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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Noch ein Geisterschwindel.


Als die Manie des Tischrückens, Geisterklopfens und Geisterschreibens (Psychographirens) von Amerika aus über unser Deutschland zog, waren plötzlich selbst ruhig denkende Menschen in ihren bisher so festen Ueberzeugungen, daß etwas Uebernatürliches nicht existire, wankend geworden. Man setzte sich um den Tisch und bildete durch Berühren der Hände die magische Kette, welche nach und nach durch „magnetische Strömungen“ das bisher für todt gehaltene Möbel in schwankende, drehende, toll wirbelnde Bewegung versetzte. Man vernahm im vordem friedlichen Hausrathe auf Befragen der hierzu Berechtigten und Inspirirten ein unheimliches Klopfen, das der Geübte in gutes Deutsch übersetzte. Man ließ die zur Geisterschrift nöthigen Apparate durch Auflegen der Hände magische Schriften auf das Papier werfen, die mit Domenich’s „Buch der Wilden“ oder den ersten Schreibversuchen eines Schulbuben einige Aehnlichkeit hatten.

Jetzt lächelt man über derartigen Hokuspokus, begreift nicht, wie man selbst nur einen Augenblick daran glauben konnte, und nennt ihn ganz einfach – Schwindel, oder gegenüber „zartbesaiteten“ Damen eine „angenehme Täuschung“. Trotzdem aber taucht immer von Zeit zu Zeit noch Einer oder der Andere auf, der es nicht lassen kann, Geister zu citiren oder sich als zum Verkehr mit denselben befähigt darzustellen. Nicht daß solche Leute immer Betrüger wären, obgleich wohl die meisten nur darauf speculiren, der leichtgläubigen Menge den Beutel zu leeren. Nein, es sind auch Menschen darunter, die eigentlich an einer fixen Idee leiden und sich so lange in phantastische und mystische Träumereien hineingedacht haben, daß sie zuletzt selbst an die Gebilde ihrer Phantasie glauben. Zu bedauern sind solche Leute, denn der erfahrene Seelenarzt erkennt in ihrem bisher nur lächerlichen und unschädlichen Treiben bereits die Keime bedenklicher Geistesstörung.

Als die Gebrüder Davenport sich in ihrem Zauberschranke festbinden ließen, nach Verschluß des Schrankes die ärgste Höllenmusik anstimmten, ab und zu einen Arm herausstreckten und doch beim Wiederöffnen wie vorher fest angebunden dasaßen, konnte man dies ein amüsantes Kunststück nennen, bei dem die Geister ganz unbetheiligt waren. Dennoch erhob sich bei ihren Vorstellungen und bei ihren Geisterbeschwörungen ein solcher Sturm des Unwillens, daß sie kaum persönlich sicher waren. Nichtsdestoweniger hatte das Ganze den Reiz der Neuheit und den Charakter einer Vorstellung, deren Geschicklichkeit unbedingt Beifall verdiente. Anders steht es mit dem neuesten Cagliostro, den unser Vaterland den Seinigen nennt, mit Dr. F. Epp in Heidelberg, welcher jetzt in einem Schriftchen: „Seelen-Kunde“ (Mannheim 1866) das Resultat zwölfjähriger Forschungen und Beobachtungen veröffentlicht, nachdem er die Geister-Epidemie von 1853 und die „Indischen Geisterbeschwörer“ seinem Studium unterworfen hat. Nach der Vorrede glaubt man, es mit einem sehr gelehrten Manne zu thun zu haben, denn man erhält, die Versicherung, daß die Beobachtungen „mit Umsicht und ohne Vorurtheil“ angestellt sind. Arm in Arm mit Hornung und Berthelen, deren Werke dem Verfasser Einsicht in den Standpunkt des Spiritualismus in Deutschland gewährten, fordert Epp sein Jahrhundert in die Schranken, wo die Geister fechten. „Der Geist,“ sagt Epp, „ist anders, als die Kraft des Leibes; er ist seelischer Natur und nicht das Ergebniß des Stoffs. Auch verbreitet er sich nicht auf dessen Art. Der Geist ist auch nicht die magnetische Kraft, welche den Weltraum erfüllt, wohl aber ist diese das Mittel, wodurch der Geist in die Erscheinung tritt. Der Geist war vor dem Magnetismus da. Das ganze Weltall ist erfüllt, sowohl von der geistigen, wie von der magnetischen Kraft. Tritt erstere zur letzteren, so arbeitet sie vermittelst derselben und giebt sich dem sterblichen Menschen kund.“

Diese Probe aus den geistreichen Speculationen unseres „Geistersehers“ zeigt schon, daß uns in ihm kein normaler Mensch gegenübersteht, sondern ein Vertrauter der Geisterwelt, denn die eben citirte Weisheit hat ihm „am 27. Juli 1865 der Geist der Liebe durch den Psychographen dictirt“. Jedenfalls dankt Epp diesem Geiste auch die Mittheilungen, daß „die geistige Thätigkeit der Seelen abgestorbener Menschen im Jenseits keineswegs an die Sinnesorgane gebunden ist, wie ein irdischer Körper, daß sich aber die Seele, wenn sie mit dem Menschen in Wechselverkehr tritt, des Nervensystems der Person bedient, welche das Medium bildet“. „Dennoch,“ so erfahren wir, „sehen, hören und denken die Geister ohne Apparate, wiewohl sie sich zur Orientirung gewisser Dinge auch gern gewisser ihnen vorgelegter Apparate bedienen.“

