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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

keine weißen Kleider tragen außer am Morgen, nur die schweren Seidenstoffe – eine Rose und ein Schmetterling bildeten den einzigen Schmuck des lockigen Haares, und dazu das neckische Lied: „Der Schmetterling“. Trat dann Eugen herein, so zerfloß der süße Traum nicht, er wurde nur noch schöner. Leise zog er sie dann auf sein Knie und sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und ließ sich in’s Ohr flüstern, daß er sie liebe wie nichts in der Welt und ewig lieben werde.

(Schluß folgt.)




Deutschlands große Werkstätten.
Nr. 3. Die Schöpfungen eines Zeugschmiedegesellen.


Das Ränzel war leicht, noch leichter der Beutel – er enthielt nur noch zwei Thaler und die silberne Taschenuhr war obendrein versetzt – mit welchen vor mehr als dreißig Jahren ein Handwerksgesell in dem gewerbrührigen Chemnitz einwanderte. Es war ein Zeugschmied, draußen im Elsaß zu Hause, jetzt aber von dem thüringischen Jena dem sächsischen Manchester zureisend. Hier dachte er Arbeit zu finden, wie er sie wünschte und zur Vervollkommnung in seinem Handwerke brauchte. Es gelang ihm auch, in einer Maschinenbauanstalt Beschäftigung zu finden, und in wenigen Jahren schon stand der intelligente, strebsame junge Mann auf eigenen Füßen. Heute aber sind die Anstalten, die er gegründet hat, weltbekannt wie sein Name. Zweitausend Arbeiter füllen seine großartigen Werkstätten, die in vierzig verschiedenen Gebäuden sich über 160,000 Quadrat-Ellen erstrecken und fünf Dampfhämmer und neun mächtige Dampfmaschinen in Bewegung setzen.

Wir brauchen unsern Lesern kaum noch zu sagen, daß unser Zeugschmied kein Anderer ist, als Richard Hartmann. Eine gedrängte Schilderung seiner verschiedenen technischen Anstalten ist der Zweck dieser Zeilen.

Eine kleine Stadt in der Stadt, so lagen die Gebäudecomplexe mit ihren thurmhohen Dampfschloten und den feuersprühenden Schmiedeessen zu beiden Seiten der Leipziger Straße vor uns, und mit anerkennenswerther Zuvorkommenheit wurde uns, wie Jedermann, dem der Besuch des Etablissements erwünscht (selbst ohne Einführung irgendwelcher Art), der Eintritt in die Fabrik zugesagt, wurden wir dem Chef, einem jovialen Herrn mit offenem geistvollen Gesicht, vorgestellt und von diesem persönlich vom Comptoir bis an die Fabrikräumlichkeiten geleitet, woselbst ein Führer das fernere Geleit übernahm. Zunächst war es die Werkstatt für den Bau von Flachsspinnerei- und Appretur-Maschinen (Walken etc.), die uns beschäftigte; hier fielen besonders die gewaltigen Dimensionen der Flachskrempeln mit ihren eisernen Tambours auf. In einem benachbarten Anbau finden wir die Arbeitsstätte, wo die Locomotivsiederöhren zum Einziehen in die Kessel vorbereitet werden; die hier angehäuften Massen solcher Röhren weisen schon auf den beträchtlichen Umfang des Locomotivenbaues hin, der mit den ihm dienenden großartigen Anstalten nun vor Allem unsere Aufmerksamkeit fesselt.

Welch’ ein Bild der Thätigkeit an diesen Dampfrossen, von denen eben elf Stück nebst einer Anzahl von Tenders in Zusammensetzung und Aufstellung begriffen sind! Hunderte von Menschenhände hämmern, meißeln und bohren an diesen Kolossen.

Die Werkstätten sind darauf eingerichtet fünfzig Locomotiven im Jahr liefern zu können, und die eine Abtheilung, in welcher namentlich die Tender stehen, zeigt uns einen Laufkrahn von einigen Hundert Centnern Tragfähigkeit, der, auf Schienen an den Galerien entlang geführt, die Tenderkasten und Kesselkörper leicht von einem Ende der Werkstatt zum andern transportirt, die andere Abtheilung fünf riesige vertical stehende Krahnen, mittels deren die Kesselkörper auf die Räder gehoben werden. Ringsherum ziehen sich breite Galerien, auf denen Locomotiventheile, als Bielle, Excenter etc., sowie sämmtliche Messingstücke massenhaft bearbeitet und gefertigt werden, und in der Mitte der zweiten Abtheilung befindet sich eine große Drehscheibe. Auf ihr werden die bis auf den Anstrich fertigen Maschinen herumgedreht, um dann auf Schienen einem nach dem Hofe zu angebauten Raume zugeführt zu werden, wo sie ihr Farbenkleid erhalten und zum ersten Male probeweise in Betrieb gesetzt werden. Bei unserm Besuche der Anstalt waren hier eben zwei Maschinen, an welche die letzte schmückende Hand gelegt werden sollte; eine bereits angestrichen und geprobt stand vor dem Anbau und sollte andern Tages ihrem Besteller abgeliefert werden. Ein prächtiger Anblick, diese so schön und sauber gearbeitete Maschine funkelnd und glänzend von Metall und Lack, mit sorgsam verglastem Führerstand, der den Locomotivenführer vor den Unbilden des Wetters schützen soll!

