Seite:Die Gartenlaube (1865) 708.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

nach Erkenntniß war einmal in mir … ich hätte zum Bauer nicht getaugt und wär’ ein unglücklicher Mensch geworden …“

„Gott soll mich bewahren …“ rief ernst der Bauer, „jetzt ist es nur an Dir, ich hab’ nichts zu verantworten und will heut in Deiner ersten Meß recht von Herzens Grund beten, daß Du’s auch rechtschaffen durchführst, wie Du angefangen hast … daß Du nit etwa in der Gruben an mich denkst und sagst: hätt’ ich mein’ altem Vater gefolgt!“

„Ohne Sorge, Vater,“ rief der Sohn feurig, „meine ganze Seele gehört meinem Berufe – nie kann ein Augenblick der Reue mich anwandeln …“

„Wär’ auch wohl zu spät dazu,“ murmelte der Alte vor sich hin und strich sich den krausen, widerspänstigen Haarschopf; der Sohn überhörte es, denn die Mutter, die während des Gesprächs der Männer hinausgeeilt war, kam hastig wieder und meldete, wie schon der ganze Hof voll Menschen und wie eben auch noch die Kainzenhoferin angefahren gekommen sei mit ihrem Mann und mit all’ ihren Kindern.

„Da kannst Du gleich zeigen, daß es Dich nit reut,“ sagte der Alte lachend, indeß der Sohn sich anschickte, vor’s Haus zu treten. „Die Kainzenhoferin, das ist die Lies, die Bas’, die ich Dir ausgesucht gehabt hätt’, wenn Du Moosrainer Bauer ’worden wärst … weil bei Dir nichts herausgeschaut hat, hat sie sich um ein’ Andern umg’schaut und hat den Hans geheirath’ droben von der Kreuzalm – wirst Dich wohl noch besinnen auf ihn, seid ja miteinander in die Schul’ gegangen …“

„Ja, so ist’s,“ fuhr die Mutter redselig fort. „und sie hat’s auch ganz gut getroffen mit dem Hans und ist eine Staatsbäurin …“

„Braucht keine Sorge zu haben um meinetwillen,“ sagte der Priester mit mildem Lächeln, „ich gönne die Liese dem Hans, aber es freut mich in tiefstem Gemüth, daß Ihr so munter seid, Vater … Gott erhalt’ Euch den frohen Sinn!“

„Amen, Isidor … das ist ein gutes Wort!“

Der Moosrainer brauchte auch wirklich keine Sorge zu haben; mit heitrem, wohlgefälligem Blick überschaute der junge Priester die zahlreiche und festliche Versammlung, aber er blieb ruhig, auch als er vor der eben angekommenen Bauernfamilie stand, die zunächst am Eingang wartete und ein Bild darbot, wohl geeignet, Auge und Herz zu locken und zu halten.

Die Bäurin hatte auch ihr jüngstes Kind im Wickelkissen mitgebracht; es hatte während des Fahrens geschlafen, war dann aufgewacht und eben wieder zur Ruhe gesungen. Die junge Mutter, eine stattliche Frau mit angenehmen Zügen, hielt das Kleine auf dem Schooß; die beiden ältern Geschwister, ein Knabe und ein Mädchen, standen daneben und schauten das Kind mit neugierig vergnügtem Lächeln an. Der Bauer, eine kräftig gedrungene Gestalt, stand hinter der sitzenden Mutter, leicht über ihre Schulter vorgebeugt, sah in die auf ihn gerichteten Augen des Kindes hernieder und nickte ihm zu, und das erste Lächeln umspielte verklärend die kleinen Lippen.

„Siehst Du, sie kennt Dich schon, Vater! Sie lacht Dich an!“ rief die Mutter.

„Sie lacht! Sie lacht!“ jubelten die Geschwister und klatschten in die Hände.

Die Mutter aber hob das glückliche Auge auf und blickte in das über ihr hangende des Vaters und „Sie lacht ganz wie Du, Hans,“ sagte sie leise und verstummte, weil ihr die Thränen vorstürzten.

Der alte Moosrainer stand gelassen daneben, aber auch in seinen Augen begann es zu schimmern.

