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Daran scheint man aber noch nicht einmal ernstlich zu denken. Der Polizeirath Dennstedt, sehr eifriger und ehrlich bestrebter Chef der Berliner Fahr- und Verkehrs-Polizei, ist öfter in dem Brennpunkte des großartigsten und vollkommensten Verkehrs, in London, gewesen, um zu sehen, zu prüfen und das Beste für seinen Wirkungskreis zu verwerthen. Aber man merkt noch wenig davon: er kann keine Wagen und Wege verbessern, wofür London just die reichste Auswahl von Erfahrung und Mustern bietet, so daß es auf seiner englischen Quadratmeile der City, wo sich alle Tage der Verkehr des hundertquadratmeiligen Londons und durch Eisenbahnen beinahe

Rückfahrt vom letzten Ehrengeleit.

des ganzen Landes (auch anderer Länder und der Meere) concentrirt, immer noch besser fährt, als Berlin in seinen geraden, breiten Straßen.

Das Geheimniß davon liegt in der Kunst des Fahrens auf gutgepflasterten und geebneten Wegen, mit einer Fülle der verschiedensten Wagen, die alle für je ihre besondern Zwecke möglichst praktisch construirt sind. Wenn man sich die Mühe gäbe, alle Arten von Bewegungsmitteln auf Rädern aufzuzählen, käme wohl ein ganzes System von Arten und Unterarten heraus. Da giebt’s fast lauter unübersetzbare, weil in Deutschland nicht, oder nicht so vorhandene Wagen für Menschen und Lasten: Chaise, Brougham, Fly, Tilbury, Gig und Cab, Hansom, Omnibus, Ban, Wagon, Cart, Dray, Truck, Barrow und viele andere – alle auf Federn, alle fest gefügt, genial für je ihre bestimmten Zwecke construirt, daß sie leicht „rollen“ und nicht mühsam poltern und rasseln und knattern; kein Fahrzeug zu lang oder zu kurz oder zu breit, keins zu unrechter Zeit am unrechten Orte. So nur erklärt es sich, daß auf dieser kleinen englischen Quadratmeile täglich 100,000 Wagen aller Art mit etwa 150,000 Pferden, vielen Centnerlasten von Waaren und einer Million Menschen täglich ein- und auspassiren, ohne sich gegenseitig zu zermalmen oder niederzutreten.

Nach einer genial angestellten amtlichen Zählung an einem Maitage 1862, vierundzwanzig Stunden lang an allen Zugängen der City, fuhren während dieser Zeit 48,177 Fahrzeuge auf Rädern und kamen 155,060 Personen auf und in diesen Fahrzeugen, außerdem 370,107 Menschen zu Fuß in die City. Da man ebensoviel Herauskommende annehmen muß, wird man an der ungefähren Richtigkeit der oben gegebenen runden Summen nicht besonders zweifeln können.

Seit dieser Zählung hat sich London um einige hunderttausend Einwohner und die City um mehrere Eisenbahnstationen auf, unter und über der Erde vermehrt, so daß wir durch viel höhere Zahlen der Wahrheit wohl näher kommen.

Uebrigens ist es ziemlich gleichgültig für die Sache im Großen und Ganzen, ob so und so viel Tausende von Menschen und Wagen mehr oder weniger passiren. Hauptsache bleibt die Art und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_109.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)