Seite:Die Gartenlaube (1866) 128.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

nicht aufgeben, sondern sich freuen, daß er noch weit genug von dem wirklichen Abgrund steht, daß ihm umzukehren noch möglich ist.

Zweites Mittel. Wende eine hohe Sorgfalt auf die Erhaltung, oder, wenn sie schon gestört wäre, auf die Wiederherstellung deiner Gesundheit! – Bereits im ersten Capitel ist es gesagt worden: Nur in einem gesunden Körper kann eine gesunde Seele – ein heiteres Gemüth wohnen; wir müssen hier wieder darauf zurückkommen. Wer an trüber Gemüthsstimmung leidet, sich aber einer leidlichen Gesundheit zu erfreuen hat, der pflegt seinen Körper so wenig zu beachten, daß durch allerlei Vernachlässigungen endlich krankhafte Zustände entstehen, wovon er früher nichts gewußt, deren Ursprung er nicht aufzufinden vermag und die nunmehr seine trübe Stimmung um ein Bedeutendes vermehren. Wenn zu einer heitern Stimmung aber auch mehr als ein gesunder Körper erforderlich ist; wenn dieser ungünstige Verhältnisse auch nicht in günstige umwandeln kann, so ist er doch den Fortschritten der Hypochondrie ein mächtiges Hinderniß. Wenn auch nur von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, wird nicht daran gezweifelt werden können, daß für den Körper weit mehr geschehen müsse, als das, wozu der Erhaltungstrieb schon von selbst drängt.

Doppelte Sorgfalt aber hat derjenige seinem Körper zuzuwenden, der seine Gesundheit schon geschwächt sieht; denn bevor er die Wiederherstellung derselben bewirkt hat, darf er auch von der günstigsten Umgestaltung äußerer Verhältnisse das Glück einer vollkommen heiteren Stimmung nicht hoffen. Er versäume es daher aus doppelten Gründen nicht, zur rechten Zeit ärztlichen Rath zu suchen. Nicht daß er etwa seinen Körper förmlich unter medicinische Aufsicht stelle – dies würde gerade eine nachtheilige Aengstlichkeit erzeugen – sondern daß er der Kunst gestatte, der Natur zu Hülfe zu kommen, und sie sofort wieder verabschiede, wenn sie ihm ihre Dienste geleistet hat.

Die Sorge für die Erhaltung der Gesundheit macht aber, insbesondere zur Erzielung einer heitern Gemüthsstimmung, die Beobachtung mehrerer Regeln nothwendig, die wir daher der Begründung des zweiten Mittels nachfolgen lassen.

Erste Regel. Prüfe und beobachte dich, um zu erforschen, was deinem Körper nachtheilig ist, und dies dann auch sorgfältig zu vermeiden. – Was den Unterleib sehr und lange belästigt, das ist dem Körper kein dienliches Nahrungsmittel, das ist geradezu Gift für einen Menschen von trüber Gemüthsstimmung. Wer darum Rücksicht in dieser Beziehung fordern kann, der fordere sie und halte sich an Speisen, denen seine Verdauungswerkzeuge gewachsen sind, bis er es dahin gebracht hat, daß der Magen nicht mehr ihn, sondern er den Magen beherrsche. Wer aber aus diesem oder jenem Grunde auf solche Rücksicht verzichten muß, der thue mindestens, was an ihm liegt: der genieße nur höchst mäßig, was ihm doch nicht zuträglich ist. Mäßigkeit ist überhaupt Jedem anzurathen, der an trüber Stimmung leidet. Wer Genüsse nicht opfern mag, die er wiederholt an sich als schädlich erkannt hat, der verdient, daß er für seine ungezähmte Begierde leide, und er leidet doppelt – durch Selbstvorwurf.

