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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

nur an Daguerre und Morse; – die Photographie und der elektrische Draht sind durch Frankreich Allgemeingut der Erde geworden.

Wie gering zeigt sich dagegen bei uns die Einsicht in die Wichtigkeit großer Erfindungen für den geistigen wie für den materiellen Fortschritt! Und hierin sündigen die Fachleute erfahrungsmäßig so stark, wie unsere Regierungen, welche solche Erfindungen der beliebigen Behandlung der betreffenden Fachleute überlassen, und ebenso sehr das Volk, das Beiden theilnahmlos zusieht. Nimmt man die Menschen, wie sie sind, nicht, wie man sie sich wünscht, so erkennt man, daß die große Mehrheit der Fachleute Das, was sie gelernt und erprobt, viel zu lieb haben und daß sie viel zu stolz darauf sind, um einer Erfindung, die einen völligen Umsturz des Alten droht, leicht zugänglich zu sein. Nicht die ehemaligen Krieger von Geburt und Stand, nicht die Ritter, sondern die Bürger führten das Schießpulver ein, – und nicht die fortschreitende Cultur, sondern das Pulver brach die Burgen der Feudalherren. – Nicht die Mönche, die einstigen Schreiber der Bücher und Bewahrer und Verbreiter handschriftlicher Weisheit, führten die Buchdruckerkunst ein, sondern die Bürger, und nicht die sogenannte Morgenröthe der Wissenschaften und Künste, sondern diese Erfindung führte das Licht einer neuen Zeit herauf. – Nicht die Herren des alten Verkehrs, die Fuhrleute, bauten die ersten Eisenbahnen, sondern sie waren die erbittertsten Feinde derselben, und das Volk war es, das dem Dampfroß auf den Eisenschienen entgegenjubelte, – und ebenso ist es nicht zu verwundern, daß, mit sehr ehrenwerthen Ausnahmen, gerade unter den Seekriegsleuten sich die entschiedensten Gegner der Bauer’schen Erfindung der unterseeischen Schifffahrt hervorthun. Aber eben darum ist es wiederum Pflicht des Volkes, wie einst die Ritter, die Mönche, die Fuhrleute, jetzt die Seeleute zur Anerkennung der neuen Stufe der Cultur zu zwingen, auf welche Bauer’s Erfindungen hinaufführen.

Erst in jüngster Zeit hat endlich eine deutsche Stimme von gutem Klang auch im Namen der Naturwissenschaft ein Wort für Bauer’s Submarine gesprochen. „Die Naturwissenschaft,“ sagt Roßmäßler, „ist in hohem Grade bei der Ausführung der Bauer’schen Erfindungen, wenigstens zunächst seiner Taucherkammer (vergl. Gartenlaube 1862, Nr. 21) betheiligt, denn nur sie ermöglicht dem Forscher einen Besuch in Neptuns Gärten und Menagerien. Was wir jetzt von den Bewohnern des Meeres wissen, ist nicht viel mehr, als was uns das Gerathewohl zuwarf. Wir kennen sie mit wenigen Ausnahmen nur losgelöst von ihrer Heimstätte; wie es unten auf dein Meeresgrunde knebelt und krabbelt, wie es huscht und dahinschießt oder in ewiger beschaulicher Regungslosigkeit ein zwischen Thier und Pflanze schwankendes Leben träumt – davon wissen wir kaum mehr als nichts. Wie gewaltig, wie räthselhaft schön muß es sein, wenn man in fünfhundert Fuß Meerestiefe, worauf Bauer’s Taucherkammer berechnet ist, in grünem Dämmerlicht hinausblickt in nie gesehene Thier- und Pflanzengärten! Der sprüchwörtlich gewordene Zauber der Tropenwälder des Festlandes ermangelt in dem Wissenskreise der Menschen seines Gegenstückes unter dem Wasser. Und doch sagen uns schon die armseligen Bruchstücke, welche uns Taucher und das Schleppnetz herausbrachten, welch eine Fülle von Pracht und Neuheit dort unten des Besuches der Forscher harre. Wohlan, Wilhelm Bauer will der Vermittler sein. Wo sind die kühnen Besucher? O! die wären schon da; aber wo ist die Größe der Auffassung, die mit voller Hand sich zwischen Beide stellt?“ – –

Ist auch dieser fragende Schluß fast trostlos, so darf doch dies uns nicht beirren, unsere Hoffnung abermals auf das zu setzen, was schon einmal geholfen hat: die deutsche Bürgertüchtigkeit. In ihr concentrirt sich, was in Deutschland in nationaler Kraft werkthätig ist. Das deutsche Bürgerthum wird jetzt um so energischer für Wilhelm Bauer, für die Ehre der deutschen Erfindung der Submarine und für die erste Ausführung derselben in und für Deutschland eintreten, sie wird um so opferfreudiger dazu beisteuern, je größer und mächtiger der Rivale ist, der gerade für das äußerste und glänzendste Ziel aller submarinen Erfindungen Bauer’s plötzlich mit dem Anspruch auf Erfinderebenbürtigkeit neben ihm steht: Napoleon III., der Franzosen-Kaiser!

