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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

umgeben, auf Posten in der Speisekammer, und nachdem er jene erste Execution einige Male mit Nachdruck wiederholt hatte, wagte sich die Frau Gemahlin nicht wieder in die Kammer. Im Garten hatte L. – so hieß mein Freund – eine sogenannte Meisenfalle, zum Einfangen von kleinen Vögeln, aufgestellt. Zu seinem Leidwesen bemerkt er, daß die Katze die in die Falle gerathenen Vögel herausgeholt und verspeist hat. Er läßt darauf den Kater in den Garten und ist nach einigen Stunden schon Zeuge, wie Freund Murr, neben dem Meisenkasten, seiner Frau das Fell wieder tüchtig zerzaust, weil sie im Begriffe stand, ein Rotschwänzchen aus der Falle zu holen. Der Meisenkasten wurde von da ab der Obhut Murr’s gleichfalls anvertraut und die Räubereien der Katze hörten auf. Dieses seltene Exemplar von Kater nahm ein trauriges Ende. Böse Buben hatten ihm den Unterkiefer und das Rückgrat zerschmettert. Er ward ärztlich verpflegt, allein sein Tod erfolgte nach einigen Tagen. L. versicherte mir, daß ihm der Tod dieses treuen Thieres Thränen ausgepreßt habe.

T.




Ein neues Lied vom braven Mann. In den ersten Jahren seiner Regierung hielt sich der große Karl August von Weimar oft längere Zeit des Jahres in Ilmenau auf, theils der Jagd wegen, theils auch um durch seine öftere Anwesenheit dem dortigen Bergbau mehr Leben und Aufschwung zu geben.

Eines Tages war die Ilm dort nach einem starken Gewitterregen hoch angeschwollen und ging von Stunde zu Stunde höher und höher. Da wurde dem Herzoge, der eben von der Jagd zurückgekehrt war und sich mit Goethe, Knebel und den andern Cavalieren seines Gefolges zur Tafel gesetzt hatte, die Meldung gemacht, daß am jenseitigen Ufer der Ilm eine Bauerfrau mit ihrem Säugling auf dem Arme dem Ertrinken nahe sei, da wegen des hohen und reißenden Wassers der Armen Niemand die erflehte Hülfe bringen könne. Der Diener hatte noch nicht ausgesprochen, als der junge Fürst von der Tafel aufsprang, sich ein Pferd satteln ließ und ohne alle Begleitung nach dem Orte der Gefahr dahinflog.

Das Wasser war mittlerweile so hoch gestiegen, daß es der armen Frau bis unter die Arme ging. Sie hielt sich mit der einen Hand an dem Aste eines Erlenbaumes fest, mit der andern ihren Säugling, den sie über sich zwischen zwei Aeste desselben Baumes eingeschoben hatte, und harrte der Hülfe von Gott, da ein Mensch sie ihr nicht mehr bringen zu können schien.

Sie wurde ihr indeß gebracht. Karl August war an dem bezeichneten Orte am diesseitigen Ufer der Ilm angekommen, wo eine große Menge gaffender und klagender Menschen sich eingefunden hatte. Sein Entschluß war schnell gefaßt. Der Kraft und Geschicklichkeit seines edeln Rosses vertrauend, stürzt sich der Hochherzige in die wild dahinbrausende, reißende Fluth, erreicht nach vielem Kampfe und unter eigener Lebensgefahr glücklich das jenseitige Ufer, läßt sich von der durch Todesangst und Schreien schon ganz erschöpften Mutter den Säugling in seine Arme geben und rettet ihn glücklich an das Ufer, wo er ihn der Vorsorge der anwesenden Frauen übergab. Jedoch „dem Kinde muß die Mutter wiedergegeben werden.“ Ein neuer Sprung in die Fluthen, neuer, noch anstrengenderer Kampf, jedoch auch neuer Sieg. Der Herzog brachte nach vieler Mühe die Unglückliche vor sich auf das Pferd und gelangte auch dieses Mal glücklich zurück an das Ufer, wo eben die Ortspolizeibehörde angekommen war, um zur Rettung der Verunglückten die geeignetsten Maßregeln einzuleiten. Ihr trug er die weitere Sorge für die Geretteten auf, ließ ein ansehnliches Geldgeschenk zurück und war, ehe noch eine halbe Stunde verlaufen, wieder in dem Kreise der Seinen, mit denen er sich unter anmuthigen Scherzen über das bestandene Abenteuer wieder zur Tafel setzte und in dem Bewußtsein, eine edle That vollbracht zu haben, den übrigen Theil des Tages heiter und froh vollbrachte.




