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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Der Nachmittag war kaum gekommen, als sich schon Frater Peregrin, zu schwach, um allein zu gehen, in sein Atelier hinabführen ließ. Er hatte dort mehrere Stunden verbracht; es war schon fünf bis sechs Uhr geworden, und da er noch immer nicht zurückgekehrt war, ging der Guardian hinab, um nach ihm zu sehen. Langsam lüftete er den Leinwandvorhang, der die Kapelle von der Kirche abschloß. Frater Peregrin saß auf dem Gerüste, auf seinem Stuhle weit zurüchgelehnt, den Kopf tief auf eine Seite geneigt, ein Farbentöpfchen in der Linken am Henkel festhaltend, während die Rechte hinunterhing und den Pinsel hatte fallen lassen.

Der Guardian, erschrocken, rief ihn laut beim Namen. Ihm antwortete aber nur der Schall der Kirchenwände. Der Maler war entschlafen und schon fast kalt. Das Geschick hatte ihn keinen Pinselstrich mehr thun lassen, sondern, allem Anschein nach, nur noch die Zeit vergönnt, auf sein Werk und das am Thränensee gefangene Mädchen den letzten Blick zu werfen. Die Aufregung war in der Burgsau nicht gering, als es plötzlich hieß, daß Frater Peregrin, der das Wandgemälde vollendet hatte, der verschollene Veit gewesen war.





Ein Heldenweib in der Unions-Armee.

II.

Fanatismus und Bosheit der Frauen in den Rebellennstaaten. – Die gezüchtigte und bekehrte Rebellin, zuletzt Krankenpflegerin in den Hospitälern der Föderirten. – Emma Edmonds als Spion und – Neger.

Wir folgen Emma Edmonds, deren getreues Portrait unsere Abbildung zeigt, in ihrem „Kranken und Spionen Dienst für die Unions-Armee“ weiter, indem wir einzelne hervorragende Scenen ihrer Erlebnisse in dem großen Kriege aus ihrem Werke herausheben.

Die Potomac Armee wurde eingeschifft und 100'000 Mann stark nach Fort Monroe transportirt, von wo sie später nach Yorktown marschirte. Von dem Lager bei Yorktown aus wurde Emma Edmonds oft ausgeschickt, um Vorräthe für die Hospitäler, namentlich Butter, Eier, Milch, Hühner etc. herbeizuschaffen. Auf diesen Wanderungen erlebte sie manches interessante Abenteuer, unter andern eines, das den Fanatismus, die Boshaftigkeit und Wuth der weiblichen Rebellen kennzeichnet.

„Eines Morgens,“ erzählt unsere Heldin, „brach ich ganz allein nach einem vereinzelten Landhause auf, welches drei Meilen von der Hamptoner Landstraße entfernt lag und wohin ich fünf Meilen weit zu reiten hatte; dasselbe war, wie das Gerücht ging, mit allen Gegenständen, die ich suchte, reichlich versehen. Ich galoppirte rasch voran, bis ich an ein Thor kam, das einen stracks nach dem Hause führenden Baumgaug schloß. Ich ritt bis zu dem im altmodischen virginischen Geschmacke errichteten Gebäude, band mein Pferd an einen Pfosten unweit der Thür und zog die Klingel. Eine hohe stattliche Dame erschien und lud mich mit scheinbar großer Höflichkeit zum Eintreten ein. Sie war in tiefe Trauer gekleidet, was zu ihrem bleichen, kummervollen Gesichte sehr wohl stand. Sie schien etwa dreißig Jahre alt zu sein, hatte ein sehr einnehmendes Aeußere und gehörte augenscheinlich zu einem der geheimen südlichen Frauenvereine. Sobald ich mich gesetzt hatte, fragte sie: ,Welchen glücklichen Umständen soll ich das Vergnügen dieses unerwarteten Besuches zuschreiben?’ Ich erklärte ihr mit wenigen Worten die Beschaffenheit meines Geschäftes. Diese Kunde schien ihre bleichen Gesichtszüge noch mehr zu umwölken, was sie trotz ihrer Bemühungen nicht zu verbergen vermochte. Sie schien aufgeregt zu sein und ein gewisses Etwas in ihrem Benehmen erregte meinen Verdacht, trotz ihrer einschmeichelnden Manieren und ihres feinen Anstandes.

