Seite:Die Gartenlaube (1866) 048.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Laß keine Unwahrheit ungerügt, aber bleibe vor Deinen Kindern auch jederzeit der Wahrheit selber treu. Lache nicht über schlaue Winkelzüge und Schwindeleien, mit denen geistesgewandte Kinder die Wahrheit zu umgehen suchen, sondern nimm es in Sachen der Wahrheit allemal streng und genau. Eine große Versuchung zum Lügen liegt in der Klatschhaftigkeit, Zwischenträgerei und Naseweisigkeit mancher Kinder, wenn man ihre Neuigkeiten und Urtheile über Andere anhört, oder gar ihnen Anleitung giebt, Nachbarn und Verwandte auszuhorchen und das Erfahrene zu hinterbringen.

X.




Woher nahm Goethe den Stoff zu „Hermann und Dorothea“? Die mannigfachen Vereine und Gesellschaften Zürichs pflegen den Jahreswechsel durch die Herausgabe eines sogenannten Neujahrsblattes zu bezeichnen. Das Neujahrsblatt des züricherischen Waisenhauses bringt nun diesmal die Fortsetzung und den Schluß der letztes Jahr begonnenen Darstellung jener dem vorigen Jahrhundert angehörenden grausamen Verfolgung der protestantischen Salzburger und ihrer Ausweisung. Die gewaltsame Vertreibung der Protestanten, nachdem alle Schreckmittel, sie zum Abfall von ihrem Glauben zu bringen, nichts gefruchtet hatten, fand mitten im Winter 1731–1732 statt. Gegen dreißigtausend Seelen, der Kern der Bevölkerung, verließen Salzburg. Ueber dem einst so blühenden, vielbevölkerten Lande lag jetzt die Stille des Friedhofs, und die Worte des Fürstbischofs Firmian, des Verfolgers, waren jetzt erfüllt: „Ich will keine Ketzer in meinem Lande haben, und wenn Dornen und Disteln auf den Aeckern wachsen sollten.“ In anziehender Weise schildert der Verfasser die Reise der armen Emigranten in die fremde Welt, das Mitleiden, das sie in den evangelischen Ländern erweckten, die werkthätige Liebe, die ihnen daselbst entgegenkam, und wie das Geschick einer dieser vertriebenen Salzburgerinnen es war, was Goethe den Stoff zu seiner herrlichen Dichtung „Hermann und Dorothea“ gab. Die Geschichte dieser Jungfrau lautet also:

„Dieselbe zog mit ihren Landsleuten fort, ohne zu wissen, wie es ihr ergehen, oder wo sie Gott hinführen würde. Als sie nun durch das Oettingische reisten, kam eines reichen Bürgers Sohn aus dem Altmühlthal zu ihr und fragte sie, wie es ihr in hiesigem Lande gefalle? Sie gab zur Antwort: ,Herr, ganz wohl.‘ Er fuhr fort, ob sie denn bei seinem Vater dienen wolle. Sie antwortete: ,Gar gern, sie wolle treu und fleißig sein, wenn er sie in seine Dienste annehmen wolle,‘ und nannte ihm alle die Bauernarbeit, auf die sie sich verstehe. Nun hatte der Vater seinen Sohn oft gemahnt, daß er doch heirathen möchte, wozu er sich aber bisher nie hatte entschließen können. Da aber die Salzburger Emigranten durch die Altmühl zogen und er dieses Mädchens ansichtig wurde, gefiel ihm dasselbe. Er ging daher zu seinem Vater, erinnerte diesen, wie er ihn oft zum Heirathen angespornt, und entdeckte ihm dabei, daß er sich nunmehr eine Braut ausgesucht hätte; er bäte, der Vater möchte ihm nun erlauben, daß er dieselbe nehmen dürfte. Der Vater fragte ihn, wer dieselbe sei. Er gab ihm zur Antwort, es sei eine Salzburgerin. Wollte ihm aber der Vater nicht erlauben, daß er dieselbe nehmen dürfe, so werde er auch niemals heirathen. Als nun der Vater nebst seinen Freunden und dem herzugeholten Prediger sich lange vergeblich bemüht hatte, ihm solches aus dem Sinne zu reden, es ihm aber doch endlich zugegeben, so stellte dieser seinem Vater die Salzburgerin vor. Das Mädchen wußte aber von nichts Anderem, als daß man sie zu einer Dienstmagd verlangte, und deswegen ging sie auch mit dem jungen Manne nach dem Hause seines Vaters. Dieser hingegen stand in dem Gedanken, als hätte der Sohn der Salzburgerin sein Herz schon eröffnet. Daher fragte er sie, wie ihr denn sein Sohn gefiele und ob sie ihn heirathen wolle. Weil sie nun davon nichts wußte, so meinte sie, man suche sie zu äffen. Sie fing darauf an, man solle sie nur nicht foppen! Zu einer Magd hätte man sie verlangt, und zu dem Ende sei sie seinem Sohne nachgegangen; wolle man nun dazu sie annehmen, so wolle sie allen Fleiß und alle Treue beweisen und ihr Brod schon verdienen, foppen aber lasse sie sich nicht. Der Vater aber blieb dabei, daß es sein Ernst sei, und der Sohn entdeckte ihr dann auch die wahre Ursache, warum er sie nach Hause geführt, nämlich: er habe ein herzliches Verlangen, sie zu heirathen. Das Mädchen sah ihn darauf an, stand ein klein wenig still und sagte endlich: ,Wenn es sein Ernst sei, daß er sie haben wollte, so sei sie es auch zufrieden und so wolle sie ihn halten, wie ihr Auge im Kopfe.‘ Der Sohn reichte ihr hierauf ein Ehepfand; sie aber griff sofort in den Busen, zog einen Beutel, darin zweihundert Ducaten staken, und sagte, sie wollte ihm hiermit auch einen Brautschatz geben. Folglich war die Verlobung richtig.“




