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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

daß ich Dir an Deiner Schönheit was ruinire, zu der so lang’ ’braucht hast … Ich steh’ schon eine Glockenstund’ da und wart’ …“

„Wer hat Dir’s geschafft?“ erwiderte das Mädchen spitz. „Was geht Dich meine Schönheit an? Ich frag’ Dich auch nit, wie lang’ Du ’braucht hast, bis Du Dir den Ruß von Deiner Schmieden aus den Augen gewaschen hast!“

„Scheust Dich wohl vor’m Ruß?“ sagte er lachend. „Hast es nicht nöthig; der Ruß ist gesund und macht eine feine, g’schmeidige Haut … wirst es schon erfahren, wenn Du einmal in der Schmieden stehst …“

„Weißt’ das so gewiß?“ fragte sie etwas unsicher entgegen.

„Ich will’s wissen!“ brauste er auf, „und in dem Augenblick will ich’s wissen und drum hab’ ich Dir den Weg abgepaßt, damit Du mir Red’ und Antwort stehst … Willst’ mein Weib werden, Franzi? Sag’ Ja – und in vier Wochen gehst Du wieder mit dem Kranzel …“

Das Mädchen erröthete. „Ich muß wohl jetzt glauben, daß es Dir ernst ist, Vigili … Dein Antrag ist für mich eine große Ehr’ und Du bist auch ein ordentlicher Mensch, ein herzensguter Mensch, aber auch wild und jähzornig, daß Du Dich selber nimmer kennst …“

„Das ist nit wahr! Das hat Dir Jemand eingeblasen, der mir feind ist! Nenn’ mir den schlechten Kerl, ich brech’ ihm das Genick …“

„Was braucht’s das?“ sagte sie und maß ihn ruhig mit den klugen und doch so feurigen Augen. „Bist nicht schon wieder in der Höh’ wegen ein paar Worten? Kannst Du’s leugnen, daß Du dem Gesellen den Hammer an den Kopf geworfen hast, daß er viele Tag’ hat liegen müssen? Die Leut’ sagen gar,“ fuhr sie näher tretend und leiser fort, „Du hättest im Zorn Deine Hand aufgehoben gegen Deine eigene Mutter, Vigili, gegen Deine eigene Mutter … Was hätt’ da Dein Weib zu erwarten, ein Weib, das Dir nichts in’s Haus gebracht hätt’ obendrein …?“

„Es ist Alles wahr,“ sagte der Schmied finster, „und doch ist es wieder nicht wahr … wenn Du nur wolltest, Du würdest sehen, daß ich die gute Stund’ selber bin … Verflucht!“ fuhr er, sich unterbrechend, auf, „da kommen die Andern … ich komm’ wieder nicht zu End’ mit Dir … versprich mir wenigstens, daß Du mich heut noch anhören, daß Du den Ersten mit Niemand Anderm tanzen willst, als mit mir …“

„Ich muß wohl,“ erwiderte sie mit etwas gezwungenem Lächeln, „sonst gehst’ mir doch nit aus dem Weg.“

Grüßend kam ihnen die Schmiedin im höchsten Feiertagsstaat sammt den drei andern Kranzlerinnen entgegen.

Inzwischen war es auch auf dem Moosrainer Hofe, dem Mittelpunkte der heutigen Festlichkeit, schon laut und lebendig geworden. Die Thür des Hauses, die Fensterrahmen und die Geländer der in jedem Stockwerk das Haus umziehenden Galerien waren mit Gewinden aus Eichen- oder Buchenlaub bekränzt und einige Schritte weiter, am Eingange des Gehöftes, waren noch einige Knechte eifrigst beschäftigt, die dort errichtete Triumphpforte aus grünem Tannenreisig mit Streifen von Goldpapier zu umflechten und mit den schönsten Blumen zu bestecken, die nebenan in dem kleinen Hausgärtchen an verspäteten Nelken oder verfrühten Astern zu haben waren. In dem spitzen Giebel der Pforte prangten aus ähnlichem Geflecht die Ziffern der Jahreszahl, die Anfangsbuchstaben des Namens und in der Mitte dazwischen ein goldener Kelch, zum Wahrzeihen, daß dem Hause Heil widerfahren sei und ein Sprößling desselben als neugeweihter Priester heute sein erstes Meßopfer darbringen werde.

Im Hofe fanden sich allmählich immer mehr Festgenossen und Neugierige ein; drinnen aber im Hause, in der großen Wohnstube, warteten die Eltern des Primizianten auf den Beginn der für sie doppelt wichtigen Feierlichkeit und Niemand wagte, sie in der stillen Sammlung dieser vorbereitenden Augenblicke zu stören.

Der Vater, eine hagere Gestalt mit scharf geschnittenem, ernstem Gesicht wandelte in abgemessenen Schritten die sonntagsstille, sonnenbeschienene Stube hin und wieder. Nur manchmal, wie in tiefen Gedanken, fuhr er sich mit der hohlen Hand über die klugen grauen Augen und die mächtige Vogelnase oder über den kahl gewordenen Scheitel, als wollte er dessen einstigen Lockenreichthum glätten, von dem fast nichts übrig geblieben war, als vorn gegen die Stirn ein schneeweißer Schopf, dessen Kräuslung erkennen ließ, daß unter ihnen die Gedanken nicht minder kraus und eigen durcheinander gingen.

