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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

vor den Pferden zu schützen, und der eine Weiße zielte mit seiner Büchse herüber, war aber nicht im Stand sich ruhig zu halten. Billins stand in der Pirogue und lud, jetzt hatte er die Kugel aufgestoßen, schüttete Pulver auf die Pfanne und hob die Büchse wieder. Der eine Weiße lehnte auf dem Rand des Flosses; er mußte von der Kugel getroffen sein. Der Andere drückte ab, aber es war nicht möglich gewesen ordentlich zu zielen, die Kugel zischte weit ab in’s Blaue und seine Waffe auf die Balken werfend, sprang er jetzt in die rothe Fluth hinein und tauchte unter. Es war der letzte Act der Verzweiflung gewesen; als er zwanzig Schritt davon wieder, von dem langen Anhalten des Athems halb betäubt, an die Oberfläche kam, war die erste Pirogue dicht neben ihm – noch einmal tauchte er – umsonst; er konnte es nicht mehr lange unter Wasser aushalten. Als er wieder nach oben kam, schoß das Fahrzeug neben ihm hin, und der eine Neger, der vorn am Ruder saß, erfaßte ihn gerade bei den langen Haaren, als er noch einmal untertauchen wollte.

Das Floß trieb indessen mit der Strömung den Fluß hinab, denn die Neger zeigten nicht die geringste Lust es zu regieren, während das Canoe von der zweiten Pirogue verfolgt wurde. Leicht hätte es hier noch an das rechte Ufer zurückgekonnt, aber theils war die Uferbank zu schroff, theils lagen dort eine Masse eingestürzter Stämme, zwischen die es sich nicht hineinwagen durfte. Es konnte den Moderatoren nicht mehr entgehen.




Ashley war indessen auf dem schmalen Pfad, der durch den Bruch führte, rüstig vorgerückt. Er selber kannte ja auch das Terrain besser als irgend ein Anderer und wußte genau, wo sich die Verbrecher halten konnten, wenn sie überhaupt in diesem Dickicht staken. Außerdem war auf dieser Seite auch das Unterholz nicht so dicht wie dort, von woher Jenkins vordrang, und wie der Tag dämmerte, konnte er zwanzig bis fünfundzwanzig Schritt rechts und links von seinem Pfad recht gut übersehen. Plötzlich hielt er an.

„Was das nur für ein scharfer Geruch von Rauch ist!“ sagte er leise zu dem ihm folgenden Cameraden. „Sollte mich gar nicht wundern, wenn die Schufte schon in dieser Nacht durchgebrannt wären und nun die alte Shanty und das benachbarte Holz angezündet hätten, um jede Spur ihres Aufenthaltes zu verwischen.“

„Wo liegt denn die Shanty?“

„Der Platz muß gleich dort drüben sein; kaum noch dreihundert Schritt von hier, soweit ich mich erinnere.“

„Aber der Rauch kommt von dort her,“ sagte der Mann, „seht Ihr? jetzt könnt Ihr ihn sogar durch die Wipfel erkennen.“

„Alle Wetter!“ rief Ashley erschreckt, „dann hat Jenkins den trockenen Bruch angezündet, und wenn sich der Wind nur um einen Strich dreht, kommen wir in Teufels Küche.“

„Er will sie hinaus räuchern.“

„Ja, und uns mit – jetzt dürfen wir am Ende gar nicht weiter vor, bis wir nicht wenigstens wissen, wie das Feuer läuft.“

„Ach was,“ sagte der hinter ihm Gehende, „gleich rechts in die Gründornflat dringt das Feuer nicht so leicht, und so weit ist’s auch gar nicht zurück bis zu der Slew. Der Henker weiß nur, nach welcher Seite sie jetzt ausbrechen werden.“

„Dort kommt Einer!“ flüsterte Ashley, „fort mit Euch!“ und noch während er sprach, drückte er sich hinter den nächsten Stamm, während die Uebrigen entweder, wo sie standen, niederkauerten, oder sich auch hinter die nächsten Büsche duckten. Die Gestalt des Mannes kam indeß in flüchtigem Lauf, eine Büchse in der Hand, den Pfad entlang, und wie er scheu den Blick nach rechts und links warf, sah er die vor ihm liegende Gefahr nicht. Auf kaum zehn Schritte war er auch herangekommen, als Ashley, sein Gewehr im Anschlag, auf ihn einsprang.

„Steh’, Hund, oder ich schieße Dich nieder!“

Einen Angstschrei stieß der Ueberlistete aus und unwillkürlich sein eigenes Gewehr emporreißend, spannte er den Hahn, aber ehe er nur die Büchse an den Backen heben, ja nur die Mündung richten konnte, berührte Ashley’s Finger den Stecher und durch den Kopf geschossen brach er zusammen.

Jetzt aber war der alte Mann auch warm geworden. Daß die Verbrecher gewarnt sein mußten, lag hier zu deutlich auf der Hand; Billins hatte ihnen auch jedenfalls den Weg zu Wasser abgeschnitten, sonst würde es dieser da wahrlich nicht versucht haben, mitten durch seine Feinde zu entkommen. Ashley nahm sich deshalb kaum Zeit, nur wieder zu laden, und mit dem Ruf: „Drauf, Cameraden, drauf!“ stürmte er dann den Pfad entlang.

