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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Heimgekehrt aus dem Exil.

Gustav Struve.

Vor wenigen Tagen erst, am 28. Juni d. J., ist vor dem Appellationsgerichte zu Jena ein politischer Proceß verhandelt worden, dessen Hauptangeklagter schon lange vor dem Sturmjahre von 1848 zu den hervorragendsten Führern der deutschen Demokratie zählte und auch in den Bewegungen und Erhebungen von 1848 und 1849 als einer der ersten Freiheitskämpfer genannt worden ist, wie er nicht minder jenseit des Oceans seine Gesinnung und seinen Muth durch thätige Parteinahme für die gute Sache bewährte, – ich meine den Badenser Gustav Struve. Die Leser der Gartenlaube werden es mir darum sicher Dank wissen, wenn ich ihnen gerade jetzt Bild und Wirken des rastlosen Agitators vorführe und damit zugleich das Andenken an eine Zeit erneuere, deren Früchte uns trotz alledem und alledem unverloren sind. –

Eine Veranlassung, die ich hier nicht näher zu erörtern brauche, führte mich nach Coburg, wo, wie ich wußte, nach seiner Rückkehr aus Amerika, sich jetzt Gustav Struve niedergelassen hatte. Ich hatte Struve noch nie gesehen, aber es war lange mein sehnlichster Wunsch gewesen, den berühmten Freiheitskämpfer persönlich kennen zu lernen. Der erste Morgen nach meiner Ankunft in Coburg fand mich darum in einer freundlichen Gartenwohnung vor der Thür Gustav Struve’s. Eine Stimme von etwas heller Klangfarbe rief auf mein Klopfen „Herein!“ Ich trat ein. Vor mir stand ein Mann von blühender Gesundheit und voller Kraft, dem ich, wenn das weiße Haupthaar und der weiße kurzgeschnittene Bart mich nicht eines Andern belehrt hätten, höchstens fünfundvierzig bis fünfzig Jahre gegeben hätte. Seine Bewegungen waren elastisch, seine feinen und intelligenten Gesichtszüge, auf denen sich Wohlwollen und Herzensgüte mit Verstand und einem gewissen vornehmen Ausdruck verschmelzen, von der Frische der Gesundheit geröthet, milde und heiter blickten mich braune Augen an und eine kräftige Hand drückte die meinige zum Willkommen. Es war in der That Gustav Struve, der bekannte deutsche Agitator und Geschichtsschreiber, vor dem ich stand.

Seit jenem Tage ist Gustav Struve mir ein lieber Freund geworden, und ich rechne mir seine Freundschaft zum Ruhme meines Lebens an. Und wer sollte ihn nicht lieben, der ihn kennt und die republikanischen Tugenden, Reinheit der politischen Bestrebungen, ein makelloses Leben, eine enthusiastische Seele, glänzende Talente, einen hohen Verstand, eine gediegene Bildung, eine glühende Vaterlandsliebe, ein opfermuthiges Herz und wahre Humanität zu schätzen weiß?

Struve ist einer der ausdauerndsten und tapfersten Streiter für die gute Sache. Er ist kein Mann der Phrase, er hat vielmehr durch ein langes, vielbewegtes Leben hindurch mit eiserner Consequenz seinen Wahlspruch bewährt: „Wort und That Hand in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_453.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2017)