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wider ihn erhoben, seine Messiasrolle nicht ausspielen. Er mußte sogar den mohammedanischen Glauben annehmen, wurde aber dennoch auf Befehl des Sultans am 10. Septbr. 1676 umgebracht.

Allein die Secte bestand fort und an ihre Spitze trat jetzt der Mann, von dem wir erzählen wollen, welcher die letzte Zeit seines Lebens als sogenannter Polakenfürst in Offenbach zugebracht und dort sein Grab gefunden hat. Auch er hatte mit dem vollen Feuer seiner schwärmerischen Seele sich in den Tiefsinn des Buches Sohar versenkt und glaubte im Besitz aller Weisheit zu sein. Er hielt sich eine Zeitlang als Arrendator (Branntweinbrenner) in der Krim und in den angrenzenden türkischen Provinzen auf, und weil die Türken alle Fremden, besonders die aus dem Abendlande, Franken nennen, so ließ er, als Zeichen seiner Verwandlung, seinen Familiennamen Dobrusky fallen und nannte sich von jetzt an Frank, legte sich auch zugleich den Vornamen Jakob bei, um damit anzudeuten, daß der Patriarch Jakob, der weiland die Himmelsleiter im Traume gesehen, der Held Gottes genannt Israel, von dem alle seine Nachkommen den Hamen Israeliten führen, in ihm wiedererstanden sei. So wollen wir denn auch diesen Namen Jakob Frank beibehalten, weil er sich in seinen Ausschreiben selbst so unterzeichnet hat.

Aus diesen türkischen Provinzen kam er mit dem Rufe eines Kabbalisten zurück und ließ sich darauf in Podolien nieder, dem Lande sehr zahlreicher jüdischer Arrendatoren (Branntweinbrenner und Schenkwirthe), welches damals noch zu Polen gehörte, nach der unheilvollen Theilung dieses Reiches aber an Rußland kam. Hier trat er an die Spitze derjenigen Secte, welche der vorhin erwähnte falsche Messias Sabbathai Zewy durch seinen Uebergang zum Islam aufgegeben hatte, und erlangte durch das Ansehen, welches er sich beizulegen wußte, durch Kühnheit und Beredsamkeit und durch ein geheimnißvolles, imponirendes Wesen einen großen Anhang unter den polnischen Juden. Statt des falschen war jetzt der wahre Messias erstanden und als solcher anerkannt von den vorzüglichsten Rabbinen, sowie von sämmtlichen Mitgliedern der Gemeinden in Landskron, Busk, Ostrau, Opotschnia, Kribtschin u. A. Von diesen erhielt „der heilige Herr“, wie er genannt wurde, bedeutende Geldopfer, die sich späterhin durch Vermehrung der Secte kolossal steigerten, weil man glaubte, was man dem heiligen Herrn spende, vertrete die Stelle der Tempelopfer.

Nun that Frank den entscheidenden Schritt, daß er von Podolien aus in hebräischer Sprache ein Rundschreiben an alle Sohariten der verschiedenen Länder erließ, in dem er seine kabbalistischen Lehren vortrug, sich als Inhaber geheimer Weisheit bezeichnete, als Haupt der Sohariten und als Messias ankündigte. Von dieser Zeit an hat sich der Glaube in seinem Anhang verbreitet, daß er der verkörperte Gott sei, welcher aus der Urquelle geheimer Weisheit schöpfe.

Allein diese Richtung des „heiligen Herrn“ (Frank) erregte denn doch auch den Neid und die Eifersucht der Rabbinen, welche die Gültigkeit des Talmud und somit das formgerechte und buchstabengläubige Judenthum in Gefahr erblickten. Diese veranlaßten heftige Verfolgungen gegen Frank und seine Secte, die sie für abtrünnige Juden erklärten, und wußten es bei den polnischen Regierungsbehörden dahin zu bringen, daß Frank und verschiedene Leute aus seinem Anhang, als sie einst eine Wallfahrtsreise über die polnische Grenze hinaus in das türkische Gebiet nach Saloniki (das ehemalige Thessalonich in der Provinz Macedonien) machten, wo die Soharitensecte bedeutende Niederlassungen und Hülfsquellen hatte, an der Grenze als angebliche Emigranten aufgefangen und zur Haft gebracht wurden. In dieser Bedrängniß fand Frank, dem es weder an Klugheit und Beredsamkeit, noch an Muth fehlte, den Weg der Hülfe. Er stand nämlich bei dem katholischen Bischof von Podolien, welcher in der Hauptstadt Kamenetz-Podolsk residirte und der in der Richtung Frank’s eine Hinneigung zum Christenthum zu erblicken vermeinte, als philosophischer Jude, welcher die Fesseln des Buchstabens abgeschüttelt hatte, in besonderem Ansehen. Durch die Vermittlung des einflußreichen Bischofs wurde nicht allein die Haft aufgehoben, sondern es wurde auch die polnische Regierung vermocht, der Secte unter dem Namen „Sohariten“ einen königlichen Schutzbrief auszufertigen, wodurch sie eine staatliche Anerkennung erhielt.

