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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Blätter und Blüthen.


Gérard, der berühmte Löwentödter, giebt – für Liebhaber – folgende höchst drastische Anleitung zur Löwenjagd:

„Mit Sonnenuntergang,“ sagt er, „mache man sich auf, setze sich auf einen den Schlupfwinkel des Löwen beherrschenden Felsen und warte. Beim ersten Gebrüll des Löwen merke man genau auf, um die von ihm eingeschlagene Richtung in Erfahrung zu bringen. Nähert er sich, so bedarf es von Seiten des Jägers nur einiger Schritte, entfernt er sich aber, so muß man, kann man ihm anders auf Nebenpfaden den Weg nicht abschneiden, ihm auflauern, wenn er zurückkommt. Sobald er seine Nacht durchgemacht hat, kommt er sicher zurück. Der Löwe mag beim Verlassen seiner Höhle jenen raschen Gang gehen, der ihm erlaubt, in kurzer Zeit, ohne zu ermüden, eine große Strecke Weges zurückzulegen, oder nach durchwachter Nacht, das mächtige Haupt hin und her wiegend, langsam seines Weges kommen – sobald er auf seinem Wege den Jäger erblickt, bleibt er stehen. Bleibt man nun selbst ruhig sitzen, so nähert er sich langsam, um von Zeit zu Zeit wiederum stehen zu bleiben und nach Art der Stiere zu paradiren. Nicht lange, und er brüllt und stößt solche diabolische Seufzer aus, daß man davon taub zu werden fürchtet. Man verliere ihn keine Secunde aus den Augen und beobachte genau jeden seiner Blicke. Verläßt er den Pfad und nähert sich einem benachbarten Baume, um seine Tatzen daran zu wetzen, so halte man sich bereit.

Da kommt er zurück – Vorsicht und kaltes Blut! Die geringste Uebereilung würde dem Jäger unfehlbar das Leben kosten. Der Löwe sieht dessen Waffen und keine seiner Bewegungen entgeht ihm. Erst nach dem ersten Schuß greift er an. Nimmt man ihn auf’s Korn, so legt er sich platt auf die Erde, wie eine Katze. In dieser Stellung bietet er dem Rohr des Jägers nur den Obertheil des Kopfes als Zielfläche dar, und wie gering auch der Abstand von letzterem sein mag, so wollte ich nicht rathen, alsdann auf ihn zu schießen. Ohne das Gewehr von der Schulter zu nehmen, noch die Augen vom Löwen abzuwenden, entferne man sich einige Schritte rechts oder links vom Pfade, je nachdem das Mondlicht den Löwen vortheilhaft beleuchtet. Geht man zu sehr im Bogen, so meint er, man wolle ihm eins auf den Pelz brennen, und wälzt sich, dem Jäger immer die Stirn bietend, auf dem Bauche herum. Man mache blos zwei oder drei Schritte, und sobald man nur einigermaßen gerade des Thieres Schläfe vor sich hat, ziele man genau nach der Stelle zwischen Auge und Ohr und drücke los.

Von zwei Dingen eines: entweder der Löwe ist von der Kugel augenblicklich todt hingestreckt worden, oder man liegt, noch ehe man sich von der Wirkung des Schusses hat überzeugen können, auf dem Rücken unter dem Bauche des Löwen, der den Jäger mit seinem Leibe bedeckt und ihn mit seinen furchtbaren Tatzen umstrickt hält. Allein man ist deshalb noch nicht verloren. Traf die Kugel glücklich ihr Ziel und brachte sie kein Hinderniß aus der geraden Richtung, so kommt man mit einem Dutzend Tatzenhieben, von denen man sich erholen kann, davon, und vorausgesetzt, daß der Rachen des Löwen nicht in’s Spiel kommt und sein Todeskampf nicht länger als einige Secunden dauert, so kann man mit einem blauen Auge entwischen. Auf jeden Fall vergesse man nicht, daß man ein Dolchmesser an der Seite hat, und hat man es im Fallen nicht verloren, so fasse man es fest und treffe gut und sicher. Blieb der Löwe auf der Stelle todt, so kann man Gott danken und dem heiligen Hubertus, und das Spiel von Neuem beginnen. Einen kleinen Wink noch: so oft man es mit einem völlig ausgewachsenen Löwen zu thun hat, zaudre man nicht zu lange.“

Die Instruction ist gewiß sehr genau und deutlich, ob sie aber schon Jemanden für die Löwenjagd begeistert hat, muß dahingestellt bleiben. Aber wenn auch! fügen wir hinzu, so gut wie der einer Menagerie entsprungene Jaguar noch immer die Grenzgegend von Pommern und Mecklenburg unsicher macht, ebensogut kann auch die Lüneburger Haide einmal durch einen entsprungenen Löwen zu saharahaften Löwenjagd-Abenteuern und somit zur Nutzanwendung der Gérard’schen Vorschrift Gelegenheit bieten, wie wenig Einladendes oder gar Begeisterndes dieselbe auch haben möge.




