Seite:Die Gartenlaube (1865) 464.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Blätter und Blüthen.

Gemüthliche Wartburgfahrt. Wenn man sich erinnert, auf welche Weise politische Verbrecher auf ihrem Transporte nach dem Gefängniß und in demselben jetzt gewöhnlich behandelt werden, so wird Manchem nicht uninteressant sein, zu vernehmen, mit welcher Gemächlichkeit im Anfange dieses Jahrhunderts beim Transport eines Gefangenen im Großherzogthum Weimar verfahren wurde, obgleich derselbe, wenn auch kein gemeiner Verbrecher, doch zu schwerer Strafe verurtheilt war. Der Hergang ist der Wahrheit getreu erzählt und ich lasse den damals Verurtheilten selbst reden.

Im Jahre 18– studirte ich in Jena und wurde in eine Pistolen-Duellgeschichte verwickelt, die leider zu einer gerichtlichen Untersuchung führte und mir eine zweijährige Gefängnißstrafe zuzog. Zur Abbüßung derselben sollte ich nach der Wartburg transportirt werden. Eisenbahnen gab es damals noch nicht und meine Uebersiedelung geschah auf meine Kosten in einem bequemen Wagen. Am Tage vor der Abfahrt wurde mir ein Unbekannter in meine Zelle geführt, der mich fragte, ob ich wohl erlauben wollte, daß er morgen mitführe. Er müsse nach Eisenach und habe gehört, ich führe morgen nach der Wartburg und hätte noch Platz im Wagen. Ich sagte ihm, daß ich darüber wohl nichts zu bestimmen haben könnte, da ich als Gefangener nach der Wartburg transportirt würde, sonst aber recht gern Gesellschaft haben möchte, weil die Reise lang genug wäre; er solle sich doch an den Unterofficier wenden, dem ich zum Transport überwiesen sei. Ja, meinte er, gerade der habe ihm davon gesagt und habe nichts dagegen, sobald ich einwilligte.

„So fahren Sie getrost mit,“ sagte ich, „morgen früh um drei Uhr geht’s fort.“

Zur gedachten Stunde traf der Herr auch pünktlich ein und mit ihm mein Unterofficier, ein recht gemüthlich aussehender, dicker Kerl. Er grüßte mich freundlich und sagte, indem er auf sein vollständig ausgerüstetes Gewehr zeigte und seinen Mund lächelnd bis an die Ohren zog: „Is nich geladen.“

Ich lachte, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: „Brauchen’s auch nicht.“

Wir gingen nun hinunter. Der Regen floß in Strömen. Ich mußte zuerst in die Kutsche, hierauf kam der blinde Passagier und dann schlug der Unterofficier den Wagen zu und wollte sich auf den Bock setzen.

„Um Himmelswillen, kommen Sie doch bei dem scheußlichen Wetter mit in den Wagen!“ rief ich.

„Nun, wenn Sie’s erlauben. Aber – es geht doch nicht, ich bringe mein Gewehr nicht in den Wagen hinein.“

„Dann lassen Sie es doch draußen!“

„Ja, das darf ich nicht. Aber – das Wetter ist doch gar zu schlecht. Sie werden mir nicht weglaufen, ich will es riskiren.“

So wurde das Gewehr dem Kutscher übergeben und mein Unterofficier setzte sich zu uns in den Wagen. Unterwegs wurde hie und da ein Bischen gekneipt, bis wir gegen Mittag nach Erfurt kamen. Dort wohnte ein Onkel von mir und zu ihm zog ich in Begleitung meiner Militärbedeckung und unseres Gefährten. Wir wurden mit Freuden aufgenommen, brillant bewirthet und bestiegen vollgestopft und vollgetrunken in sehr heiterer Stimmung wieder unsern Wagen. Gegen Abend kamen wir nach Eisenach und vermehrten dort unsere Heiterkeit noch durch einige Seidel, bevor wir den Weg auf die Burg antraten, den wir zu Fuß abmachten, weil unser Kutscher aus Schonung für seine Pferde uns gebeten hatte, ihm die Strecke auf die Höhe zu erlassen. Das Wetter war schon gegen Mittag schön geworden. Unser Gefährte blieb in Eisenach zurück.