Während aber für Wahl und Maß der Speisen auf die eigene Beobachtung angewiesen werden muß, auf das, was eine leichte Verdauung und eine regelmäßige Absonderung zuläßt, kann, hinsichtlich der Getränke, für den, welcher an trüber Gemüthsstimmung leidet, als feststehend angesehen werden, daß alle geistigen und gewürzhaften Getränke sammt und sonders das Blut verderben und das förderndste Mittel für Schwermüthigkeit sind. Die Lebenserhaltung erfordert weder nach dem Aufstehen den Kaffee, noch nach der Mahlzeit den Rebensaft. Wasser ist dem Menschen von der Natur als Getränk angewiesen; dieses nach Bedürfniß genossen – denn im Uebermaß verdünnt es die Magensäfte zu sehr – schließt alle Wirkungen in sich, die man von künstlichen Getränken vergebens erwartet. Wer sich darauf allein nicht zu beschränken vermag, der trinke mindestens nur das, was den Magen nicht für seine Functionen unfähig macht und das Blut nicht in seinem naturgemäßen Umlaufe stört.




Blätter und Blüthen.


Die Pflege der Zähne. Man kann unserer Generation nicht den Vorwurf machen, daß sie ihren Zähnen gegenüber die nöthige Rücksicht vergesse und dieselben ohne Gegenstrebung und Widerstand dem Verderben preisgebe; von wie geringen Erfolgen diese Rücksichtnahme aber begleitet ist, darüber giebt uns die tägliche Erfahrung sprechendes Zeugniß. Trotz aller Anpreisungen, mit denen die unverschämteste Reclame sich breit macht und den Zähnen Schutz und Dauer garantirt, sehen wir die Salons unserer Zahnärzte überfüllt von ungeduldig harrenden Kranken, welche als letztes Rettungsmittel von unsäglichem Leid den „ehernen Balsam“ ersehnen, oder welche von der bildenden Kunst einen Ersatz für den verloren gegangenen Besitz in Anspruch nehmen. Ja, man darf sagen, daß in dem Maße, in welchem die sogenannte Pflege der Zähne durch allerlei künstliche Mittel und Proceduren eine allgemein verbreitete geworden, auch die Zahnleiden an Häufigkeit zugenommen haben.

„Nicht durch mehr oder weniger scharfe, mehr oder weniger wohlriechende Substanzen sorgen wir für die Pflege unserer Zähne, sondern nur dadurch, daß wir dieselben unausgesetzt nach Grundsätzen behandeln, welche einer vernünftigen Lebensordnung im Allgemeinen und einer wissenschaftlichen Zahndiätetik insbesondere angepaßt sind. Eine vortreffliche Belehrung über eine solche rationelle Behandlung der Zähne giebt Dr. Süersens „Anleitung zur Pflege der Zähne und des Mundes“, eine Schrift, welche von dem Central-Verein deutscher Zahnärzte mit dem ersten Preise gekrönt worden ist. Das Schriftchen ist in einem so allgemein verständlichen Tone gehalten, so präcis zusammengefaßt, so frei von jedem gelehrten und überflüssigen Beiwerke, daß es keine Leserin zurückschrecken dürfte, und auch der empfindlichsten Geduld keine harte Probe zumuthet, zumal da es sich um Gegenstände handelt, welche mit der Gesundheit und Schönheit in nächster Verbindung stehen. Alles, was das naturgemäße Verfahren zur Pflege und Verschönerung der Zähne betrifft, Alles, was ihre Erhaltung fördern kann, wenn sie gefährdet sind, ja auch, was ihnen Ersatz vermittelt, wenn ein unerbittliches Geschick sie geraubt hat, findet sich hier in klarer und schöner Form zusammengestellt und zwar durchweg mit dem Stempel der Wahrheit und Wissenschaftlichkeit gekennzeichnet. Unsere populäre Diätetik hat es in neuester Zeit zu einer ziemlich reichen Literatur gebracht wir wüßten aber unter den uns bekannt gewordenen Werken nur wenige zu nennen, welche in so knapper Ausdehnung eine solche Fülle furchtbarer Belehrung spendeten, wie Süersen’s Schrift. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß keine Leserin es verabsäumen wolle, derselben einen Platz auf demjenigen Tische zuzuweisen, an dem sie am meisten verkehrt (sei es Näh-, Schreib- oder Toilettentisch), aber auch ihrem Inhalt einen Platz in ihrem Gedächtnisse, und sind der Ueberzeugung, daß uns manche holde Lippe, noch holder durch den Glanz geretteter Zähne, für die empfangene Anregung im Stillen segnen wird.