Die „Oefen“ im Salzburger Gebirge. In Nr. 51 des vorigen Jahrganges der Gartenlaube in dem Artikel „Alpenbilder“ von Otto Banck heißt es bei Beschreibung des Passes Lueg Seite 811: „Nicht gar weit von hier liegen im tiefen Flußbette der Salzach merkwürdige vom Gebirge herabgestoßene Felsblöcke, auf welchen man vermöge künstlich angebrachter Wege und Stege herumklettern und bewundern kann, wie sie umbraust und umzischt werden von der wilden Wasserfluth. Diese von Baum und Moos bewachsenen Trümmer tragen den unerklärbaren Namen „die Oefen“ und locken wohl manchen Reisenden an.“ Dadurch kommt in die sonst wahre, durch gelungene Bilder noch werthvollere Darstellung eine kleine Unrichtigkeit. Die „Oefen“ sind keine tief im Flußbette liegenden Felsblöcke, wie man sie etwa im Bodethale an der Roßtrappe findet, sondern ungeheure Löcher und Klüfte in mächtigen, mehrere hundert Fuß hohen Felsen, und die ganze Partie lockt nicht nur „wohl manchen Reisenden“ an, sondern die Oefen haben einen Weltruf und werden nur selten von Reisenden versäumt, denn sie gehören zu den erhabensten Wundern des an Naturschönheiten so reichen Salzburger Alpenlandes.

Da ich dieselben erst im August des vorigen Jahres sah, so will ich versuchen, sie zu schildern. Am nördlichen Abschluß des ungeheuren Tännengebirgs, der steilsten Felsenmasse, welche ich in den deutschen Alpen kenne (wenigstens eine Stunde oberhalb Lueg gesehen) streckt sich dicht unterhalb Paß Lueg ein Berg quer vor das Thal der Salzach, derselbe, auf welchem die auf dem Bilde Seite 813 sichtbare Capelle Brunegg liegt, und schließt sich an die Felswände der westlichen Thalwand vollständig an, so daß die Salzach, oberhalb und unterhalb ein Fluß dritter Größe, sich einen Weg unter diesem Berge weg hat bahnen müssen.

An der Stelle nun, wo der Durchbruch ist, sieht man durch ungeheure Löcher, „die Oefen“, mehrere hundert Fuß tief hinab auf das weißschäumende Wasser. Der Name „Oefen“ erklärt sich nun leicht aus den mit einem schwarzen Ofenloch oder der Oeffnung riesiger Schornsteine vergleichbaren, wohl oft von Wasserdampf erfüllten Löchern. Ich will keine Beschreibung dieser Naturscenen von wildester Erhabenheit versuchen. Kommt man, sei es von Golling oder der Capelle Brunegg, auf bequemen Wegen an die Thalwand, so gelangt man über Treppen in die Tiefe und befindet sich in einer Felsschlucht der wildesten Art, die reich mit üppigem Baumwuchs beschattet ist. Man geht auf schmalem Felsgrat zur jenseitigen Thalwand, zu beiden Seiten die furchtbare Tiefe, wo unten der Strom braust. Obschon hinlänglich für Sicherheit gesorgt ist, so überläuft doch hier den stärksten Mann ein heimliches Grauen. Die Oeffnungen sind nicht etwa Spalten oder bilden eine Schlucht, sondern vollständige Schlünde von rundlicher Gestalt, senkrecht wie ein Schacht hinabgehend, weit genug, um vollständige Beleuchtung zuzulassen. Untersucht man die ganze Umgebung mit geologischem Blick, so erklärt sich die wunderbare Erscheinung ganz natürlich. Ein Berg hat das Thal der Salzach geschlossen, aber nicht seit Gestaltung der Gebirge, sondern viel später, durch Einsturz der gegenseitigen Thalwände. Ein ganzer Berg ist zusammengesunken. Man sieht deutlich an den noch festen eigentlichen Thalwänden, daß die Felsen, welche das Thal schließen, nicht[WS 1] an jene passen. Aber die herabgestürzten Felsen sind so kolossal, daß der Ungeübte sie gar nicht für Bergtrümmer hält, sondern für urwüchsigen Boden.

