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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

innig liebte und von dem er ebenso aufrichtig wieder geliebt wurde. Leider besaß seine Braut keine andere Mitgift, als ihre Schönheit, ihre Tugend und ihren Fleiß, so daß die von Beiden sehnlichst gewünschte Verbindung in weiter Ferne lag. Wenn aber die Noth am größten, pflegt auch die Hülfe am nächsten zu sein. Eines Tages, als Koch nach seiner Gewohnheit im Felde mit seinen traurigen Gedanken umherstreifte, hörte er plötzlich seinen Namen rufen. Als er aufblickte, sah er einen kräftigen Mann in grüner Pekesche vor sich stehen, dessen Gesicht ihm bekannt vorkam. Als dieser ihn mit freundlichen Worten anredete, erinnerte er sich sogleich an den Landwehrmajor, den er bei Leipzig durch einen rechtzeitigen Schuß vor dem sicheren Todesstreich eines französischen Kürassiers bewahrt hatte. Dieser reichte jetzt seinem Lebensretter, dessen Züge und Namen er in dankbarer Erinnerung behalten, herzlich die Hand, indem er ihn aufforderte, eine kurze Strecke mitzugehen. Unterwegs erzählte der Major, daß er nach dem Frieden seinen Abschied genommen und sich hier in der Gegend angekauft und zwar das in der Nähe liegende Rittergut erworben habe. Zugleich erkundigte er sich theilnehmend nach den Verhältnissen seines Begleiters, der nach einigem Zögern offen und unumwunden über seine verzweifelte Lage und seine vergeblichen Bemühungen um eine passende Stelle mit ihm sprach. Nachdem der Major ihm aufmerksam zugehört und einige Zeit nachgesonnen, bot er Koch das allerdings nicht glänzende, aber dessen Neigungen vollkommen zusagende Amt eines sogenannten „Flurschützen“ an, der eine Art ländlicher Polizei zu verwalten hat.

Die letzte Flucht.
Originalzeichnung von Carl Joseph Litschauer.

Koch schlug natürlich mit tausend Freuden ein und trat schon den nächsten Tag seinen Posten an. Einige Wochen später folgte ihm das geliebte Mädchen als seine Frau nach und bezog mit ihm das kleine Haus, welches der Major ihm eingeräumt hatte. So gering auch seine Einkünfte waren, so glücklich fühlte sich Koch in seinem neuen Wirkungskreis, der ihm gestattete, den ganzen Tag mit der Büchse im freien Felde herumzustreifen, den Wald zu inspiciren, zuweilen einen Hasen oder einen Flug Rebhühner für die Tafel des Gutsherrn zu schießen, einem Wilddieberei auf eigene Rechnung betreibenden Dorfhund das Lebenslicht auszublasen, oder eine im Felde verlaufene Kuh abzupfänden. Mit vielem Eifer betrieb er sein obrigkeitliches Amt, ohne darum in Härte auszuarten. Ein strenges Pflichtgefühl beseelte ihn bei allen seinen Handlungen und seine Gerechtigkeitsliebe entwickelte sich unter diesen Verhältnissen in einem hohen Grade. Der Major war mit ihm zufrieden und behandelte ihn mehr als einen guten Freund, denn als seinen Untergebenen. Von freien Stücken vermehrte er sein Einkommen, indem er ihm ein größeres Deputat bewilligte, als die Familie des Flurschützen sich mit der Zeit vermehrte. Koch hatte einen Sohn, der nach dem Vater schlug, und eine Tochter, welche ganz das Ebenbild der Mutter und sein erklärter Liebling war. Die Jahre vergingen so in ungetrübtem Frieden, der Knabe wuchs heran und wurde zum Soldaten ausgehoben, während das Mädchen für die schönste und fleißigste Dirne in der ganzen Gegend galt.

Auch der Major hatte einen Sohn, der in einer Cadettenanstalt erzogen wurde und mit der Zeit sein Lieutenants-Examen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_821.jpg&oldid=- (Version vom 28.12.2022)