Sanitätsrath Dr. L. Posner.




Eine englische Predigt. In eine Dissentergemeinde auf dem Lande war vor Kurzem ein Geistlicher eben mitten in einer Predigt über das ewige Leben begriffen, als er die zufällige Anwesenheit des alten Lord Anglesey bemerkte. Plötzlich wandte er sich direct an den Lord und sprach: „Mylord, nehmen wir an, Sie seien gestorben; der Todesengel hat sich Ihrer Seele bemächtigt und dieselbe an die Schwelle der Himmelspforte gebracht. Aber es kann nicht Jeder, der will, in’s Paradies eintreten, die Thür, welche dahin führt, ist sehr eng und überdies sehr streng bewacht.

‚Oeffnet,‘ ruft der Todesengel, welcher gern so schnell wie möglich für Ew. Gnaden einen guten Platz im Himmel erlangen möchte, ‚öffnet doch!‘

‚Für wen?‘ fragt St. Petrus.

‚Für den edlen Grafen von Anglesey.‘

‚Wer ist er?‘

‚Ehemaliger Officier in der Armee des Herzogs von York.‘

‚Aber Petrus erwidert: Als solcher steht er nicht auf unserer Liste.‘

‚Er war aber doch Oberbefehlshaber der Artillerie.‘

‚Das ist möglich, wir kennen ihn aber nicht.‘

‚Er war zweimal Lordlieutenant von Irland.‘

‚Ich bestreite es nicht, aber er ist uns unbekannt.‘

‚Er befehligte die Cavalerie bei Waterloo.‘

‚Ich wiederhole es, wir kennen ihn nicht.‘

‚Er war aber doch lange Zeit Präsident der Bibelgesellschaft.‘

‚Ach!‘ rief der Apostel, ‚das ist etwas Anderes, dann mag er eintreten; sein Name steht wirklich auf dem Register der Gesegneten und Auserwählten!‘“




Noch einmal der Untergang des Dampfers „London“. In dem uns aus England selbst gewordenen Berichte von einigen Scenen aus der gräßlichen Katastrophe, die den Untergang des „London“ herbeiführte, ist unter Andern die Vermuthung ausgesprochen worden, daß der Capitän des unglücklichen Schiffes ohne Compaß in See gegangen sei. Uns selbst kam dieser Umstand etwas befremdlich vor, indeß bei der Authenticität unserer Quelle nahmen wir doch keinen Anstand, auch diese Mittheilung mit zum Abdruck zu bringen. Neuerdings sind uns weitere Nachrichten über jenes furchtbare Ereigniß zugegangen, die uns darthun, daß zwar das Schiff mit den nöthigen Compassen versehen gewesen, daß dagegen den Capitän jedenfalls die große Schuld trifft, die barometrischen Beobachtungen und die an der Küste aufgehißten Sturmsignale ganz außer Acht gelassen zu haben. Der Dampfer London hatte Plymouth am 6. Januar verlassen. Die Londoner Zeitungen waren vor der Abfahrt schon auf dem Schiffe angelangt und darin unter den stehenden meteorologischen Nachrichten das plötzliche Sinken des Barometers von 30″ auf 29½″, und selbst noch tiefer hinab, verzeichnet, was unverkennbar auf einen heranziehenden Sturm deutete. Capitän Martin zog indeß dies Alles nicht in Berechnung, sondern setzte, mit einer unbegreiflichen Tollkühnheit, seine Fahrt fort, obschon andere Fahrzeuge vor seinen Augen nach Plymouth zurücksteuerten. Er hat seinen Leichtsinn schwer gebüßt, es ist daher nicht mehr an uns, dem Todten unsere Vorwürfe in sein nasses Grab nachzurufen.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_128.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)