Wie viele unserer Leser durch die Zeitungen erfahren haben werden, legte eine Feuersbrunst im Jahre 1860 den größeren Theil des gewaltigen Häusercomplexes in Asche, den wir eben durchschritten haben. Mit fast unglaublicher Schnelligkeit aber erstand das zerstörte Gebäude wieder; ein ansehnlicher Theil der etwa achthundert Arbeiter, welche der abgebrannte Theil des Etablissements zählte, hatte vorläufig seine Arbeitsmittel verloren, er wurde jedoch nicht entlassen, sondern mußte, trotz der viel höheren Löhne, die dadurch dem Arbeitsherrn erwuchsen, mit Hand anlegen, damit in kürzester Zeit die unterbrochene Thätigkeit der Fabrik wieder aufgenommen werden konnte. So wurde es möglich, daß man nach Verlauf eines halben Jahres bereits wieder in der Lage war in den Neubauten voll arbeiten zu lassen. Zu solchen Resultaten gehört freilich die Energie, Thätigkeit und Elasticität eines Hartmann.

Eine andere Werkstatt, die sogenannte „Große Dreherei“ in der dritten Fronte des Häuserviertels, war uns kaum minder interessant. Hier werden zumeist umfänglichere Gegenstände auf entsprechend großen und sehr kostspieligen Drehbänken, Bohr- und Stoßmaschinen, bearbeitet, so beispielsweise Cylinder bis zu hundert Zoll Durchmesser und zwölf Fuß Höhe gebohrt, verzahnte Schwungräder bis zu achtzehn Fuß Durchmesser und vierhundert Centner Schwere, Schwungrad- und Transmissionswellen bis dreißig Fuß Länge abgedreht und fast ebenso lange Gewinde für Geschützbearbeitungsmaschinen geschnitten. Staunen muß man über Mannigfaltigkeit und Reichhaltigkeit der hier und in den anstoßenden Räumen aufgestellten Hülfsmaschinen. Namentlich sind die doppelten Langlochbohrmaschinen bewundernswerth, welche Löcher bis zu vierzehn Zoll Länge selbstthätig und so schnell bohren, daß damit gegen früher, wo dergleichen Löcher (Langlöcher, Schlitzen) erst durch den Bohrer angebohrt und nachher ausgestoßen werden mußten, wesentlich an Zeit und Geld gespart wird.

Mit der Dreherei wetteifert in Präcision und Leistungen die „Hobelei“, welche uns das der Leipziger Straße zugekehrte Frontgebäude erschließt. Da schwirren um uns eine Unzahl von Hobel- und Feilmaschinen jeder Art und Größe, die schier Unglaubliches leisten. Gegenstände von fünfzehn bis zwanzig Ellen Länge, fünf Ellen Breite und sechs Ellen Höhe abzuhobeln ist ihnen eine Kleinigkeit, besonders merkwürdig aber der Mechanismus, welcher die zum Hobeln erforderlichen Stähle herumdreht, so daß die zu bearbeitenden Gegenstände sowohl beim Vor- als beim Rückwärtsgange des Tisches, resp. Supports, gehobelt werden. In einem anderen Seitenbau brausen und sausen die Bearbeitungsmaschinen für die bereits mit Gußstahlreifen (Bandagen, Tyres) bezogenen Locomotivenräder, welche mittels hydraulischer Presse auf ihre Achse aufgezogen und dann, beide Räder auf der Achse gleichzeitig, abgedreht werden. Der Besucher, welcher ein Andenken mitnehmen will, erbittet sich wohl einen dieser derben Drehspähne, an deren außerordentlicher Stärke die Kraft und Gewalt der Arbeit erkennbar ist. Weiter sehen wir Maschinen, worauf die Keilnuthen in die Achsen gefraist werden, und gelangen dann in die Räderschneiderei, wo die Transmissions-Räder aus der Theilscheibe getheilt und bis neun Fuß Durchmesser geschnitten, die Wellen mit Maschine gefraist und dann gekuppelt werden, so daß die gesammte Transmission nunmehr auf mechanischem Wege und mithin so gleichmäßig und genau hergestellt wird, daß Alles auf das Haar zusammenpaßt.

Von unserer Excursion schon etwas müde, bedienen wir uns zum Aufsteigen in die oberen Stockwerke, statt der Treppen, eines der zahlreichen Fahrstühle. Zunächst ist es im ersten Geschosse der Webstuhlbau, welcher uns festhält. In langen Reihen sind hier

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_059.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)