Seite:Die Gartenlaube (1865) 443.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

nicht so wie seinem Vorbilde gelingen wollte. Während Herr X. mehr oder minder immer die äußeren Formen eines Gentlemans bewahrte, artete Herrn von Arenstorff’s Betragen oft in unmäßige Rohheit aus. Er zerschlug in Wirthshäusern oft Fenster, Thüren und Mobilien, prügelte und tribulirte die Kellner und Mädchen, bezahlte aber schließlich Alles, denn seine Mittel erlaubten ihm das.

Bei einem mehrtägigen Bacchanal, welches im April des Jahres 1842 im Schloß zu Krümmel abgehalten wurde, geschah es, daß endlich der Champagner im Burgkeller ausging, und so wurden denn zwei Reiter in den eine halbe Meile entfernten Flecken Mirow gesandt, um dem Mangel abzuhelfen. Die Reiter jagten in rasender Carrière in Mirow ein, was einige Bürger veranlaßte ihnen solches zu verweisen. „Man könne gar füglich Champagner holen, ohne wie toll und blind durch die Straßen zu sprengen.“ Die Reiter, stolz einem Herrn, wie der ihrige, zu dienen, replicirten mit Schimpfreden und Peitschenhieben und verfügten sich dann mit dem Weine auf die Burg.

Einige Stunden später kamen sie wieder, nunmehr mit Säbeln bewaffnet, um auf’s Neue Champagner zu holen. Sie rasten wieder wie vorhin durch die Straßen, verwundeten auch einen Bürger mit ihren Säbeln, und das hatte zur Folge, daß schließlich der eine von ihnen arretirt wurde, während der andere entkam und seinem Herrn das Geschehene meldete. Dieser gerieth darüber in grimmigen Zorn, und obschon es bereits Nacht war, wurden doch sofort alle männlichen Bewohner von Ichlim, Troja und Krümmel auf den Burghof entboten und mußten sich dort mit Sensen, Mistgabeln und Säbeln bewaffnen. An ihre Spitze stellte sich der edle Ritter hoch zu Roß und bis an die Zähne bewaffnet. Mehrere kleine Kanonen, welche bis dahin nur die Kunde von hochadeligen Geburtstagen und anderen Freudenfesten in’s Land hineingeknallt hatten, wurden auf einen Wagen gesetzt, und so rückte das Heer denn wider Mirow und seine eintausendundsiebenhundert Einwohner.

Herr von Arenstorff hatte auch mehrere seiner Gäste gezwungen sich seinem Zuge anzuschließen; einem derselben, einem Justizbeamten, war es jedoch gelungen sich vorher heimlich aus dem Schlosse zu stehlen und er hatte bereits gegen eine erlegte Caution die Freilassung des Arretirten erwirkt, als der Ritter vor der Stadt anlangte. Trotzdem aber ließ derselbe nicht zum Rückzug blasen; die Geschütze wurden auf einen Hügel postirt, aber, wie es später hieß, nur blind damit geschossen, Gartenzäune wurden niedergerissen und Fenster und Thüren eingeschlagen und dann wurde das Gefängniß, das zugleich dem Polizeidiener als Wohnung diente, mit stürmender Hand genommen und noch unsäglicher anderweitiger Unfug angerichtet. Mittlerweile waren einzelne erschrockene Bürger zum Amt gelaufen, und bald bliesen die Nachtwächter Feuerlärm und die Sturmglocke rief alle Schläfer wach. Rasch kam es denn auch zu einem Gefecht zwischen den Bürgern und den Eindringlingen, und nachdem es manche blutige Köpfe gegeben, wurden die letzteren zerstreut und hinausgetrieben, auch mehrere von ihnen gefangen genommen.

Mirow liegt im Strelitzischen Gebiet, während Krümmel unter Schwerinscher Oberbotmäßigkeit steht. Es wurde nun Seitens der Strelitzer Behörden ein Proceß wider die Ruhestörer angestrengt, und die Hintersassen des Herrn von Arenstorff trafen, obschon man die ganze Sache möglichst in’s Gute zu redigiren suchte, scharfe Gefängnißstrafen bei Wasser und Brod etc., während der edle Ritter selber, nach dreijährigem Processe, zu einer viermonatlichen Festungshaft in Dömitz verdonnert wurde. Diese erstand er in der Manier, daß er im ersten Gasthofe aß, täglich in seinem Gefängniß mit zahlreichen Freunden Bacchanalien anstellte und zuweilen auf seinem Roß in die Gastzimmer des Rathskellers einritt, ja es sogar einmal daselbst auf das Billard hinauf spornte. Im Mai 1845 kehrte Herr von Arenstorff aus seiner Festungshaft zu seinen Penaten zurück. Im Freimüthigen Abendblatt, Jahrgang 1845, findet sich darüber Folgendes, was ich, da es mecklenburgische Verhältnisse ganz außerordentlich gut charakterisirt, hierhersetze.