Als wir ungefähr zehn Minuten gegangen waren, schrie der Unterofficier plötzlich:

„Alle Donnerwetter! ich habe mein Gewehr und meine Handschuhe unten gelassen.“

„Was schadet denn das?“ sagte ich. „Sie haben, dächt’ ich, doch nun zur Genüge gesehen, daß Sie es nicht brauchen.“

„Um Himmelswillen, das geht nicht!“ rief er, „wie soll ich mich oben präsentiren mit einem Gefangenen ohne Gewehr und ohne Handschuhe? Das wäre eine schöne Geschichte! Nein, nein, es geht durchaus nicht.“

„Nun, so laufen Sie zurück und holen Sie die Sachen!“

„Und soll Sie hier allein lassen? Das ist doch fast zu arg!“

„Dummes Zeug! laufen Sie schnell zurück; ich gehe langsam weiter, und Sie werden mich bald wieder eingeholt haben.“

Der Unterofficier schüttelte zwar den Kopf, trabte aber davon. Ich war beinahe bis an die Burg gelangt, als er keuchend und schweißtriefend wieder ankam. Nun ging’s in die Burg hinein und zum Castellan. Der war nicht da, aber seine Frau.

„Ach, schönen guten Abend! Die Herren wünschen wohl die Burg zu sehen. Mein Mann kommt gleich.“

„Um Vergebung,“ sagte ich, „ich denke, ich werde wohl noch Zeit genug haben die Burg zu sehen. Ich bin als Gefangener hier.“

„Als Gefangener? Davon wissen wir ja gar nichts. Sie können heute nicht hier bleiben; wir – nun, da kommt mein Mann.“

Jetzt trat der Unterofficier auf den Castellan zu und meldete militärmäßig mich als Gefangenen an.

„Einen Gefangenen!“ sagte dieser. „Davon wissen wir hier nichts. (Später stellte es sich nämlich heraus, daß aus Versehen die gerichtliche Benachrichtigung nicht angelangt war.) Es ist nichts vorbereitet und der Gefangene kann nicht hier bleiben.“

„Ja, was sollen wir da machen?“ sagte der Unterofficier.

„Machen Sie was Sie wollen; hier bleiben kann er heute Nacht nicht. Gehen Sie mit ihm zum Herrn Director, der ist jetzt unten in Eisenach in seiner Wohnung, und hören Sie was der sagt.“

Es blieb uns nichts Anderes übrig; wir stiegen wieder hinab und gingen zum Burgdirector in Eisenach. Der wußte auch von nichts. Uebrigens hatte ich aber an ihn eine Empfehlung von einem meiner Verwandten.

„Ich freue mich sehr Ihre Bekanntschaft zu machen,“ sagte er. „Es muß ein Versehen sein, daß wir gar keine Nachricht bekommen haben. Hm! Was machen wir nur? Ich würde Sie sehr gern bei mir im Hause beherbergen, aber ich habe die Räumlichkeit nicht dazu. Wissen Sie was! Gehen Sie doch für eine Nacht in den ‚Mohren’; das ist ein sehr guter Gasthof, und morgen begeben wir uns dann zusammen auf die Wartburg. Sie geben mir natürlich Ihr Ehrenwort, daß Sie nicht durchbrennen.“

Das gab ich und ging in den „Mohren“, wo sich der Unterofficier bei mir verabschiedete. Andern Tages ging ich mit dem Director auf die Burg und wurde als Gefangener installirt, d. h. ich erhielt ein sehr gutes Zimmer und ausgezeichnete Kost, die ich mir gegen Bezahlung nach Belieben bestellte.

„Wenn Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß Sie keinen Fluchtversuch machen wollen,“ sagte mir am Nachmittag der Castellan, „so könnten wir hier oft zusammen auf die Jagd gehen; es hat hier einen schönen Wildstand.“

So jagte ich, aß und trank vortrefflich und lebte so angenehm, daß es mir beinahe leid that, als ich erfuhr, daß meine Haft im Wege der Gnade von zwei Jahren auf vier Wochen herabgesetzt worden war.



