Seite:Die Gartenlaube (1865) 493.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Das Rautenholen in Tirol.
Originalzeichnung von Mathias Schmid.

und nicht von Jahr zu Jahr, sondern nach längeren Zeiträumen abgesucht. Das Wurzelgraben trägt nicht viel, es wird daher meistens von älteren Weibern betrieben, die in den Almen übernachten und dort mit dem Abhub der Milchwirthschaft zufrieden sind oder ihn auch manchmal mit den Schweinen theilen. Will man im Zillerthal eine arme Haut bezeichnen, so sagt man: „Sie ist halt eine Wurzelgräberin!“ Hie und da fällt aber ein kleiner Nebengewinnst ab. In Tirol braut man aus allen möglichen Dingen Schnaps; jede Art hat ihre besondere Wirkung, der Enzeler hilft freilich für Alles. Dort im Bottich gährt die Maulbeere, hier die Heidelbeere, in jenem Winkel sollen große Geschirre die Wachholderbeere, die Schlehe, die Preißelbeere aufnehmen, da giebt es Arbeit vollauf bis zum November, wo es einschneit. Auch die Köpfchen der Arnica werden geklaubt und für Tincturen benützt; bisweilen bestellt ein Schütz die Zwiesel von Allermannsharnischwurz (Allium victoriale), einem Lauch, der beim Wildern Glück bringen soll. Wäre nur erst die alttirolische Indolenz, die sich starrköpfig in ihre Glaubenseinheit verpuppt, überwunden, man könnte den armen Leuten noch manche Erwerbsquelle öffnen: die Versteinerungen der Alpen würden gewiß um theures Geld gekauft und mancher Fremde möchte gern ein Album seltener Gebirgspflanzen heimbringen. Die Schweizer verstehen dies besser, und man braucht unsern Tirolern nicht gerade die Routine zu wünschen, mit der jene Aelpler Geld zu schneiden wissen, es könnte aber gar Vieles besser sein. Was das Schnapsbrennen betrifft, so wird es sehr durch die österreichischen Finanzgesetze beeinträchtigt; diese sind, um jeden Pfennig herauszuzwicken, mit so vielen Quälereien verbunden, daß mancher Bauer lieber die Beeren im Wald

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_493.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2017)