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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

zu jenen seltenen Constructionen, die reif und fertig im ersten Entwurfe aus dem Stifte ihres Erfinders hervorgehen. Alle späteren Verbesserungen haben nichts thun können, als ihr Nebenwerk abzuändern, zu dem Principe der Wilson’schen Vorrichtung ist man immer wieder zurückgekehrt.

Es würde zu weit führen, wenn wir hier den Versuch machen wollten, eine Idee vom Functioniren seines bewundernswürdigen Apparates zu geben. Genug, die Regulirung der Bewegung des Hammers wurde von dieser selbst hergeleitet. Der gewaltige Hammerblock berührt, auf- und absteigend, leicht bewegliche, verhältnißmäßig zarte, mechanische Organe, vorübergleitend, kaum streifend, öffnet durch diese leicht verschiebliche Ventile und erschließt so selbst den ihn auf- und abtreibenden, gewaltigen Dampfkräften den Weg zur Wirkung. Die Vorrichtung überließ dem Menschen gleichsam nur das Denken für den Hammer. Die Idee Wilson’s frappirte des Erfinders Genossen mit der vollen Kraft ihrer Evidenz. Der ganze rastlose Eifer, der auf das Produciren des Gedankens gewandt worden war, lenkte sich jetzt auf die Ausführung. Aus Hand in Hand arbeiteten sich Zeichner, Gießer. Schmiede, Dreher, Hobler, Monteure zu, und acht Tage nach Mittheilung von Wilson’s Skizze stand Crawdon, einer der Theilhaber an dem Werke zu Patricroft, der früher selbst Schmied gewesen war, an einem fertigen, mit vollständiger automatischer Steuerung ausgerüsteten, dreihundert Pfund schweren Hammer und ließ ihn lustig, dem Drucke seines Fingers gehorchend, dreihundert Mal in der Minute auf das sprühende Eisen energisch schlagen oder in der Luft auf- und abschnellen, oder auf halbem Wege umkehren, oder eben das Schmiedestück nur berühren und dann wieder aufhüpfen, kurz, er spielte vor den Augen der Techniker von Patricroft mit dem Blocke des Eisenhammers, wie ein geschickter Jongleur mit Eiern oder Aepfeln spielt. Die Wilson’sche „automatische Steuerung“ war auf den ersten Wurf gelungen! Thomas Crawdon sagt selbst von ihr: „Die Erfindung hatte keine Kindheit; sie trat mit voller Wirkungskraft in’s Leben, wie ein Product jahrelanger Studien und Erfahrungen.“

Wie erzählt, waren die Eigenthümer des Low Moor-Eisenwerkes im März 1843 enttäuscht aus Nasmyth’s Schmiede geschieden. Schon am 18. August desselben Jahres mußten sie die damals „mit Bedauern wieder mitgenommenen Banknoten“ nach Patricroft für „einen Dampfhammer mächtigster und vollkommenster Leistung“ einsenden, mit dessen Lieferung der berühmte Besitzer jenes Werkes sein fünf Monate vorher gesprochenes, kühnes Wort einlöste. Aber auch mit dieser außerordentlichen Leistungsfähigkeit, Bequemlichkeit und Sicherheit der Behandlung ausgerüstet, genügte der Apparat bald den steigenden Ansprüchen an Schnelligkeit und Energie des Schlages nicht mehr. Es wurde zur Ausführung gewisser schwieriger Stücke, an die sich jetzt die Kunst des Schmiedens zu wagen begann, z. B. der Steven der Schiffe, die Schweißung breiter Platten etc., erforderlich, mit verhältnißmäßig geringem Hammergewichte ungemein kräftig auf die Schmiedestücke zu wirken.

Auch hier wußte die Werkstatt zu Patricroft Rath. Statt den Kolben des Dampfes beim Auftrieb von einem Prallkissen aus Luft zurückstoßen zu lassen, gab man dem hochgespannten Dampfe, mit dem man den Kolben gehoben hatte, Zutritt über denselben und ließ ihn den Hammerblock, wie ein Projectil, von oben her mit außerordentlicher Geschwindigkeit auf die Arbeitsstücke schleudern, so die Wirksamkeit des Werkzeuges in Zeit und Energie vervielfältigend. Schnell nacheinander wurden jetzt zu Patricroft die mächtigsten Werkzeuge vollendeter Wirksamkeit geliefert, eines das andere an Dimensionen und Gewicht überbietend. Keines verließ die berühmten Ateliers, das nicht neue Vorzüge gezeigt hätte. Das unbequeme, die Manipulation beengende Gestell der ersten Hämmer verwandelte sich bald in kühne, leicht und doch solid construirte Gerüste, deren Gestalt nach den speciellen Zwecken des Hammers auf das Vielfältigste wechselte. Aber auch von allen Seiten tauchten Fabriken auf, die dem gewaltigen Werkzeuge andere Formen gaben, um sich, trotz dem Patente des Erfinders mit seiner Herstellung beschäftigen zu können. Einige dieser Veränderungen waren wirkliche Verbesserungen, wie z. B. die Construction von Diron, der den Hammerblock nicht mehr an die Kolbenstange eines hochstehenden Cylinders hing, sondern den in schweren Massen gegossenen Cylinder selbst zum Hammer machte und an dem feststehenden Kolben auf- und abspielen ließ, so die schwankende Höhe des Hammergerüstes wesentlich vermindernd. Bald nachdem große, unter Dampfhämmern ausgeführte Schmiedestücke von rundem Querschnitt hie und da gebrochen waren, zeigte es sich, daß sonderbarer Weise die Gewalt des Werkzeuges in seiner damaligen Form für die zu schaffende Arbeit zu bedeutend war. Die Kerne großer Achsen und Wellen erschienen nämlich porös mit sternförmig vom Mittelpunkt ausgehenden Blätterungen. Nasmyth’s Scharfsinn fand zugleich die Ursache der anfangs unerklärlichen Erscheinungen und das Mittel dagegen. Der unwiderstehliche Druck des Hammers quetschte bei jedem Schlag des Schmiedens auf dem bis dahin üblichen, flachen Ambose die runde Welle etwas breit, so eine Ellipse herstellend, in deren längerer Achse das Eisen eine Dehnung oder Zerreißung erlitten haben mußte. Bei den rund um die Welle schreitenden Schlägen mußte eine völlige Zerstörung von deren Kern stattfinden.