Diese wilde Scene wird zuweilen seltsam durch Menschen belebt. Wenn nämlich das Flößholz aus dem Pongau und dem Pinzgau durch die Oefen geht, so setzt es sich in dem überdies mit Felsblöcken bedeckten engen Durchgange unter den „Oefen“ oft fest, und wenn nicht nachgeholfen wird, so könnte es die ganze Oeffnung versperren. Da stehen dann nicht nur an den beiden Ausgängen des natürlichen Tunnels, sondern auch in dem Berge Männer, welche das festsitzende Holz mit langen Stangen losarbeiten. In diese Abgründe werden sie mit langen Seilen hinabgelassen. Das Flößholz ist zwar sehr prosaisch in dieser Poesie der Wildniß, aber es mag doch interessant sein, es anzusehen, zumal da es unten erleuchtet ist.

Ein Geistlicher erzählte mir in Bischofshofen im Pongau, die Salzach habe früher, durch den vorgeschobenen Berg gestaut, einen See fast bis hinauf nach Werfen gebildet. Da habe ein Bischof von Salzburg unternommen, den Berg zu durchbrechen, damit der See ablaufe, und so seien die „Oefen“ entstanden. Man sage zwar auch, daß es die Römer gethan, um einen bessern Zugang zu den Tauernübergängen zu bekommen, aber das sei nicht wahr. Im Volke geht noch eine andere Sage. Das Thal, sagt sie ganz wahr, sei früher nach Golling zu auch offen gewesen. Da habe ein Salzburger Bischof aus Rache, daß man ihm die Feste Hohenwerfen, Bischofshofen und andere Besitzungen oberhalb des Engpasses streitig gemacht, den Berg sprengen und das Thal verschütten lassen, damit Alles zu Grunde gehe bis weit hinauf in’s Pongau. Hiervon ist nun wohl eins so wenig wahr wie das andere, aber man kann daraus folgern, daß Bischöfe von Salzburg an den Oefen haben arbeiten lassen, um den Durchbruch des Wassers zu erleichtern. Es ist leicht möglich, daß die Schließung des Thales erst in historischen Zeiten erfolgt ist.

An eine Vertheidigung des Passes Lueg durch eine Heeresmacht ist jetzt, wenigstens wenn der Feind von Salzburg heraufkäme, nicht mehr zu denken. Von dem durch die Chaussee bequem zugänglichen Berge, wo die Capelle steht, würden ein paar Kanonen die ganze Feste in einer Stunde zusammenschießen.

Schließlich will ich noch erwähnen, daß man „die Oefen“, sowie den nahen berühmten Gollinger Wasserfall auch im Winter besuchen kann. wenn nicht hoher Schnee liegt. Im Sommer kann man die Tour zu Wagen in einem Tage von Salzburg aus abmachen und den „Oefen“ bis auf eine Viertelstunde nahe kommen. Zu Fuß ist die Partie von Salzburg bis Golling langweilig, deshalb benütze man den täglich über Hallein gehenden Stellwagen und Postomnibus. Will man den Gollinger Wasserfall erst besuchen, so steige man in Hallein oder erst in Kuchel aus und gehe auf dem linken Ufer der Salzach an den Wasserfall.

J. Jäger.




Goethe’s und Schiller’s Pegasus. Der Pegasus, den Goethe reitet, gleicht einem frischen, gesunden und wohlgeschulten Reitpferde von englischer Race. Er ist einfach aufgesattelt, aber das ganze Sattelzeug von gutem Leder und recht bequem. Der Reiter sitzt gemächlich darin und trottirt in munterem Geschwindschritt oder höchstens in leichtem Trabe, nie im Galopp in die Natur hinaus. Er zügelt sein Thier ganz leise und unbemerkt. Die Reitpeitsche gebraucht er nicht, noch viel weniger Sporen. Reiter und Pferd verstehen sich ohne viel Worte und Commando und scheinen ganz eins zu sein.

Schiller’s Pegasus dagegen ist ein edles Thier, das etwas andalusisches Blut in seinem Stammbaume hat. Mähne und Schweif sind lang, wallend und schon gelockt. Er macht zuweilen Sprünge und courbettirt gern ein wenig. Das Galoppiren ist sein Lieblingsgang. Das Sattelzeug ist geschmückt, hie und da mit Silber eingelegt. Der Reiter sitzt etwas unruhiger im Sattel, wenn auch keineswegs so wie ein Sonntagsreiter. Er ist mit Peitsche und Sporen bewaffnet, die er nicht ganz selten gebraucht. Er kommt, wie sein Camerad, am Ziele an, aber nicht wie dieser auf gerader und ebener Bahn, sondern etwas auf Umwegen über Hecken und Gräben und mit gelegentlichen Besuchen von Nebenzielen.

K.




Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: meist (korrigiert nach: Berichtigung, Heft 10, Seite 160).
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_112.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)