„Aus der Umgegend von Mirow, vom 6. Mai. Nach viermonatlicher Abwesenheit kehrte Herr von Arenstorff auf Krümmel am zweiten d. M. auf seine Besitzung zurück, und der ihm bei dieser Gelegenheit bereitete Empfang war jedenfalls glänzender als seine berühmte nächtliche Expedition gegen den benachbarten Flecken Mirow, deren in öffentlichen Blättern vor Jahren Erwähnung geschah. Nicht nur die Bewohner von K., sondern auch die der benachbarten Dörfer und selbst eine große Anzahl Mirower hatten sich trotz des unfreundlichen Wetters an einer verabredeten Stelle versammelt, um den Herrn von Arenstorff zu begrüßen. Es war um neun ein halb Uhr Abends, als seine Ankunft ein freudiges Jubeln und Hurrahrufen veranlaßte, und in einem prächtigen Fackelzuge, dem ein Musikchor voranschritt, wurde er zu seinem Park geleitet, wo nach Ueberreichung eines Gedichtes bei Verbrennung der Fackeln ein voller Gesang erscholl. Der Donner aus fünf Kanonen, welcher seit vier Monaten nicht mehr gehört worden war, sagte auch den Fernwohnenden, was sich an diesem Abend in K. ereigne. Ein Transparent auf dem Gutshofe zeigte die Inschrift:

‚Willkommmen auf Deiner Burg!‘

Mit gnädigen Worten dankte Herr von Arenstorff für die ihm bereitete Ueberraschung und begab sich hierauf, von diesem Empfange sichtbar bewegt, in seine Wohnung, wo ihn ein Kreis erprobter Freunde umgab.“

Wie der edle Ritter von der Mancha starb der Herr von Arenstorff schließlich nicht auf dem Felde der Ehre, sondern ruhig in seinem Bette, ob aber über das eigentliche Wesen seiner Thaten vorher noch aufgeklärt, möchte zu bezweifeln sein.




Auch Kunstgenossen und Sangesbrüder.
Erinnerung von Heinrich Noë.

Ihr deutschen Männer und Frauen, die Ihr eben wieder in Braunschweig die Macht der Töne siegreich verkündet und Zeugniß abgelegt habt, daß Deutschland seinen Ruhm zu wahren weiß, die eigentliche Heimath des Liedes und der Musik zu sein; Ihr Sänger alle, die Ihr die Kehlen übt, den Preis zu erringen, welcher Euch in der großen Festhalle zu Dresden winkt – gewiß ist’s auch Euch nicht beschieden, das Ziel sonder Mühe und Studium, sonder Zagen und Arbeit zu gewinnen; gewiß haben Eure Directoren und Sangesmeister gar manchmal mit Bangen dreingeschaut und ungeduldig den Tactirstock geschwungen, ehe sich der Ein- und Zusammenklang einstellte, den es zu erreichen galt. Allein was bedeuten alle Euere Mühen, was ihre Sorgen gegen die Aengste und Beschwerden jenes armen Dorfcapellmeisters, den ich vor Kurzem einmal auf einer meiner Wanderungen in den Vorlanden der deutschen Alpen aufstöberte! Was hatte der alte Schul- und Chorregent zu erdulden, zu laufen, zu werben, ehe er seine Capelle zusammen hatte, und welche Gefahren und Schrecken zu bestehen, als er endlich seine Messe, den Gegenstand langer Sehnsucht, wirklich in’s Werk richten konnte! Jetzt, wo die Zeitungen so viel zu erzählen wissen von den Festen der nächsten und den Musikgenüssen der letzten Wochen, tritt mir das Bild jenes wunderlichen Concerts wieder lebhaft vor die Seele, und der Leser wolle mir gestatten, daß ich’s auch ihm zu Kurzweil und Vergleiche vor die Augen führe. – Wieder einmal auf der Wanderung mühte ich mich eines Tages auf dem knorrigen, nur zwei Hände breiten Holzpfade ab, der durch eines der Hochmoore im Norden der München-Augsburger Bahn führt. Ich fand allerlei Ausbeute; die bunten Blüthen der Polygale, des Epilobium, der Euphrasia füllten meine Botanisirbüchse, die ich kaum berühren konnte, so sehr brannte die Sonne der Hochebene auf den Firniß des Metalles. Oft blieb ich stehen, um den Schweiß von der Stirne zu trocknen; dann schaute ich jedesmal rings um. Vom Wirthshaus am dunkeln Rand trug der Wind den Knall einer Vogelflinte herüber; es mochte einem Rohrhuhn oder einer Wasserralle gegolten haben. Dann schwieg wieder die Wüste.

Ein dunkler Punkt kam mir, weil ich so häufig still stand, immer näher. Durch’s Fernglas blickend sah ich einen graubärtigen Mann mit einer Jägerjoppe auf mich hereilen. Er trug ein Gewehr, ein Hühnerhund trabte hinter ihm auf den verwitterten Prügeln;

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 443. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_443.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)