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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

No. 24. 1865.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Die Moderatoren.
Erzählung aus Texas.
Von Fr. Gerstäcker.
(Fortsetzung.)
2. In Brownsville.

Der alte Jenkins blieb, als die beiden Fremden fortritten, kopfschüttelnd in der Thür stehn und sah ihnen nach, denn eine so bodenlose Frechheit war ihm doch in seinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen. Zwei wildfremde Menschen treten da in sein eigenes Haus und verlangen von ihm, mitten im texanischen Walde, er solle auf einen Papierwisch hin ihnen, mir Nichts dir Nichts, sein wohlerworbenes Eigenthum ausliefern. – Er würde es auch nicht für möglich gehalten haben, wenn er es nicht selber erlebt hätte, und eine Zeitlang lief er, die Hände auf den Rücken gelegt, in seinem Hause auf und ab. Endlich rief er Nelly.

Das junge Mädchen kam und blieb in der Thür stehn.

„Master?“

„Kanntest Du Einen der beiden Halunken, die eben hier waren?“

„Nein, Master,“ sagte die Negerin, „nur den Einen habe ich vor acht oder vierzehn Tagen einmal gesehen.“

„Wo?“ frug der Alte rasch.

„Draußen am Feld – ich pflückte Bohnen und er ritt an der Fenz vorbei. Als er mich sah, hielt er an und frug, wer hier wohne.“

„Welcher war das?“

„Der mit der Büchse.“

„So? – hm – der im Frack nannte ihn Mr. Netley – also vor acht Tagen schon?“

„Es kann auch etwas länger her sein.“

„Und in Little Rock bist Du nie gewesen?“

„Nie, Master; habe den Ort in meinem Leben nicht gesehn.“

„Kennst auch einen Mr. Saunders nicht?“

„Nein, Master,“ sagte das Mädchen und sah treuherzig zu seinem Herrn auf.

„Es ist gut, Nelly,“ nickte dieser, nach kurzer Pause, und griff dabei seinen alten Filzhut auf und holte die Büchse von der Thür herunter. Seine Frau sah ihn erstaunt an.

„Willst Du schon wieder fort, John?“ frug sie fast erschreckt. „Du bist doch kaum erst nach Haus gekommen.“

„Ja, Schatz,“ sagte der alte Mann, „ich muß mit Reed sprechen – die Geschichte geht mir im Kopf herum. Neulich, als ich drüben in der Ansiedlung war, hörte ich schon von allerlei faulen Dingen, die jetzt im Wald vorgingen, achtete aber nicht darauf, denn ich hielt’s für übertrieben. Jetzt kommt mir die Sache selber bedenklich vor, und ich möchte doch einmal nähere Erkundigungen einziehen.“

„Und mich willst Du indessen hier allein lassen?“

„Wär’ wohl das erste Mal, Schatz,“ lächelte der Alte, „aber sei unbesorgt. Gerade jetzt reit’ ich fort, damit ich die nächsten Tage bei Dir bleiben kann, denn heute und morgen kommen die beiden Burschen, wenn wir sie überhaupt je wieder zu sehn kriegen, sicher nicht zurück. Uebrigens hast Du ja Dein eigenes Gewehr, und sollte wirklich in der Zeit Jemand eintreffen, der Dir nicht recht ist, dann bist Du und Sip Manns genug, um ihnen die Wege zu weisen. Ich bleib’ auch nicht lange, sei ohne Furcht, wir haben jetzt mondhelle Nächte, und wenn ich quer durch den Wald schneide und den Bluff hinuntersteige, ist’s bis zu Reeds hinüber kaum mehr als fünf Miles, in anderthalb Stunden bin ich drüben.“

Sip, der Neger, legte indessen den Sattel auf, und der alte Mann nickte der Frau noch einmal zu und ritt dann langsam in den Wald hinein. Statt aber gleich der angegebenen Richtung zu folgen, kam ihm ein anderer Gedanke, als er die Pferdespuren der beiden Fremden sah. Wohin hatten sich diese gewandt? das mußte er vorher wissen, und er folgte ihnen deshalb in einem etwas lebhafteren Trab; die Spuren waren ja deutlich genug dem weichen Boden eingedrückt, um rasch auf ihnen hinreiten zu können.

Die Reiter hatten in der That den Cours nach Südosten eingehalten und endlich den nächsten Bach gekreuzt; sollte er ihnen nach dort hinüber folgen?das hätte ihn weit ab von seiner eigenen Richtung geführt, und es trieb ihn nicht zu lange von zu Haus fortzubleiben. Auf der anderen Seite des schmalen Wassercourses ließen sich noch deutlich die Spuren erkennen, und darüber jetzt vollständig beruhigt, lenkte er selber sein Thier rechts ab und schnitt quer durch den Wald hindurch nach Reeds hinüber. Er kannte jeden Fuß breit Boden hier und konnte die kleine Farm so genau treffen, als ob eine breite Straße dort hinübergeführt hätte.

Es war noch früh am Nachmittag, als er Reed’s Farm erreichte, aber er fand Reed nicht zu Haus, und dessen Frau sagte ihm, „ihr Mann sei nach Brownsville am Sulphurcreek hinübergeritten und würde auch wohl vor morgen Abend nicht zurückkommen. Drüben in Brownsville hätten sie eine Versammlung, aber weshalb, wisse sie nicht.“

Brownsville, eine Stadt, die vorläufig erst aus drei Häusern bestand, lag noch etwa sechs Miles weiter, er konnte es noch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_369.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)