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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

No. 26. 1865.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Die Moderatoren.
Erzählung aus Texas.
Von Fr. Gerstäcker.
(Fortsetzung.)

Jenkins wehrte sich wie rasend, er biß und trat um sich, aber der Uebermacht war er nicht gewachsen, und wie er das endlich fühlte, wurde er still und ließ Alles geduldig mit sich machen, was sie wollten. Nur die Zähne biß er fest zusammen, und die rollenden Augen traten ihm fast aus den Höhlen. Die Bande wußte aber ihre Sache vortrefflich anzugreifen. Die Arme wurden dem alten Mann aufgeschnürt und dann um den Stamm des niedrigen Baumes gelegt und drüben wieder befestigt, so daß er diesen umfassen mußte, wobei ihm nur so viel Freiheit blieb, sich darum hin zu bewegen. Das Jagdhemd hatten sie ihm vorher von den Schultern gerissen, und Nelly selber stieß einen Angst- und Schmerzschrei aus, als der erste mit voller Wuth und Bosheit geführte Schlag auf die Schultern des Unglücklichen niederfiel, so daß schon im nächsten Augenblick das helle Blut sein Hemd färbte.

Jenkins rührte und regte sich jedoch nicht. Ein Indianer am Marterpfahl hätte die über ihn verhängten Qualen nicht stoischer ertragen können, als der alte Mann zwischen seinen Peinigern stand. Schlag auf Schlag folgte, aber kein Laut kam über seine Lippen, und dadurch allein vielleicht entging er dem Schwersten, denn sein Henker gerieth zuletzt in so furchtbare Wuth und Aufregung, daß seine Streiche wohl rasch hinter einander und schwer auf den Rücken des Opfers niederfielen, indeß deshalb aber auch lange nicht so tief und gefährlich einschnitten, als wenn er kaltblütig den Hieb berechnet hätte.

Da fiel plötzlich weit drüben im Wald ein Schuß, möglich, daß nur ein Jäger dort zufällig nach einem Stück Wild geschossen, aber die Bande horchte überrascht auf und selbst Netley hielt, überhaupt vollkommen außer Athem, mit Schlagen ein.

„Jungens,“ sagte der Führer, „ich denke wir haben uns hier lange genug mit dem alten Schuft herumgeärgert; die Zeit vergeht und wir müssen machen, daß wir nach Hause kommen. Packt auf, was ihr habt, und dann fort!“

„Aber erst häng’ ich den alten Cujon an den nächsten Baum,“ schrie Netley; „so lange er lebt, geh’ ich hier nicht vom Platz. Einen Strick her – Einer von Euch einen Strick!“

„Wir können uns das bequemer machen,“ lachte der Führer boshaft. „Seine Frau wird sich doch nach ihm sehnen. Schafft ihn ins Haus, bindet ihn dort mit fest und dann steckt die Bude an.“

Ein wildes Jauchzen antwortete dem teuflischen Vorschlage, allein der Führer hob warnend die Hand. Er fühlte sich hier nicht mehr sicher.

„Ruhe jetzt!“ sagte er, „Ihr wißt am Besten, wie nöthig es ist, daß wir noch heute und morgen ungestört sind, macht rasch. Ins Haus mit dem Burschen und knebelt Beide gut, daß sie nicht schreien und Hülfe herbeirufen können, und dann Feuer in das Nest!“

Wie ein Bienenschwarm fuhren die Buben untereinander. Ihr Hauptmann hatte Recht, und wenn ihnen jetzt, wo sie im Begriff standen, ihren Raub in Sicherheit zu bringen, ein unberufenes Auge auf die Spur gekommen wäre, hätte es ihren ganzen Plan noch im Augenblick des Gelingens vereiteln oder doch stören können. Vier von ihnen schnitten deshalb den Mißhandelten los, faßten ihn und trugen ihn ins Haus. Der alte Jenkins lag machtlos in ihren Armen. Die Anderen hatten im Nu die spärliche Beute aufgegriffen und der Führer selbst löste Nelly von dem Baum ab, an den man sie gebunden hatte, und brachte sie zu einem der Pferde.

„O Massa, um Gottes willen,“ flehte das arme Mädchen, „ich bin ja wahr und wahrhaftig keinem Menschen davon gelaufen.“

„Dir geschieht Nichts, mein Schatz,“ sagte der Mann als einzige Antwort, „wenn Du Dich nämlich ganz still und ruhig verhältst und vernünftig bist; wirst Du aber im Geringsten laut, dann gnade Dir Gott! – weiter brauch ich Dir Nichts zu sagen – und nun komm.“

Nelly zitterte vor Angst und Entsetzen, allein sie wagte keine Widerrede, denn sie fühlte recht gut, in welche Hände sie gefallen war. Einen Willen hatte sie ja auch noch nie gekannt, seit ihrer Geburt, und schweigend, nur mit stillen Thränen, die sie nicht zurückhalten konnte und um die sich der Bube wenig kümmerte, gehorchte sie den Befehlen.

Die Bande, die sich fälschlich Regulatoren nannte, war indessen im Hause selbst beschäftigt, den teuflischen Anschlag auszuführen. Die beiden alten Leute waren bald gebunden, so daß sie sich selber nicht mehr helfen konnten. Einige rissen mittlerweile das trockene Moos aus den Betten und schichteten es um den Kamin her auf, dürres Holz gab es ebenfalls genug, die Stühle und der Tisch wurden darüber gestürzt und, wie sie mit Allem fertig waren, eine Hand voll Moos in die noch im Kamin glimmenden Kohlen geworfen. Das flackerte lustig auf und hatte im

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_401.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2017)