Die Mutter, eine behäbige, wohlbeleibte Frau mit weichen, aber verschwommenen und gealterten Zügen, mit weißem Haar, das unter der festtäglichen, schwarzen Schaube hervorleuchtete, saß am breiten Ecktisch, den Rosenkranz in den Händen und das Gebetbuch mit den mächtig großen Buchstaben vor sich aufgeschlagen; auch sie schien aber, wenn sie betete, in ein mehr innerliches Gebet versunken, denn die Blätter des Buches regten sich nicht und die Korallen des Rosenkranzes lagen regungslos in ihrem Schooß.

Nichts war in der Stube zu hören, als der Schlag der großen Schwarzwälder Uhr, oder das Summen einer Fliege an den sonnenhellen Fensterscheiben, oder das Athmen des großen Haushundes, der, für heute seines Wächteramtes enthoben, sich’s unter der Ofenbank bequem gemacht hatte.

Die Uhr hob jetzt rasselnd zum Stundenschlage aus; da klappte die Bäuerin das Gebetbuch zu und erhob sich. „Es ist bald Zeit, Alter,“ sagte sie, „schau’ nur, was für eine Menge Leute schon da draußen versammelt ist … was meinst Du, sollen wir’s dem Herrn nicht sagen, daß er sich bereit machen soll?“

„Hast schon wieder Angst, daß er sich verspätet?“ rief mit gutmüthigem Spotte der Bauer. „Wirst halt auch Deiner Lebtag nimmer anders! Am Hochzeitstag vor vierzig Jahren hast Du so getrieben und pressirt, daß wir zu früh in die Kirch’ ’kommen sind und haben warten müssen, bis der Meßner mit dem Schlüsselbund gerennt ’kommen … Doch ich will Dir nachgeben, wir wollen alle Zwei miteinander hinaufgehen und sagen, daß es an der Zeit ist – aber ich mein’, ich hör’ was draußen vor der Thür … Schau, schau, dasmal bist’ doch zu spät ’kommen …“

„Blos durch Deine Schuld!“ rief schmollend die Alte, während schon die Stubenthür sich öffnete und der Erwartete eintrat. Es bedurfte nicht viel, um in ihm den Sohn des Hauses zu erkennen; als solchen verrieth ihn trotz des langen, schwarzen Rockes, den er trug, der kräftige, dem Vater ähnelnde Gesichtsschnitt und das krause, dunkle Haar, um den Mund aber schwebte etwas von dem weichen Wesen der Mutter und die blauen Augen waren vollends von ihr. Der junge Priester war eine freundliche Erscheinung; auf seiner breiten Stirn schien ernstes Denken zu hausen, aus dem Blick leuchtete Milde, um die Lippen spielte die Gabe wohlwollender Ueberredung.

„Guten Morgen, Hochwürden Herr Sohn,“ rief mit tiefem Knix die Mutter, indem sie nach seiner Rechten haschte, einen ehrerbietigen Kuß darauf zu drücken; der Sohn hatte Mühe, ihr zu wehren.

„Ich sag’ nit so,“ sagte der Moosrainer, „aber ihr Weiberleut’ müßt halt Alles übertreiben. Für mich bist Du mein Sohn, wie vor und eh’, und wann Du Bischof wärst … ich wär’ doch Dein Vater, und wenn mir was nit recht wär’ an Dir, ich nehmet’ mir kein Blatt für’s Maul und thät Dir’s sagen, frisch von der Leber weg! … Also, guten Morgen, Isidor – guten Morgen zu Deinem Ehrentag!“

„Recht so, Vater,“ erwiderte der Sohn, indem er die Hand des Vaters ergriff und schüttelte, „und so soll es immer zwischen uns bleiben – mögt Ihr immer mein Vater bleiben, wie es für mich keinen schöneren Augenblick giebt, Euch zu danken, daß Ihr es mir bis zu dieser Stunde gewesen … nur durch Eure Güte und Liebe habe ich das Ziel erreicht, nach dem ich so sehnlich strebte …“

„Red’ nit davon, Isidor,“ rief Moosrainer, „ich hab’ nit mehr gethan, als meine Schuldigkeit …“

„Auch die Liebe ist Schuldigkeit,“ sagte der Sohn mit innigem Händedruck und aufleuchtenden Augen, „und doch wird sie zum größten Verdienst dem, der sie übt! Glaubt nicht, Vater, daß ich nicht wüßte, was es Euch gekostet hat, mir die Laufbahn nicht zu wehren, für die ich mich berufen glaube … Ihr habt mir zu Liebe einen Lieblingswunsch aufgegeben …“

„Nun ja … freuen kann’s Einen nicht, wenn man ein’ solchen Hof hat und ein einzigs Kind und muß ihn in fremde Hände kommen lassen … aber in die Ewigkeit kann ich den Hof ja doch nit mitnehmen, und Du hast es ernstlich so gewollt und des Menschen Willen ist sein Himmelreich! Also hab’ ich wohl der Gescheidtere sein und hab’ denken müssen, der nachgiebt, ist auch ein Mann!“

„Und glaubet mir, Vater – es ist besser so. Der Drang

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