Der Universal-Dessinateur. Das Fach einen Musterzeichners oder Dessinateurs ist, obgleich wir seine Erzeugnisse in allen Schaufenstern auf Kleiderstoffen, Spitzen, Bändern, Tapeten, Teppichen, Shawls, Tischdecken, Wachstuchen etc. bewundern, ein außer den Fabrikstädten fast unbekanntes. Wer nicht Fachmann in der Fabrikation von Manufacturwaaren ist, weiß nicht, welche Schwierigkeiten der Fabrikant hat, um seinen Waaren durch Zeichnung und Farbe ein immer veränderten, neues Aussehen zu geben, und sie dadurch leicht verkäuflich zu machen. Die Aufgabe den Musterzeichners ist es, immer Neues zu ersinnen; seine Phantasie und sein Geschmack sind es, welche neben seiner technischen Geschicklichkeit die Muster in Form und Farbe so herstellen, wie wir sie in den oben erwähnten verschiedenen Artikeln sehen. Die meisten großen Fabriken halten solche Künstler, um den stets gestellten hohen Anforderungen entsprechen zu können, um den Geschmack für ihre Fabrikate zu cultiviren und das Bestmöglichste darin zu erreichen. Zu diesem Zwecke wendet sich ferner der Fabrikant an Ateliers für Musterzeichnungen, wie solche besonders in Paris, Lyon, Mülhausen im Elsaß, in der Neuzeit auch in Deutschland in Wien, Berlin, Leipzig, Chemnitz und Elberfeld existiren, und sucht dort nach von früheren abweichenden neuen Ideen, um sie direct zu verwenden oder seinen Zeichnern zur Benutzung zu übergeben, d. h. sie für seine specielle Fabrikation brauchbar zu machen. Wir glauben nun im Interesse aller Manufacturisten zu handeln, wenn wir ihnen eine neue Quelle von Ideen zu ihrer Benutzung empfehlen und sie auf ein Werk aufmerksam machen, welches bereits bei seinem ersten Erscheinen vor Jahresfrist die Beachtung der namhaftesten Gewerbeblätter auf sich zog und das in seiner jetzigen Vervollkommnung, welche es schon beim Erscheinen des zweiten Jahrgangs erreichte, die größte Beachtung verdient. Dieses Werk ist der in Elberfeld bei J. Löwenstein erscheinende Universal-Dessinateur von J. C. Clement. Der Zweck desselben ist: den Fabrikanten in allen Zweigen der Druck- und Weberei mit immer neuen Originalmustern, Farbenstellungen und Ideen zur Hand zu gehen, den deutschen Geschmack und Schönheitssinn zu bilden und somit möglichst viel beizutragen, den leider noch immer großen Einfluß der französischen Mode auf deutsche Fabrikate zu verdrängen. Diese Aufgabe ist eine so große und lobenswerthe, daß sie die Unterstützung aller Industriellen verdient.




Das Mutterherz.

Wenn Du mit kecker Jugendkraft
Beginnst im Lebensspiel zu ringen,
Und um den frischen grünen Schaft
Sich Freundesranken lockend schlingen –
 O denke dran, o denke dran,
 Daß liebend folget allerwärts
 Durch Freud und Leid Dir allezeit
 Ein Mutterherz.

An Lied und Wein, an Lust und Lieb
Will bald Dein Sinn gefangen haften,
Schon wird Dein Himmel manchmal trüb
Von Wolken dunkler Leidenschaften –
 Dann denke dran, o denke dran.
 Daß sorgend folget allerwärts
 Durch Freud und Leid Dir allezeit
 Ein Mutterherz.