Warnung. Aus Louisville in Kentucky (Vereinigte Staaten von Nordamerika) geht uns die nachstehende Mittheilung zu, die wir ihrer Wichtigkeit wegen unsern Lesern nicht vorenthalten wollen:

Vor einigen Wochen wurde hier in Louisville ein Verein in’s Leben gerufen, der den Zweck hat, einen Theil der deutschen Einwanderung nach Kentucky abzuleiten, und wird in Kurzem seine Agitation dafür in den verschiedenen Hafenplätzen beginnen.

So sehr ich nun selbst dafür bin, daß in der Folge recht viele Deutsche nach Kentucky kommen, so sehr bin ich dagegen, daß es jetzt geschieht; überhaupt möchte ich die Deutschen vor einer Massen-Einwanderung nicht blos nach Kentucky, sondern nach dem ganzen Süden warnen. Ich war in den Jahren von 1849 bis 1851 in Texas, von da ab wohne ich in Louisville in Kentucky und habe nur zu oft Gelegenheit gehabt, den zähen Charakter unserer Sclavenhalter kennen zu lernen, um an den Bestand der gegenwärtig erheuchelten Loyalität zu glauben. Auch ist die Sclaverei in Kentucky noch nicht todt, noch bestehen alle die Sclaverei betreffenden Gesetze und werden im Innern streng durchgeführt; wurde doch selbst hier in Louisville einer meiner Freunde, der Friedensrichter ist, verklagt und zur Bürgschaft angehalten, um sich im nächsten Januar vor einem höheren Gerichte zu verantworten, weil er in einer einen Sclaven betreffenden Klage nicht im Sinne des Sclaverei-Codex entschied. Noch hält und vermiethet man Sclaven und peitscht lustig drauf los; auch ist es nicht selten, daß heimkehrende farbige Soldaten, die ihre Familien besuchen, todtgeschossen werden; noch rauben und morden Guerillas im Lande, selbst in der Nachbarschaft unserer Stadt. Der treue, eingeborene Unionsmann ist auf dem Lande seines Lebens nicht sicher, um so weniger der frisch Eingewanderte, der Landessprache Unkundige; höchstens würde man ihn, wenn es doch mit der afrikanischen Sclaverei ein Ende nehmen sollte, als den modernen Sclaven dulden, den man nicht zu füttern und zu kleiden braucht und dessen Arbeitskraft man darum noch profitabler ausbeuten könnte. Einen solchen Plan eröffnete mir vor Kurzem ein Sclavenhalter, dessen Sclaven sich selbst frei machten und der mich ersuchte, ihm mehrere deutsche Landarbeiter zu verschaffen.

Die Sclaven-Barone sind trotz der Verluste im Kriege noch nicht mürbe geworden; man lasse sie daher noch eine Weile den Mangel an Arbeitskräften recht fühlbar empfinden, man lasse sie den großen Landbesitz aufgeben und denselben auf den Markt bringen, bevor man die Deutschen zur Einwanderung einladet.

