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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Der alte Jenkins warf, während sich der kleine Trupp schweigend und gespannt um ihn schaarte, den Blick umher. Mit jenem Instinct, der allen diesen Leuten eigen ist, die ihre Lebenszeit im Wald verbracht, hatte er sich jetzt in dem ihm fremden Terrain zurecht gefunden. Er hob die Hand, um den Zug des Windes zu fühlen, derselbe kam genau von Osten und trieb in den Bruch schräg hinein[WS 1] und nach dem Fluß zu.

„Schlag einer von Euch Feuer; rasch, wir dürfen keine Zeit versäumen!“

Im Nu hatten Zwei ihren Stahl und Schwamm herausgeholt.

„Ihr Anderen sammelt trockenes Rohr – da hinein beginnt der alte Rohrbrand; wenn wir den Haufen dort zur Flamme bringen, läuft die Gluth in wenigen Minuten auf dieser Seite hin.“

„Aber dann jagen wir’s Ashley gerade entgegen,“ warf einer der Leute ein.

„So rasch geht es nicht,“ sagte Jenkins, „und der hat immer den Pfad zurück und kann im schlimmsten Fall die Slew zwischen sich und das Feuer bringen – brennt es noch nicht?“

Sip hatte am schnellsten Feuer bekommen, und aus einem hohlen Baum trockenes, dort hineingewehtes Laub raffend, that er den Schwamm dazwischen, schwenkte es durch die Luft und blies es bald zur hellen Flamme an.

„So – dort hinein – der Wind weht vortrefflich. Wenn das Feuer in Gang kommt, machen wir den oberen Pfad unpassirbar, auf dem anderen müssen sie uns dann in die Büchse laufen.“

Es bedurfte für diese Männer keiner weiteren Anordnung. Im Nu hatten sie begriffen, was ihr Führer bezweckte, und der hier beginnende alte Rohrbrand, durch den das noch stehen gebliebene Rohr abgestorben und trocken geworden, kam ihnen dabei wacker zu Hülfe. Rasch hatte auch Jeder von ihnen eine kleine Fackel aus trockenen Rohrstücken gemacht und entzündet; mit denen vertheilten sie sich, und kaum zehn Minuten später schlug die Flamme züngelnd empor und verwandelte sich mit fabelhafter Schnelle in eine Feuersäule, die querüber nach dem Fluß zu fraß und ein Durchdringen derselben, da man in dem zusammengebrochenen Rohr nicht rasch vorwärts konnte, zur Unmöglichkeit oder doch äußerst gefährlich machte.

Jenkins’ Augen leuchteten von wilder Freude, als er den Erfolg sah, den sein neuer Angriffsplan hatte. Aber er hielt sich nicht lange auf, die Wirkung ihrer List zu betrachten.

„Du gehst hier am Wasser hinauf,“ rief er Nelly zu, „und hältst Dich dort irgendwo im Dickicht versteckt, bis wir Dich abrufen, und nun vorwärts, Jungen, mir nach, jetzt haben wir die Hunde!“


7. Der Angriff.

John Jenkins war vierundsechzig Jahr alt, aber keiner der jungen Leute die ihm heute folgten, wäre im Stande gewesen ihm voraus zu kommen, so wild und kampfesmuthig und so jugendfrisch in dem Gefühl seiner Rache warf er sich der Gefahr entgegen.

Indessen waren aber auch die anderen beiden Abtheilungen nicht lässig in Erfüllung der ihnen anvertrauten Posten gewesen; Billins besonders war mit seinen beiden Piroguen scharf stromab gerudert, um jene Stelle zu erreichen, von der aus sie die Mündungen der Bayous beobachten konnten.

Der Platz erwies sich auch dazu ganz vortrefflich und Billins selber glitt, seine Canoes zurücklassend, über die schmale, dicht mit Schilf und Cottonwoodschößlingen bewachsene Landzunge hinüber, um zu beobachten, was da drüben vorging. Der Tag brach mit Macht an, die Vögel im Wald wurden lebendig, und große Ketten Wildenten und Gänse strichen über den Strom schwirrend dahin, ihre Aeßungsplätze aufzusuchen. Schon aber verloren die Wolken ihren rosigen Schein, die Sonnenscheibe blitzte durch die gegenüberliegenden Wipfel der Bäume, und noch immer lag die Wildniß still und ruhig – nur dort drüben – über der Bayou, hob sich ein dicker schwarzer Rauch empor, der konnte doch nicht vom Lagerfeuer der Verbrecher herrühren, die sich ihr Frühstück kochten, nein – er wurde breiter und mächtiger – das war ein Schilfbrand, der seinen schwarzen Qualm jetzt über den Bruch wälzte. Hatte da Jenkins gearbeitet, oder die Regulatorenbande vielleicht selber den Wald entzündet, um ihre Flucht in dem Rauch zu verbergen? Nicht lange jedoch sollte ihm Zeit zum Ueberlegen bleiben, denn jetzt plötzlich glitt ein kleines Canoe, aber nur von einem Manne gerudert, aus der Mündung der Bayou heraus. Wollte er fliehen? Nein, er hielt nur etwa zehn oder zwölf Schritt in den Strom hinaus, als ob er dagegenarbeiten wollte, er sah sich vielleicht um, ob die erwarteten Canoes noch nicht in Sicht kämen, konnte sich aber nicht gegen die Strömung halten und mußte aus Leibeskräften arbeiten, um nur wieder stilleres Wasser zu erreichen.