Jetzt knatterten auch dort drüben Gewehre, aber es blieben nur vereinzelte Schüsse; die umzingelten Räuber hatten sich zerstreut und es kam nur darauf an, ob sie das entzündete Feuer ihnen entgegen zwang.

Ashley schien in seiner Voraussetzung das Richtige getroffen zu haben. Der von dem Floß – das den Raub in Sicherheit bringen sollte – gefeuerte Schuß warnte die Verbrecher zuerst vor der drohenden Gefahr, die sie aber noch immer nicht so nahe glaubten. Da trieb die Strömung ihnen die beiden Piroguen in Sicht und zu gleicher Zeit mahnte sie der wachsende Qualm des Feuers, daß auch dort ein Feind auf sie lauern könne. „Rette sich, wer kann,“ war jetzt die einzige Losung, denn ihr Führer, der sich auf dem Floß mit eingeschifft, fehlte, und einzeln hofften sie auch viel leichter zu entkommen, als in geschlossenem Trupp mit überdies jetzt zusammengeschmolzener Zahl. Zwei waren auf dem Floß, zwei im Canoe, zwei nach den beiden Piroguen ausgesandt gewesen, um diese herbeizuholen; was konnten die übrigen sieben gegen eine überlegene Zahl der Ansiedler ausrichten? und in den Schilfbruch hinein stoben sie nach allen Seiten.

Der alte Jenkins hatte jedoch recht gut gewußt, sie würden dem Feuer nicht entgegenfliehen, das sie leicht in einem Dickicht und in dornigen Schlingpflanzen überraschen konnte. Deshalb suchte er auch, sobald er nur den ersten Schuß hörte, in vollem Lauf den südlichen Theil des Bruches zu gewinnen und ihnen den offenen Wald abzuschneiden. Da kroch es und prasselte es im Dickicht und vier wilde, verstörte Gestalten setzten hindurch; aber wie konnten sie vor sich sehen, wenn sie zugleich Gesicht und Augen gegen die schlagenden Schilfruthen schützen mußten? erwarteten sie doch auch hier noch keinen Feind. Da stürmte es von allen Seiten auf sie ein; sie wollten ihre Waffen gebrauchen, aber in dem Gewirr von Zweigen und Ranken war es nicht möglich; zwei flohen, der Eine rechts, der Andere links, und Kugeln pfiffen hinter ihnen her; die andern Beiden stutzten, zurück konnten sie nicht, also vorwärts; die Feinde waren ebensowenig im Stande, sicher zu zielen, wie sie selber, und wie gehetzte Bären setzten sie durch den Busch. Umsonst, wie die Meute hinter dem Bär, so sprangen die Verfolger auf sie ein.

„Netley!“ kreischte Jenkins und flog nach vorn; eine Dornenranke riß ihm die Büchse aus der Hand, er fühlte es gar nicht; ein Baumstamm lag im Weg, wie ein Hirsch setzte der alte Mann darüber hin. Der Verbrecher hörte die Schritte dicht hinter sich, er wandte den Kopf und erkannte den, den er gepeitscht – seinen schlimmsten Feind. Fliehen konnte er nicht mehr, die Füße versagten ihm den Dienst; auf dem Absatz drehte er sich um und hob sein Gewehr; Jenkins sah es gar nicht, sein Messer aus der Scheide reißend, flog er gegen ihn an, und wenn in diesem Augenblicke des Verbrechers Büchse gefeuert hätte, wäre es um den alten Mann geschehen gewesen; doch todt schlug der Hahn gegen den Pfannendeckel, ein Schilfblatt hatte sich auf der Flucht dazwischengeklemmt und den Stein gefeuchtet; im nächsten Moment lag ihm Jenkins’ Hand an der Kehle und Beide wanden sich in tödtlichem Ringkampf am Boden.

Das aber dauerte nicht lange; eine Kugel der Moderatoren hatte den Zweiten erreicht, daß er in den Wald taumelte und keinen Widerstand mehr leistete. Sip, der seinem Herrn dicht gefolgt war, sprang ihm jetzt zu Hülfe und holte schon mit seinem Beile aus, um den Schädel des Buben zu spalten, als Jenkins’ Blick ihn traf.

„Halt, Sip, lebendig!“ schrie er, und der Neger, seine Waffe von sich schleudernd, umschlang den Räuber mit den Armen und hielt ihn dort wie in einem Schraubstock, bis die übrigen Moderatoren zur Hülfe herbeikamen.

Hie und da fielen jetzt noch vereinzelte Schüsse, aber der eigentliche Kampf war beendet, und wenn sich die Männer auch, nachdem sie den Gebundenen unter Sip’s Wacht zurückgelassen, auf dem Pfade vertheilten, um noch vereinzelte Flüchtige abzufassen, kam doch keiner mehr auf dieser Seite in Sicht.

Allein der Wind drehte sich und schlug mehr vom Fluß herein, und nicht lange, so konnten sie schon den Schilfbruch brennen hören, wie die Knoten des Rohrs, wenn sie das Feuer ergriff, von der Hitze mit einem Knall, wie fast ein Pistolenschuß, zersprangen. Dies drohende Knattern kam in der That immer näher,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_440.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2022)