Als indeß der Bischof von Kamenetz-Podolsk starb und die talmudischen Gegner das Uebergewicht erlangten, verschlimmerte sich die Lage der Sohariten. Die Folge war, daß sich die Secte in Podolien nicht mehr halten konnte und ein großer Theil derselben sich entschloß, mit Frank an der Spitze nach der Moldau auszuwandern, die damals unter der Oberlehnsherrlichkeit der türkischen Pforte von eigenen Hospodaren regiert wurde. Dort hoffte die Secte sich freier bewegen zu können und siedelte sich in und um Chozim (Chocz) an. Allein auch hier bewährten die rechtgläubigen Juden ihren Haß und zeigten den Behörden an, daß die Einwanderer zur ordentlichen Judenschaft nicht zählen können und auch von dem Chacham Baschi (dem Oberrabbiner von Constantinopel) nicht dafür angesehen, noch bei der hohen Pforte vertreten werden würden. Auch hetzten sie die Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten auf, bei denen die Sectirer meistentheils ausgeplündert wurden. In dieser kritischen Lage entschlossen sie sich, zur katholischen Kirche überzutreten, um Ruhe, Schutz und Sicherheit zu finden. Auch hier war Frank der oberste Führer, und der Uebertritt erfolgte auch wirklich. Er selbst und seine drei Kinder Rochus, Joseph und Eva, welche vorher als Jüdin Rachel hieß, nahmen nebst vielen Sectirern die Taufe nach katholischem Ritus an. Dieser Uebertritt war jedoch nur eine äußerliche Form, ein Act der Nothwendigkeit zu eigener Sicherstellung. Innerlich blieben die Sohariten, was sie gewesen waren.

Bald entdeckte man, daß sie geheime Zusammenkünfte hielten und eigenthümliche Gebräuche nach kabbalistischen Vorschriften beobachteten. Es zeigte sich ferner, daß sie nicht den katholischen Erzbischof von Jassy als das Haupt der Diöcese anerkannten, sondern vielmehr dem heiligen Herrn (Frank) mit der unbedingtesten Ehrfurcht ergeben waren. Die Secte bestand also nach wie vor fort und wurde einer beschimpfenden Strafe unterworfen. Man schor den Sohariten nämlich den Bart auf einer Seite bis zum Kinn, ließ aber die andere Hälfte stehen, zum Zeichen, daß sie weder Christen noch Juden seien. Diese Strafe war von sehr empfindlicher Art, weil die Juden in jenen Landstrichen einen langgewachsenen Bart für ein Heiligthum und für ein Zeichen ihrer Würde und Nationalität ansahen. Diejenigen, welche als die eifrigsten Sectirer erkannt wurden, schickte man zum Festungsbau. Dieses Loos traf vornehmlich den Gott und Hohenpriester Israels Frank mit besonderer Strenge, weil man ermittelt hatte, daß er als Agitator fortwährend thätig war, neue Proselyten für die Secte zu werben, und weil er dazu förmliche Agenten ausgesendet hatte. Er wurde daher auf die im polnischen Gebiet gelegene Festung Czenstochow gebracht, wo der heilige Herr mit Ketten an den Füßen innerhalb des Wallringes zur Erbauung von Redouten im Schanzkarren gehen mußte. Diese schwere Festungsarbeit währte einige Jahre. Trotzdem blieben sein Muth und seine Standhaftigkeit ungebrochen, und sein Glaube an sich selbst gewann eine noch höhere Spannkraft. Gerade der Umstand, daß er diese schwere Haft erleiden mußte, vermehrte seinen Anhang und ließ ihn als göttlichen Dulder für die heilige Geheimlehre erscheinen.

Die politischen Ereignisse in Polen führten endlich seine Befreiung herbei. Von den verfolgten Dissidenten, Lutheranern, Reformirten, Griechen und Armeniern gerufen, marschirten 1771 die Russen ein und besetzten auch die Festung Czenstochow. Da sie in der Maske von Vertheidigern der Glaubensfreiheit erschienen, so setzten sie Frank auf freien Fuß. Ohne durch die ausgestandenen Leiden gelähmt worden zu sein, fuhr er fort, als unermüdlicher Agitator Proselyten zu werben und seinen Anhang zu vermehren, zu welchem Zweck er Polen, Böhmen, Mähren und die angrenzenden Länder durchreiste, überall mit offenen Armen aufgenommen und mit sehr bedeutenden Geldsummen unterstützt wurde. Bei diesen Wanderungen hatte er Oesterreich kennen lernen und war zu der Ueberzeugung gekommen, daß er nirgends größere Sicherheit finden werde, als unter der Regierung der gutmüthigen und frommen Maria Theresia. Wirklich siedelte er im Jahre 1778 mit einem großen und prachtvollen Gefolge, welches aus getauften Juden beiderlei Geschlechts bestand, nach Wien über. Anfangs ließ ihn der Staatskanzler Fürst Kaunitz ruhig gewähren. Als man aber bemerkte, daß die Secte, obgleich äußerlich dem Katholicismus zugethan, doch in ihrem innersten Wesen eine andere Richtung hatte, kein anderes kirchliches Oberhaupt verehrte, als nur den heiligen Herrn (Frank), den zweiten Patriarchen Jakob, den in Menschengestalt eingekleideten Gott; als man wahrnahm, daß derselbe eine Hofhaltung unterhielt, wie sie kein orientalischer Fürst glänzender haben konnte, ohne sich erklären zu können, aus welcher Quelle die Summen dazu flössen: so fing man allmählich an

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