Jedenfalls finden die deutschen Auswanderer gegenwärtig in Illinois, Wisconsin, Minnesota, Missouri und Kansas eine billigere und bessere Heimath und dabei Hülfe und ein herzliches Willkommen zum größten Theil von Landsleuten.

Das Verlangen nach deutscher Einwanderung von Seiten der Amerikaner ist hier noch kaum bemerklich, und richtet sich lediglich auf Handarbeiter, nicht aber auf Landansiedler. Sie wollen deutsche weiße Sclaven für die verlorenen Schwarzen, nicht aber freie Männer neben sich dulden.

Erst wenn der Hochmuth und der Stolz der Sclaven-Barone gebrochen sind, wird es Zeit sein, den Strom der Einwanderung nach dem Süden zu leiten.

Es würde mir lieb sein, wenn die deutschen Zeitungen hiervon Notiz nehmen wollten.

J. C. Kosiol.




Wie Verdi sich seine Einsamkeit bewahrt. Verdi, der berühmte italienische Maestro, verweilt gegenwärtig in Paris, wo er ein sehr hübsches Haus in den Champs-Elysés bewohnt. Er ist eifrig damit beschäftigt, die letzte Hand an die Composition einer neuen Oper, „la Forza del Destino“ zu legen, wird aber dabei unaufhörlich von unwillkommenen Neugierigen gestört, was ihm natürlich sehr lästig ist.

Einer seiner Freunde kam kürzlich eben dazu, wie Verdi seinem Bedienten den Auftrag gab, ihn vor den zudringlichen Besuchern zu bewahren, hörte die Anweisungen mit an und erzählte dieselben folgendermaßen wieder:

„Wenn Jemand klingelt,“ sagte Verdi, „so öffnest Du und sprichst, ich sei sehr krank. Besteht der Fremde aber darauf, mich zu sehen, so führst Du ihn in das Rauchzimmer, wo ich eine große, angekleidete Puppe mit dem Gesicht nach der Wand gekehrt auf das Sopha gelegt habe. Dort nöthigst Du den Besucher zum Niedersetzen, sagst ihm, daß ich schlafe, und setzest Dich neben ihn, mit der Bitte, sich ja recht still zu verhalten und mich nicht zu stören.

Nach Verlauf von höchstens einer Stunde wird der Fremde ungeduldig und geht fort, um, wie er sagt, später wiederzukommen. Dann nimmst Du die Puppe und legst sie in derselben Weise auf das Sopha im kleinen Salon, wo der Kamin so unausstehlich raucht; kommt der Besucher noch einmal wieder, so fängst Du dieselbe Komödie wieder von vorn an und setzest sie fort, bis er durch das lange Warten ungeduldig, vom Rauch belästigt und Deiner dummen Gesellschaft überdrüssig wird, das Haus verläßt und schwört, es nie wieder betreten zu wollen und mich ruhig sterben zu lassen, ohne einen Finger zu rühren.“

Dieses Mittel dürfte allerdings probat sein, um Störungen abzuhalten.




Allen Freunden der modernen Literatur, der Kunst und Gesellschaft empfehlen wir angelegentlichst die

Europa.
Chronik des modernen Culturlebens.
Wöchentlich ein Heft von 32 zweispaltigen Quartseiten.
Preis vierteljährlich 2 Thlr.

Die „Europa“ ist anerkanntermaßen für jetzt das einzige deutsche Blatt, welches sich bestrebt, einen Ueberblick des gesammten modernen Culturlebens zu geben, und sich die Aufgabe stellt, die Erscheinungen der allgemeinen Literatur, sowie die Erzeugnisse der Kunst auf allen ihre Gebieten, theils durch ausführliche Artikel und Auszüge, theils durch kürzere Mittheilungen, sowohl in möglichster Vollständigkeit als auch in größte Schnelligkeit zur Kenntniß des Publicums zu bringen. Sie wird auch künftig in ihren Anstrengungen zur Erreichung dieses Zieles nicht nachlassen.

Bei der anerkannten Bedeutung unseres Blattes kann selbstverständlich kein deutscher Lesecirkel die „Europa“ entbehren. In kleineren Orten und Gesellschaften, die ein Interesse an Literatur und Kunst nehmen, würde es das Gerathenste sein,

wenn sich eine Anzahl von drei oder vier Theilnehmern zu einem Abonnement auf die „Europa“ vereinigte.

Ganz besonders aber dürfte sich den Abonnenten des jetzt eingegangenen „Morgenblatts“ die „Europa“ als Ersatz empfehlen.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_048.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)