Billins wußte jetzt nicht, was er thun sollte. Vorbrechen und sich vor die Mündung legen? aber dann blieb er im offenen Wasser den Schurken mit ihren Büchsen vollständig preisgegeben, die aus ihrem Versteck heraus seine Leute einzeln wegblasen konnten, ohne daß er nur einen Hutrand von ihnen zu sehen bekam. Das ging auf keinen Fall. Und noch keine Zeichen weiteren Lebens, als der immer stärker und schwärzer emporqualmende Rauch. Ha! da fiel ein Schuß! der mußte von Ashley’s Partei gefeuert sein – oder war es ein Signal? Und jetzt regte sich Etwas drinnen im Schilf und rückte mehr und mehr heraus. Das Canoe kam wieder zum Vorschein, allein diesmal langsam – wahrhaftig, eine Leine zog es hinter sich her, zwei Männer saßen jetzt darin und sie ruderten aus Leibeskräften, aber sie zogen ein großes Floß hinter sich, auf dem eine Anzahl Pferde festzusammengekoppelt standen und Menschen darauf; Neger ruderten es und halfen dem vorgespannten Canoe.

Billins sah nicht mehr; wie eine Schlange glitt er durch das Gebüsch zurück und in seine Pirogue hinein.

„Fort!“ rief er, „sie fliehen! Jetzt haben wir die Canaillen!“ und im nächsten Augenblick schon stießen beide Fahrzeuge vom Ufer ab und schossen in den Strom hinaus. Im Anfang schienen sie auch von denen an Bord des Flosses nicht bemerkt zu sein, denn die hatten mit dessen Führung zu viel zu thun, um es frei in den Strom zu bekommen, daß es nicht unterhalb auf die dort angeschwemmten und eingestürzten Baume trieb. Das war auch wirklich kein leichtes Stück Arbeit, denn in dem Fall wäre es rettungslos verloren gewesen, ja, die Menschen hätten in der gurgelnden Fluth kaum selber zurück an Land kommen können. Alle arbeiteten denn auch mit gutem Willen, und es gelang ihnen, die gefährlichste Stelle zu passiren. Erst einmal von der wirklichen Strömung erfaßt und im offenen Wasser, brauchten sie Nichts mehr zu fürchten. Kaum aber hatten sie das eigentliche Fahrwasser des Stromes erreicht, das sie mit wilder Schnelle an den bisher so ängstlich gemiedenen eingebrochenen Baumwipfeln und ihren Wirbeln vorüberführte, als ein Schrei vom Bord aus die Aufmerksamkeit Aller nach außen lenkte, und jetzt erst entdeckten sie die beiden Piroguen, die mit der Strömung, und von den kräftigen Armen der Neger gerudert, rasch ihnen näher rückten.

Billins erkannte jetzt, daß sich auch zwei Weiße an Bord des Flosses befänden, als diese ihn nicht lange über ihre Absicht in Zweifel ließen, denn im Nu wurde der scharfe Blitz einer Büchse sichtbar, und die Kugel riß, in demselben Moment fast, einem der Männer den Hut vom Kopf.

„Alle Teufel, jetzt wird’s Ernst,“ lachte Billins, „aber ich denke, wir können ihnen da an Bord alle Hände voll zu thun geben,“ und ohne ein Wort weiter zu sagen, hob er seine eigene Waffe und feuerte auf die ihm nächste Gestalt, die eben ihre Büchse wieder lud und gerade vor den Pferden stand.

Ob die Kugel den Menschen getroffen, konnten sie nicht gleich erkennen, aber eins der Pferde bäumte hoch auf und brachte dadurch die anderen mit in Verwirrung. Sie drängten gegeneinander und fingen an auszuschlagen, das Floß schwankte und an ein ruhiges Zielen von dort her war nicht mehr zu denken.

Die Leute in den Piroguen sahen, wie ein paar von den Negern, um nicht von den Pferden getroffen zu werden, in’s Wasser sprangen und sich an dem Floß anklammerten, und das Canoe, das sich bis jetzt an dessen Seite gehalten, verschwand plötzlich dahinter, vielleicht nur um aus dem Bereich der Büchsen zu kommen. Billins ließ sich aber nicht auf Möglichkeiten ein.

„Die beiden Burschen im Canoe,“ rief er der anderen Pirogue zu, „geben Fersengeld; macht, daß Ihr dahinter herkommt. Wenn sie nicht gutwillig halten, schießt sie zusammen, ich nehme indessen das Floß.“

Die Pirogue beschrieb einen kleinen Bogen, um in Sicht der Flüchtigen zu gelangen, und die Leute legten sich aus allen Kräften in die Ruder. Billins selber war indeß dem Floß auf kaum fünfzig Schritt nahe gerückt. Die Neger suchten sich noch immer

  1. Vorlage: hineinein
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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_439.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2022)