Der Hume unserer Nation bezeichnet es nach diesen gewichtigen Präliminarien als einen Fortschritt, daß man in Deutschland endlich anfängt, wieder zu dem Magnetismus zurückzukehren und vermittelst der magnetischen Kraft die Geistermanifestationen zu erklären. Uns war bis heute von einer solchen Rückkehr noch nichts bekannt, doch weiß das wohl nur ein richtiger Hellseher zu beurtheilen und wir müssen es dem Verfasser daher glauben, der nebenbei einen sehnsüchtigen Rückblick auf die schöne Zeit des Tischrückens wirft, von welcher Kunst er versichert: „Würde sich der Tisch blos bewegen, so möchten die Erklärer dieses nur mechanischen Phänomens mit ihrer Erklärung ausreichen; aber der Tisch bewegt sich von der Stelle, kreist, hüpft, tanzt, schlägt den Tact nach der Musik; er antwortet auf Fragen, ist ein guter Rechenmeister, ABC-Schütz und Silbenstecher; er läßt sich in Combinationen abstracter Dinge, ja in die Lösung philosophischer Aufgaben ein – Alles, was sonst nur einem fühlenden, denkenden Wesen zukommt.“ O, ihr glücklichen Tischler, die ihr die Fähigkeit besitzt, solche Geister ersten Ranges anzufertigen, ihr seid ja demzufolge mehr als die gelehrtesten Professoren!

Doch ich will nicht spotten; sonst dürfte mein Arbeitstisch, an welchem ich diese Zeilen niederschreibe, rebellisch werden und mir eine gehörige Züchtigung ertheilen. Denn hier steht es groß gedruckt: „Wer meint, daß der Spuk der Klopfgeister auf Einbildung oder Betrug beruht, dem kann es geschehen, daß er selbst gegen seinen Willen auf eine unliebsame Weise von ihnen heimgesucht wird.“ Also Respect!

Daß sich die Existenz solcher Geister nicht beweisen läßt, was liegt daran? „Ob die Franzosen den lieben Gott einmal abgesetzt haben oder wieder anstellten, in der Welt ist er, war er und wird er sein, trotz alledem! Wenn die Geister aus Caprice gegen die Materialisten nicht in die Erscheinung treten, sind sie etwa deshalb nicht vorhanden?“ Alfred Douai meint, um diese Geister wahrzunehmen, müsse man wahrscheinlich in die dunklen Hinterstübchen der Spiritualisten. Herr Dr. Epp versichert, daß man sie auch in seinem Vorzimmer und zu jeder Tageszeit wahrnehmen, daß man sie aber nicht zwingen könne, sich vor einer Jury wissenschaftlich gebildeter Deutscher durchaus zu legitimiren. Uebrigens können die Zweifler lange warten! Ihnen offenbart sich kein Geist. Wer nicht „reinen Herzens“ ist, erhält keine schätzbare, geistige Mittheilung; auf keinen Fall die bösen Gelehrten, die Alles bekritteln und leugnen, was spiritualistisch ist! Einer der Bösesten ist nach Epp’s Ansicht Schleiden; von diesem ruft er aus: „Wenn die Gelehrten einen Geisterseher nicht für einen Dummkopf erklären können, so erklären sie ihn für einen Narren oder Betrüger, wie Schleiden den Schwedenborg (soll wohl heißen Swedenborg), obgleich Letzterer mehr Geist in der kleinen Zehe gehabt hat, als der moderne Professor im ganzen Hirnkasten.“ Das ist eine recht entschiedene Sprache, wie sie nur das stolze Bewußtsein geistiger Ueberlegenheit dictiren kann, welches mit der Bekanntschaft mit äußerst vornehmen Geistern – und Epp verkehrt meist nur mit den nobelsten der abgeschiedenen Seelen – entspringt.

Nicht alle jene Geister sind nämlich gleich gebildet, sondern es giebt, je nach ihrer vormaligen irdischen Bildung, unvollkommenere und vollkommenere Geister; zugleich äußert sich jede Seele in der Eigenthümlichkeit, welche ihr in dem irdischen Leibe je nach ihrer Individualität entsprach: die Seele eines schüchternen, jungen Mädchens äußert sich durch leises Klopfen des Tischfußes, die einer geschwätzigen Alten durch häufig wiederholtes Klopfen, die eines Grobian durch ungestümen, flegelhaften Lärm, die eines Greises durch Zittern. Ein böser, dämonischer Geist, den Epp am 29. December 1864 in Philadelphia citirte, war ungeheuer grob, er schimpfte z. B.: „Himmelheiligkreuzdonnerwetter“, äußerte sich frech, zudringlich, koboldartig, zuweilen auch humoristisch. Er hatte eine merkwürdige Hieroglyphenschrift und zeichnete mit großer Fertigkeit, was uns durch Holzschnitte veranschaulicht wird.

Die Gesetze, nach denen man Geister citirt, sind, wie erwähnt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_185.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)