Ringst endlich Du als fester Mann
Den Wechselkampf des ernsten Lebens
Und tritt Enttäuschung Dir heran
Als Lohn des pflichtgetreuen Strebens –
 Dann denkst Du dran, dann denkst Du dran.
 Daß tröstend folget allerwärts
 Durch Freud und Leid Dir allezeit
 Ein Mutterherz.




„Die losen Kinder“ haben wir das Bild genannt, das wir heute nach einer Oelskizze des talentvollen Ernst Fischer unsern Lesern vorführen. Ernst Fischer ist diesen kein Fremder mehr, seitdem sie Gelegenheit hatten, sich an dem lieblichen Idyll „der Dorfarzt“ zu erfreuen, mit dem wir vor einiger Zeit unser Blatt zieren konnten. Derselbe gemüthliche Humor, die Innigkeit der Empfindung, welche dieses Bild auszeichneten, sind auch den „losen Kindern“ eigen, die ein Schlummerstündchen der ältern Schwester benützt haben, deren Medaillon zu öffnen, und unbewußt dessen, was sie thun, vielleicht die tiefsten Herzensgeheimnisse der Schlafenden an’s Licht ziehen.



Zur Nachricht!

Mit dieser Nummer schließt das dritte Quartal. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.




Die Herren Bock. Beta, R. Benedix, Brehm, E. Förster, G. Hammer, G. Hiltl, A. Meißner, Schmidt-Weißenfels, A. Schloenbach, Temme, Karl Vogt, L. Walesrode, Fr. Wallner u. v. a. bleiben unsere regelmäßigen Mitarbeiter. Von den im nächsten Quartal zum Abdrucke kommenden Artikeln wollen wir bei dem beschränkten Raum dieser Nummer blos die nachstehenden interessanten Erzählungen, Aufsätze und Skizzen erwähnen:

Der Dorfcaplan. Von Herman Schmid. – Der Dombaumeister von Regensburg. Von demselben. – Die Locke der Charlotte Corday. – Eine Novelle von Levin Schücking – Erzählungen von Franz Hedrich und Melchior Meyr. – Erinnerungen an Heinrich Zschokke. Von dessen Schwager Nüsperli. Mit Illustration von Paul Thumann. – Der Menschenretter. Ein niederdeutsches Seebild. Mit Illustration von Schleich. – Der Morgen in der Menagerie. Mit Illustration von H. Leutemann. – Goethe in Leipzig. Mit Illustration. – Ganz oder halb? Mit Portrait – Die Hirschjagd in den Hochalpen. Von H. Noë. Mit Illustration von L. Fux. – Ein deutscher Mann in der Fremde: Prinz Albert von Sachsen-Coburg. – Aus dem Rauhen Hause zu Horn. Ein Schattenbild. – Die Falschmünzer am Prägstocke. Mit Illustration von Litschauer. – Die deutsche Nordpolfahrt. – Anatomische Leiden und Freuden. Von Alfred Meißner. – Bilderschau in meinem Zimmer. Erinnerungsblätter von Franz Wallner (Fortsetzung). – Das Montavon. Mit Illustrationen von M. Schmid. – Ein preußischer General und kein Gamaschenheld. – Vor dem Capitol. Mit Illustration. – Aus der französischen Bühnenwelt. Mit Illustration von Fleury. – Auf dem Wege nach Gastein. Mit zwei Illustrationen. – Das vornehme Proletariat in Berlin. – Die kleinste deutsche Residenz. Mit Abbildung. – Im Crocodil. Mit Illustration von Th. Pixis. – Ein Bahnbrecher im Kampfe für die Zukunftsgestaltung. Von Ludwig Storch – Beim alten Truchseß. Literaturbild aus dem Anfange unsers Jahrhunderts. – Die Edelkoralle und ihre Fischer. Von Karl Vogt. Mit Abbildungen. – Kleine Ursachen, große Wirkungen. Von Bock etc. etc.

Leipzig, im September 1865.

Die Verlagshandlung

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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