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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

aber wir halten’s doch lieber mit unsern Manierchen, und so haben wir doppelte Ursache uns zu freuen, daß die Kühle des Nordens jetzt den Sieg über die Hitze des Südens davongetragen hat. Die handgreiflichen Widerlegungsversuche werden damit wohl aus der Rhetorik, nach der hier verfahren wird, entfernt sein. Ueber ein paar Hinterwäldlerflüche, mit denen ein Volksvertreter gelegentlich seine Polemik würzen mag, und ähnliches Gepfeffertes kommt ein guter Magen schon eher hinweg.

Der dumpfe Lärm, der im Saale herrscht, ist sehr unbequem für den, welcher die Redner zu hören begehrt. Er wird nicht unerheblich verstärkt durch das Hin- und Herlaufen von etwa einem Dutzend kleiner Burschen, welche den „Members“ als Lakaien und Postillone aufwarten, die Wünsche der Redner nach einem Glase Wasser ausrichten, Aufträge in die Stadt besorgen, Botschaften aus derselben bringen, Briefe wegtragen und im Saale abgeben. Man ruft sie durch Händeklatschen herbei, wie im Orient die Haussclaven, und es sind – mit Verlaub zu sagen, denn wir haben in ihnen freie Jünglinge der „freiesten und erleuchtetsten Nation“ vor uns – recht flinke Sclaven.

Der Sprecher des Hauses beweist in glänzender Weise, daß Uebung den Meister macht. Es muß außerordentlich schwer sein, unter den erwähnten Umständen der Debatte zu folgen. Oft wird dieselbe durch Fragen und Einwürfe unterbrochen, daneben summt es im Hause wie in einem Bienenstock, und häufig sind die Redner für uns ganz unverständlich. Der Sprecher aber thut seine Pflicht so sorgfältig, als ob alle diese Hindernisse nicht existirten. Freilich nicht mit der Würde, die wir an unsern Herren Präsidenten hoher zweiter Kammer gewöhnt sind. Aber man muß billig sein, und zur Würde hat man hier keine Zeit. Scharf und kurz angebunden, wie der Ruf des Croupiers am grünen Tische, wenn die Glückskugel zu rollen beginnt, klingt des Sprechers Stimme, wenn ein Redner an der Reihe ist; scharf und kurz, wenn ein Vortrag unterbrochen wird, und der Betreffende zu fragen ist, ob er sich die Unterbrechung gefallen lassen will. „Der Gentleman aus Illinois hat das Wort.“ (Die Repräsentanten werden nicht bei ihren Namen, sondern als Herren aus dem oder jenem Staate aufgerufen). „Der Gentleman aus Indiana wünscht den Gentleman aus Kentucky etwas zu fragen.“ – „Der Gentleman aus Kentucky giebt ihm Erlaubniß.“ – „Der Gentleman aus Indiana.“ So geht es unaufhörlich fort, bis das Haus abstimmt, wo der Sprecher divinatorische Gaben zu entwickeln und in den Herzen und Nieren der Gesetzgeber zu lesen scheint. „Die Gentlemen, welche für den Antrag sind, werden Ja (Aye, nicht yes) sagen,“ ruft der Lenker der Legislationsmaschine. Nicht ein Laut ist zu hören. „Die Gentlemen, die gegen den Antrag sind, werden Nein sagen.“ Wiederum vernimmt man nicht ein Wort. Der Sprecher aber

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 781. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_781.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)