Einige Worte zum Verständniß. Wie ich in der Gartenlaube schon mehrfach angedeutet, ist nicht die Verwendung im Krieg der Hauptzweck der unterseeischen Schifffahrt. Der Brandtaucher wie der Küstenbrander sollten nur, wie einst die Heerwege zu den Landstraßen des friedlichen Verkehrs, zum unterseeischen Dienst für eine Industrie führen, von deren möglicher Großartigkeit wir jetzt so wenig ein klares Bild haben können, als der Naturforscher von den Wundern des Meers, durch welche einst die erschlossene Tiefe des Menschen Auge entzücken wird. Das Nächste waren die zukünftigen Arbeiten der Taucherkammer: das Heben untergegangener Schiffe und Güter, Perlen- und Korallenfischerei, Bauten unter Wasser, sturmfreie Fahrten für Reisende, Naturforschung etec.; die höchste Aufgabe der Submarine, die wir bis jetzt als solche unseren deutschen Landsleuten kaum hinzustellen wagten, aus Besorgniß, Bauer dadurch in den Verdacht eines phantastischen Projectenmachers zu bringen, war für ihn jedoch die unterseeische Kabellegung, verbunden mit sturmsicheren Stationen auf dem Meere und ausgerüstet mit unterseeischen Controleschiffen zur Besichtigung der schwebenden Kabel und der Stationen zur Sturmzeit. Für diesen Theil seiner Erfindungen nahm Wilhelm Bauer schon 1860 ein englisches Patent.

In demselben thut derselbe mit überzeugenden Gründen dar, daß jedes Bemühen, ein Kabel auf denn Meeresboden durch den Ocean zu legen, ein vergebliches sein werde, daß unterseeische vulcanische Eruptionen und in großen Tiefen der ungeheuere Druck der Wassersäule, Verstrickung des Kabel in unterseeischen Felsenmassen, Wäldern und Korallenlabyrinthen und selbst vielleicht große uns noch unbekannte Thiere des Meeres als ewige Feinde das gegen sie nur allzu schwache Menschenwerk bedrohen; nur das an Ballons in der Region des ewig ruhigen Meeres schwebende Kabel werde als ein menschenmögliches Unternehmen von möglichster Sicherheit anerkannt werden.

Da durchläuft plötzlich die Zeitungen folgende Nachricht: „Ein schwimmender unterseeischer Telegraphen-Apparat. Herr Armand, der berühmte Schiffsbauer zu Bordeaux, hat ein neues unterseeisches Telegraphen-Kabel vollendet; die Erfindung soll dem Kaiser Napoleon angehören. Dies Kabel soll nicht auf den Boden des Meeres gelegt werden, wo der felsige Boden es häufig verdirbt und zerstört, sondern es soll in eine Tiefe von 30 bis 40 Meter, wo das Meer selbst bei heftigen Stürmen ruhig bleibt, schwimmend erhalten werden. Es wird berichtet, daß Amerika und England bereits mit Herrn Armand wegen Anwendung dieser neuen Erfindung unterhandeln.“ – Was sagen nun unsere Leser, die der Bauer’schen Sache bisher ihre Aufmerksamkeit und Theilnahme geschenkt haben? Der deutsche Bauer geht mit deutscher Gründlichkeit Schritt vor Schritt auf seiner Erfinder-Dornenbahn vorwärts, und nur Wenige begreifen ihn, die Spitze seines Strebens wird als Träumerei verlacht – der französische Kaiser greift’s gleich bei dieser Spitze an – und siegt! –

Die Errichtung und Erhaltung einer unterseeisch-schwebenden Kabel-Linie ist auf die Dauer nicht möglich ohne unterseeische Schifffahrt, und Kaiser Napoleon wird sehr bald gezwungen sein, rückwärts nach derselben zu greifen. Das ist sonnenklar vorauszusehen, und eben deshalb gilt es jetzt, wenigstens die Ehre der ersten Ausführung der Taucherkammer, des industriellen Triumphs der Submarine, für Bauer und damit für Deutschland zu retten! Ermanne sich endlich das deutsche Bürgerthum zu Gaben und Opfern, die, bei den Millionen, welche Geber sein können, die Einzelnen nicht drücken und zum Besten des Ganzen etwas so Großes ausrichten. Möge kein großes Nationalfest gefeiert werden, ohne daß dabei dieser deutschen Ehrenpflicht Genüge gethan werde, mögen Schützen, Sänger, Burschenschafter, möge endlich auch der Nationalverein an diese Nationalschuld denken; es ist die höchste Zeit, daß Deutschland sich aufrafft, um nicht die größte aller neuesten Erfindungen seinem Schooße entreißen zu lassen, abermals zu seinem unberechenbaren Nachtheil und diesmal zu seiner – bei den fast unendlichen nationalen Festlichkeiten, Reden und Resolutionen – ganz besonderen Schande.[1]

Friedrich Hofmann.
  1. Zur Bildung von Comité’s in möglichst vielen deutschen Städten ist schon mehrfach aufgefordert. Gaben sind an den Cassirer des „Comité für Bauers unterseeische Schifffahrt“, Herrn Banquier Maxim. Epstein (Firma: S. Fränkel sen.) in Leipzig zu adressiren, da es Herrn Ernst Keil bei seinen vielen Geschäften an Zeit gebricht, sich wieder der Sammlung zu unterziehen. Die Generalquittungen werden in der Gartenlaube veröffentlicht. Ein illustrirter Artikel über Bauers unterseeisches Kabel erscheint in nächster Zeit.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_479.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)