Isidor’s Antlitz blieb unverändert; keine Regung zeigte sich darin, als das Wohlwollen des Menschenfreundes, der es zur Aufgabe seines Lebens gemacht, sich selbst vergessend ganz aufzugehen in der Thätigkeit für Andere. Durchdrungen und gehoben von dem gläubigen Gefühl der neuen Würde, trat er in den Kreis, der sich nun bildete. Männer und Jünglinge, Mädchen und Kinder sanken andächtig in die Kniee, damit er ihnen die Hand auflege und sie segne, denn es ist ein frommer Glaube, daß der Segen eines Priesters, der eben erst die Weihen empfangen, von besonderer Kraft sei und Etwas davon auf den Empfänger übertrage.

Die junge Mutter war die Erste, die sich herandrängte; über die Knieenden hin reichte sie das Wickelkind – der erste, der kräftigste Segen sollte dem schuldlosen Liebling werden. Mit stillem Vergnügen gewahrte und gewährte Isidor die mütterliche List und begann seinen Rundgang. Da waren fast lauter bekannte, wohlvertraute Köpfe und Gesichter, Greise, die Männer gewesen waren zu seiner Knabenzeit, junge Männer, die mit ihm unter den Büschen des Dorfes gespielt hatten und mit ihm nach der Schule, und wenn sie glücklich vorüber war, nach Wald und Wiese gewandert waren. Auch manches inzwischen erblühte Mädchengesicht war ihm bekannt, und als die Reihe an die mittlerweile herangekommenen Kranzjungfern kam, erinnerte er sich gar wohl an das freundliche Rundgesicht der Krämers-Babett, die ihm manche Tüte mit Leckereien zugesteckt hatte, und an die schmalen beiden Bäckerstöchter, die einander glichen schier wie ein paar Tropfen Wasser, und ihm immer besonders freundlich gewesen – es war seine Jugend, die ganze frohe Geschichte seines Dorflebens, die an ihm wie in Bildern vorüberzog.

Als die Letzte kniete Franzi in Andacht versunken, mit gefalteten Händen – sie erkühnte sich nicht zu dem Jugendgespielen empor zu blicken … diesem selber war die Erscheinung fremd – es mochte wohl irgend eine entfernte Verwandte sein, die von der Mutter eingeladen worden, die Zahl voll zu machen. Als er aber die Hände erhob und mit leichter Berührung auf den Kranz auf ihrem Haupte legte, da bebte sie innerlich zusammen, und wie die wohlbekannte Stimme den Segenspruch begann, da war es ihr unmöglich an sich zu halten – eine unwiderstehliche Gewalt zwang sie, die Augen aufzuschlagen … Der Priester stockte unmerklich, kaum eines Athemzuges Dauer, während dessen die Blicke Beider wie verwundert, fragend und grüßend in einander haften blieben …

(Fortsetzung folgt.)




Deutschland auf dem Meere.

Träumt nicht von Deutschland auf dem Meere,
Von Kampf mit Sturm und Wogenbrand,
Bevor Ihr Deutschlands Macht und Ehre
Gefestigt nicht auf festem Land;
Gezaubert wird von keinem Gotte
Aus Wellenschaum die Wellenbraut,
In Mühen wird die deutsche Flotte
Auf deutschem Boden nur gebaut!

Ein immergrünes Sinnbild werde
Die Tanne uns, der Zukunft Mast,
Hochstrebend hat tief in der Erde
Die zähe Wurzel sie gefaßt.
Von unten nur ringt durch nach oben,
Was ew’ge Dauer in sich trägt;
Das Werk allein kann sich erproben,
Das tief im Volke Wurzel schlägt!

Sei, deutsches Volk, von Muth durchdrungen,
Der deutschen Schiffe Zimmermann,
Und wenn dem Beil das Werk gelungen,
Dann fass’ auch selbst das Steuer an;
Am Ruder darf kein Arm sich brüsten,
Der bis zur Knechtschaft sich vergißt,
Der freiheitsfeindlichen Gelüsten
Ein willenloses Werkzeug ist!

Der deutschen Freiheit heil’ges Zeichen,
Hoch über niedrigem Verrath,
Bis an die Sterne wird es reichen
Und zeugen für die deutsche That;
In diesem Zeichen muß sie siegen,
Des Himmels Mächte sind ihm hold,
Voran der deutschen Flotte fliegen
Soll stets das deutsche Schwarzrothgold!

Auf denn, aus Noth und Schmach zu retten
Das deutsche Volk und Vaterland!
Dann fallen auch des Ankers Ketten
Und jubelnd stoßen wir vom Strand.
Nach vorwärts kann der Kiel nur zeigen,
Wenn deutscher Wind die Segel bläht,
Und Deutschland wird zu Schiffe steigen
In seiner vollen Majestät!

Albert Traeger.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_708.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)