Dem Genie lag die Abhülfe mit bewundernswürdig einfachem Mittel nahe. Nasmyth gab dem Ambos einen dreieckigen Ausschnitt, in dem beim Schmieden die Welle, die Achse ruhte, so daß der Schlag des Hammers sie nicht mehr breitdrückte oder ausdehnte, sondern von drei Punkten her jederzeit mächtig zusammenquetschte, sie solcherweise bis in’s Innerste verdichtend. Die Gestalt, in der Nasmyth’s Dampfhammer jetzt erschien und der sich seit zwanzig Jahren eigentlich nur im Aeußeren, nicht im Wesentlichen verändert hat, war ungefähr folgende:

Auf zwei schweren, sehr stabilen Gerüststücken von Gußeisen ist oben ein Dampfcylinder festgebolzt, in dem ein Kolben durch sehr hoch, meist bis zu sechs und acht Atmosphären gespannten Dampf auf und nieder geschoben wird. Die stählerne Stange dieses Kolbens tritt unten aus dem Cylinder und an ihr ist der schwere gußeiserne, zwischen Gradführungen im Gerüste gleitende Hammerblock festgekeilt, an dem unten wieder sehr solid die schmiedeeiserne verstählte Hammerbahn befestigt ist. Das Ganze spielt mit dem Kolben auf und nieder. Um diesen Zutritt des Dampfes ganz nach dem Belieben des Hammerschmieds reguliren zu können, der aus einer Plattform am Hammergerüste steht, dazu ist der Mechanismus, „Steuerung“ genannt, an dem Apparate angebracht, dessen bewundernswürdige Anordnungen zu den interessantesten Schöpfungen der neuen Mechanik gehören, aber doch nicht so einfach sind, daß sie sich ohne technische, nicht hierher passende Zeichnung genügend deutlich machen ließen. Genug, mittels der Handhabung eines Griffs bestimmt der Schmied auf das Genauste die Höhe des Hubes und mit einem andern die Zahl und das Maß der Energie der Schläge.

Und dies geschieht mit solcher Sicherheit und Genauigkeit, ja Unfehlbarkeit, daß sich Schmiede oft den Scherz machen, vor den Augen der erstaunten Zuschauer mit einem Hammer von Hunderten von Centnern an Gewicht eine Nuß aufzuknacken, ohne deren Kern zu verletzen, oder zum Entsetzen, das fast Jedem einen Schrei entlockt, den Kopf auf den Ambos legen und den Riesenhammer bis zum Berühren der Nase auf und ab spielen lassen! Natürlich sind die Schläge so gewaltig hart herabfallender Massen wie Hämmer von mehreren hundert Centnern Gewicht mit Erschütterungen des umliegenden Bodens verknüpft, welche die sichere Begründung des Standes der Hämmer und ihrer Ambose mit großen Schwierigkeiten verknüpfen, besonders da die der letzteren, um dem Schlage ganze Wirksamkeit zu geben, einer gewissen Elasticität nicht entbehren darf. Von der Anwendung von Stein muß daher hierbei fast ganz abgesehen werden, und die Fundamente großer Hämmer enthalten oft wahre Wälder starker, kreuzweis aufeinander geschichteter Eichenstämme, auf dem die Riesenwerkzeuge zitternd und schwankend und doch sicher stehen.

Auch die Gebäude, in denen sie arbeiten, müssen dem gemäß construirt sein und werden in neuester Zeit meist leicht und elastisch, zum großen Theile aus Eisen und Blech hergestellt. Der Besitz von Dampfhämmern von mehr oder weniger Macht, geringerer oder größerer Dimension wurde bald ein Bedürfniß aller größeren mechanischen Ateliers und ist jetzt ein Lebenselement jeder Werkstatt, die größere Stücke producirt, für jedes Eisen- und jedes Walzwerk, eine Nothwendigkeit für mittlere Anstalten dieser Art und wünschenswerth auch für das kleinste Atelier. Es giebt in England, Westphalen, Rheinpreußen, Berlin, Oberschlesien, Frankreich, Belgien Werkstätten und Eisenwerke, in denen jetzt Dampfhämmer, vom kleinen, zierlichen kaum centnerschweren Schmiedehammer an bis zum dröhnenden und stöhnenden Ungeheuer von fünf- bis sechshundert Centner Gewicht, zu Dutzenden in Reih und Glied stehen. Die Vorwelt konnte nur Riesen bekämpfen

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