Sie lud mich in ein anderes Zimmer ein, während sie die Gegenstände, die sie mir zukommen lassen wollte, zurecht legen würde, aber ich lehnte dieses ab mit der Entschuldigung, daß ich vorzöge, da zu sitzen, wo ich sehen könnte, ob mein Pferd ruhig bliebe. Ich beobachtete genau alle ihre Bewegungen und wagte nicht, meine Augen einen Augenblick zur Seite zu wenden. Sie ging in ihrer würdevollen Haltung eine Zeit lang umher, ohne indeß zur Beschleunigung meines Geschäftes viel auszurichten, und sie versuchte augenscheinlich, mich zu irgend einem Zwecke aufzuhalten. Sann sie etwa über die beste Art eines Angriffes auf mich nach, oder erwartete sie die Ankunft Jemandes und wollte mich bis dahin zurückhalten? Derartige Gedanken fuhren mir in rascher Aufeinanderfolge durch den Sinn.

Endlich stand ich plötzlich auf und fragte sie, ob die Sachen bereit seien. Sie antwortete mir mit einem verstellten Lächeln der Ueberraschung: ,Ach, ich wußte nicht, daß Sie so große Eile hatten, ich wartete, bis die Jungen kommen und einige Hühner für Sie fangen würden? ,Und bitte, Madame, wo sind die Jungen?’ fragte ich. ,O, nicht weit von hier,'war ihre Antwort. ,Gut, ich habe mich entschlossen, nicht zu warten; halten Sie mich gefälligst nicht länger auf,’ sprach ich und ging auf die Thür zu. Sie begann Butter und Eier in ein Körbchen, das ich mitgebracht halte, zusammenzupacken, während ein anderer leerer Korb neben ihr stand. Ich sah sie an; sie zitterte heftig und war todtenbleich. Bald nachher reichte sie mir das Körbchen, und ich hielt ihr einen .Greenback’ als Zahlung hin. ,O, auf Zahlung kommt es nicht an,’ sagte sie und nahm das Geld nicht an. Ich dankte ihr und trat aus dem Hause.

Einige Augenblicke später kam sie an die Thür, aber sie erbot sich nicht, mir beizustehen oder den Korb zu halten oder irgend Etwas sonst zu thun, sondern stand da und warf mir die boshaftesten Blicke zu, wie es mir vorkam. Ich stellte den Korb oben auf den Pfosten, an welchen mein Pferd angebunden war, setzte mich in den Sattel und nahm darauf den Korb in die Hand.

Ich wünschte ihr guten Morgen, dankte ihr nochmals für ihre Güte und ritt fort.

Kaum war ich eine Ruthe entfernt, als sie ein Pistol nach mir abschoß; als ob ich eine solche Bewegung geahnt, hatte ich mich bis hinter den Hals meines Pferdes hinabgebeugt, und die Kugel fuhr mir über den Kopf hinaus. In einem Nu wandte ich mein Pferd um und ergriff mein Drehpistol. Sie feuerte gerade zum zweiten Male, war aber dabei so aufgeregt, daß die Kugel vom Ziele weit abflog. Ich hielt meinen Siebenläufer in der Hand und besann mich, wohin ich zielen sollte. Ich wünschte nicht die Elende zu tödten, aber ich beabsichtigte, sie zu verwunden.

Als sie sah, daß ich ebensalls dieses Spiel mitmachen konnte, da ließ sie ihre Waffe fallen und erhob flehend die Hände. Ich zielte genau nach einer ihrer Hände und schickte eine Kugel mitten durch die linke Hand. Sie fiel augenblicklich mit einem lauten Schrei zu Boden. Ich stieg vom Pferde, hob das neben ihr liegende Pistol auf und steckte es in meinen Gürtel. Darauf nahm ich die edle Dame in folgender Weise in Obhut: ich ergriff meinen Halfterriemen und band denselben um ihr rechtes Handgelenk so fest, daß es sie schmerzte; alsdann stieg ich wieder zu Pferde, ritt fort und brachte die Dame dadurch zur Besinnung, daß ich sie an dem Handgelenk zwei bis drei Ruthen auf dem Boden nachschleifte.

Ich hielt an, und sie sprang auf und flehte mich mit wildem Jammergeschrei an, sie loszulassen, statt dessen richtete ich jedoch mein Drehpistol auf sie und sagte ihr, wenn sie noch ein Wort oder einen Schrei von sich gebe, so sei sie ein Kind des Todes.

Auf diese Weise gelang es mir, sie von der Herbeilockung eines Rebellen abzuhalten, so daß ich ungestört meinen Weg nach Mac Clellan’s Hauptquartier fortsetzte.

Nachdem wir etwa anderthalb Meilen zurückgelegt hatten, sagte ich ihr, sie möge reiten, wenn sie dies wünsche; denn ich sah, daß sie durch Blutverlust schwach wurde. Mit Freuden nahm sie mein Anerbieten an, und ich verband ihre Hand mit meinem Taschentuche, gab ihr meinen Shawl, um damit ihren Kopf zu bedecken, und half ihr in den Sattel. Ich ging zu Fuße nebenher und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 486. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_486.jpg&oldid=- (Version vom 4.9.2022)