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Gelegenheit, sich persönlich bei den Herren Franzosen in Respect zu setzen. Ein französischer Capitain hatte sich über irgend Etwas bei Pfuel beschwert und war deshalb höflichst zur Thür gewiesen worden. In Folge dessen forderte er den Commandanten zum Duell. Mit größter Liebenswürdigkeit fragte ihn Pfuel nach den Waffen und als der Franzose Degen verlangte, ließ er zwei solcher Dinger nach dem Vorzimmer bringen und der Kampf begann. Nach einigen Ausfällen des Franzosen sah derselbe mit dem verdutztesten aller Gesichter plötzlich seinen Degen wegfliegen, Herrn von Pfuel ihn höflich grüßen und sich in sein Zimmer zurückbegeben. Der preußische Officier hatte dem französischen so glatt den Degen aus der Hand geschlagen, wie Erde aus einem Blumentopf.

Nach dem Frieden kam Pfuel nach Berlin zum Generalstabe. Hier hielt er u. A. vor größeren Officierkreisen Vorträge, die, später vom General Decker unter dem Titel: „Ansichten der Kriegführung im Geiste der Zeit“, herausgegeben, zu den geschätztesten Büchern der militärischen Literatur gehören. Später Brigadier in Magdeburg, darauf Divisionär geworden, erhielt er 1831 die Sendung nach Neuchâtel, wo eine Empörung gegen die preußische Oberhoheit ausgebrochen war. Als Sieger in Neuchâtel wurde er zunächst Gouverneur dieses Ländchens, welches vornehmlich von lauter gesetzlich erlaubten Republikanern, nämlich Schweizern, bevölkert ist und sich 1848 bekanntlich auch wirklich von Preußen losriß; dann stieg er zum Generallieutenant und 1837 an Müffling’s Stelle, dem er gewissermaßen immer auf die Hacken trat, zum commandirenden General des siebenten Armeecorps. Sechs Jahr später ward er General der Infanterie, dann Chef des dreizehnten Infanterieregiments. Und da die Orden für die Leute noch immer so viel werth sind, daß sie das Verdienst, wenigstens eines Soldaten, darnach bemessen, so diene zur Notiz, daß Pfuel, wie alle preußischen Generale, nicht genug Tuch auf der Brust besaß, um alle die blitzenden Sterne mit Anstand unterbringen zu können. Er konnte auch mit dem Orden pour le mérite, mit dem eisernen Kreuz, sogar mit dem schwarzen Adler- und dem schwedischen Seraphinenorden aufwarten, der einer anderen als fürstlichen Brust nur höchst selten zur Zierde gereichen darf.

Da im Herbst der alte Müffling aus seiner Stellung als Gouverneur von Berlin schied, wer anders hätte ihm darin folgen sollen, als der alte Pfuel? Am 18. März, als in Berlin die Revolution ihre Gewaltschläge entlud, setzte es die militärische Partei durch, daß noch vor dem Kampf gegen die Barricaden Pfuel durch eine Mission nach St. Petersburg von seinem Gouverneurposten entfernt wurde. Der General mußte den Thatlustigen kein rechtes Vertrauen einflößen; er war während der unruhigen Tage vorher ihnen zu nachsichtig gewesen und hatte nicht die Energie militärischer Maßnahmen entwickelt, die nach den ominösen zwei Schüssen des 18. März als Parole ausgegeben wurde. Aber schon zwanzig Stunden später mußte der Gouverneur von Berlin das Schloß räumen lassen.

General Pfuel.

Wie bereits gesagt, die Ernennung Pfuel’s am 21. September zum Ministerpräsidenten wurde unter den gleichzeitig auftretenden Anzeichen einer reactionslustigen Militärregierung mit dem größten Mißtrauen aufgenommen. Um so größer war das Erstaunen, als der neue Minister am Tage nach seiner Ernennung der Nationalversammlung beiwohnte und durch seine Ansprache die Gemüther zu beschwichtigen suchte. Man konnte es unter den Umständen von einem zum Minister ernannten General gewiß nicht erwarten, daß er förmlich eine Lobrede auf die constitutionelle Verfassung hielt und sein Interesse dafür äußerte, es möge bald das Werk der Nationalversammlung, die constitutionelle Verfassung Preußens, zu Stande kommen. Ja, noch mehr, General Pfuel erklärte sich im Sinne des angenommenen Stein’schen Antrags, vor dem Rodbertus und Auerswald die Segel gestrichen, gegen die reactionären Tendenzen und Agitationen in der Armee und theilte mit, daß den Officieren diese seine Ansicht kund gethan sei. Er beruhigte wegen der Proclamation Wrangel’s und dessen Ernennung zum Cominandirenden in den Marken und erklärte, daß erst auf Verlangen der Bürgerwehr an ein Einschreiten des Militärs zu denken sei. Und aus dem Munde Pfuel’s hatte diese Sprache besonderen Werth. Offenheit und Ehrlichkeit war so recht das Gepräge seines Charakters, wie es schon aus seiner ganzen Erscheinung ersichtlich war. Wenn man ihn in’s Auge faßte, diesen General mit dem gebleichten Haar, groß und dürr, eckig und eher von bürgerlichem Habitus, dies verwetterte schmale Gesicht mit den tief eingefallenen Wangen, den scharfen Zügen und Furchen und den offenen hellen Augen – dann gewann die Ueberzeugung Raum, daß er es gut und ehrlich meine und von ihm nie ein Staatsstreich zu erwarten sei.

Mit dem Gewinn des Vertrauens bei den Bürgern büßte es der General von Pfuel aber bei den militärischen Reactionären ein, die ihre Zeit gekommen glaubten. Seine Verordnung an die Officiere hatte böses Blut unter denselben gemacht; die bald darauf stattfindenden Debatten der Nationalversammlung gegen den Adel und die Orden und die Beschlüsse gegen dieselben wurden zum guten Theil dem Minister angeschrieben, weil er sich dagegen still verhalten. Die Stellung des Herrn von Pfuel mußte denn wohl bald sich als unhaltbar erweisen. Angesichts einer sich rüstenden und mit Militärmacht versehenen Reaction verlangte das Volk eine Thatkraft des Ministeriums in seinem Sinne, die dem General Pfuel erstlich nicht innewohnte und die zweitens an dem entschiedensten Widerstand des Königs auch gescheitert wäre. Andererseits genügte Herr von Pfuel am allerwenigsten der Partei, die auf

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 764. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_764.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2017)