mr. Houston, Sir,“ sagte das junge Negermädchen, dessen große glänzende Augen indessen bei der Frage unruhig von einem zum anderen der beiden Fremden flogen. Waren diese vielleicht hierher gekommen, ihrem Herrn einen Preis für sie zu bieten? Ihr Herz schauderte, wenn sie an die Möglichkeit dachte.

„Und wo warst Du früher?“ fuhr Jenkins fort.

„Ich bin in Kentucky geboren, Sir, und als mein Herr starb, nach Memphis in Tennessee verkauft worden.“

„So? Und warst Du je in Little-Rock?“

„Nein, Sir – kenne den Platz nicht.“

„Ahem – na, Du kannst gehen, Nelly.“

„Aber Sie wissen doch, Mr. Jenkins,“ sagte der Fremde, ohne von dem Negermädchen selber die geringste Notiz zu nehmen, „daß Neger und Alles, was von Negern abstammt, vor Gericht nicht die geringste Stimme in einer Zeugenaussage haben.“

„Bitte, Mr. Saunders,“ sagte der Alte, „wir sind hier nicht vor Gericht, und ich habe das Mädel nur gefragt, um mich selber zu beruhigen. Wünschen Sie sonst noch Etwas?“

„Sie verweigern also die gutwillige Herausgabe der entflohenen Sclavin?“ frug der in dem ledernen Jagdhemd.

„Entflohene Sclavin?“ rief Nelly, die das nicht anders als auf sich beziehen konnte, „bin ich denn entflohen?“

„Ruhig, Nelly,“ sagte der Alte, „laß mich die Sache mit den beiden Herren nur abmachen. Sie haben’s nicht mit Dir, sondern mit mir zu thun, und einen zäheren Kunden wohl noch kaum unter den Fingern gehabt. Also, Gentlemen, wenn Sie mich denn so direct fragen, ich verweigere allerdings die Herausgabe meines Eigenthums an ein paar – Buschläufer, die mir da irgend eine alberne Geschichte erzählen, und noch eins, Wollen Sie hier als meine Gäste über Nacht bleiben – denn das nächste Haus liegt ein bischen unbequem an der Sabine – gut, so sollen Sie mir von Herzen willkommen sein. Der alte Jenkins weist keinen Fremden von seiner Thür; fangen Sie aber noch einmal von der Geschichte mit der Negerin an, oder finde ich, daß Sie sich nach Sonnenaufgang noch hier in meiner Nachbarschaft herumdrücken, dann – aber ich brauche Ihnen Nichts weiter zu sagen,“ brach er kurz ab, „denn soviel wissen Sie, daß der Wald hierherum mit zu meinem Haus gehört, und daß ich mein Hausrecht zu gebrauchen weiß, das können Sie sich etwa denken.“

„Unter diesen Umständen,“ sagte der im Frack ausstehend zu seinem Begleiter, „glaube ich, daß es das Beste ist, wir halten uns hier nicht länger auf, Mr. Netley. Wir versäumen nur Zeit.“

„Wie Sie wollen, Gentlemen,“ nickte Jenkins, „bei dem Wetter campirt sich’s auch vortrefflich im Wald. Uebrigens hängt draußen Wildpret, und Sie können sich noch ein Stück mit auf den Weg nehmen.“

„Danke Ihnen, Sir – wir führen selber Provisionen in unseren Satteltaschen“ – und nach kurzem, kaltem Gruß von beiden Seiten stiegen die beiden Fremden wieder in den Sattel und trabten bald darauf in einer südöstlichen Richtung, in welcher allerdings das Haus am Sabinefluß lag, in den Wald.

(Fortsetzung folgt.)




Zur Rettung unserer Seeleute.[1]
Ein nochmaliger Mahnruf an das deutsche Volk.
Vom Corvettencapitain Werner.

Der Herbststurm braust einher in entfesselter Wuth. Die mächtigen Stämme hundertjähriger Eichen ächzen unter seiner Gewalt, während er ihre Zweige knickt und die welken Blätter hinauspeitscht in die Lüfte wie Schneeflocken. Er jagt dunkle Wolkenmassen vor sich her, die drohend sich thürmen und eisigen Regen herniedersenden. Die Nacht bricht herein, tiefe Finsterniß bedeckt die Erde, kein freundlicher Stern schaut vom düstern Himmel herab und das Brausen des Sturmes tönt wie grollender Donner.


  1. Obwohl die Gartenlaube diese hochwichtige Sache bereits im Jahre 1861 (Nr. 51) in einem durch mehrere Abbildungen erläuerten ausführlichen Aufsatze zur Sprache gebracht hat, so bestimmt uns doch die im Augenblicke, wo wir dies schreiben, in Kiel tagende Versammlung behufs Gründung eines allgemeinen deutschen Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger noch einmal auf diese Angelegenheit zurückzukommen, um sie allen unsern Lesern von Neuem auf das Dringendste an’s Herz zu legen.
    D. Redaction.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_356.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)