Der sechste deutsche Feuerwehrtag zu Leipzig. Die freiwilligen Feuerwehren Deutschlands, diese schönste Blüthe des deutschen Turnwesens, werden, zum ersten Male in solcher Weise, mit den bezahlten stehenden Corps in Verbindung, im August d. J. in Leipzig zusammenkommen zum sechsten allgemeinen deutschen Feuerwehrtag. Sie finden sich zusammen, um über ihre ernste Sache zu berathen, die namentlich in letzter Zeit vielfach verbesserten Lösch- und Rettungsgeräthe zu erproben und im geselligen Verkehr mit gleichgesinnten Strebensgenossen aus allen Gauen des gesammten Vaterlandes neuen Muth und frische Kraft zu sammeln für jene Stunden, wo man ihrer so nöthig bedarf. Aus der uns vorliegenden officiellen Einladung des Local-Comités entnehmen wir im Nachstehenden zu Nutz und Frommen unserer Leser, unter denen sich auch wohl gar mancher Feuerwehrmann befinden mag, die hauptsächlichsten Punkte.

Die Versammlung findet statt vom 19. bis 22. August und sind Anmeldungen zu derselben, möglichst durch die Commandos gemeinschaftlich für alle sich Betheiligenden der betreffenden Corps, unter Einsendung des geringen Beitrages von einem Drittel Thaler pro Mann bis spätestens den 20. Juli zu bewirken, worauf die als Legitimation dienenden Karten zugefertigt werden. Diese Karte ist erforderlich den möglicherweise Fahrpreisermäßigung bewilligenden Eisenbahn-Verwaltungen gegenüber und gewährt freien Zutritt zur Hauptversammlung, zu den Festlichkeiten und zum Besuche der während der Versammlung ununterbrochen geöffneten Ausstellung von Feuer-, Lösch- und Rettungsgeräthen und Wasserleitungs-Utensilien. – Das Programm für den sechsten deutschen Feuerwehrtag, den ersten, der überhaupt in Norddeutschland abgehalten wird, ist in Kürze: Den 19. August Abends acht Uhr Empfang der Gäste im Schützenhause; den 20., früh ein halb elf Uhr Feuerwehrtag (Berathungen) im Schützenhause, nach dessen Beendigung Concert am gleichen Orte. Der Vormittag des 21. August ist den Gästen zur freien Verfügung, zur Besichtigung der Sehenswürdigkeiten Leipzigs und dergleichen überlassen, Nachmittags findet Manöver der Leipziger Feuerwehr, Abends acht Uhr Commers im Schützenhause statt. Vom letzten Tag, dem 22., wird der Vormittag durch specielle Besichtigung und Prüfung ausgestellter Feuerwehrrequisiten, der Nachmittag durch gemeinschaftlichen Ausflug mit Dampfboot nach dem Forsthause zum Kuhthurm ausgefüllt.

Möge dem Rufe des Local-Comités recht zahlreiche Theilnahme folgen! An hinlänglich anregendem Stoff wird es der Versammlung nicht fehlen, wie andererseits die Feuerwehrmänner einer freundlichen Aufnahme seitens des Leipziger Publicums versichert sein können, das, wenn in letzter Zeit auch öfters in Anspruch genommen, den Männern nicht ungastlich begegnen wird, die neben ihren Berufsgeschäften noch Zeit und Kraft zu erübrigen wissen für die Erhaltung von Leben und Eigenthum ihrer Mitbürger.

St.


Dank nach Südamerika und Asien (Philippinen). Herrn Justo H. Geiße in Osorno (Provinz Valdivia, Süd-Chile) und Herrn Labhart-Lutz[WS 1] in Manila sendet der Unterzeichnete hierdurch seinen herzlichsten Dank, nicht nur für die richtig empfangenen Zuneigungsgaben, sondern ganz besonders auch für die schriftliche Anerkennung seines Strebens, der Menschheit in Bezug auf ihre Gesundheit nützlich zu sein, welche sie jenen Gaben beifügten. Mit großer Freude erfüllt mich diese Anerkennung, weil sie mir die Befriedigung giebt, daß sich nicht blos in der nächsten Nähe, sondern auch in weiter Ferne die naturgemäße Gesundheits- und Krankheits-Behandlung Bahn bricht. Freilich werden noch manche Jahrzehnte vergehen, ehe die abergläubische Menschheit sich von der allopathischen Arzneimittelsucht und dem unsinnigen Hocuspocus mit homöopathischen Nichtsen, trockner Semmel, sympathetischen Curen und dergleichen trennen und den Naturheilungsprocessen vertrauen wird.

Bock.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann Conrad Labhart-Lutz (1825–1887). Vorlage: Lathart-Lutz
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_464.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2017)