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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Nein, da will ich doch lieber mein Hab und Gut in den Händen widerspenstiger Wirthschaftsmamsellen wissen! … Wo käme ich hin bei meinem ohnehin nicht sehr bedeutenden Einkommen mit solch’ einer putzsüchtigen, leichtsinnigen Frau! … Uebrigens sage ich Dir ja, und ich wiederhole es ausdrücklich, daß ich noch nicht gewählt habe; lasse mich denn ausreden, süße Helene, und weine nicht so schrecklich, Du zerschneidest mir das Herz. Ich muß also eine Frau haben, die Dich kennt und lieb hat, die einfachen Sinnes und so verständig ist, daß ich ihr sagen kann: mein Herz gehört einer Andern, die ich nicht besitzen kann, sei mir und dieser Anderen eine Freundin.“

„Und glaubst Du, dazu würde sich irgend Eine verstehen?“

„Gewiß, wenn sie mich lieb hätte.“

„Nun, ich könnte es nicht, nie, nie!“ Sie vergrub, convulsivisch schluchzend, ihr Gesicht in die Kissen.

Auf Hollfeld’s wachsbleicher, glatter Stirn erschienen plötzlich zwei häßliche Falten. Seine Lippen preßten sich aufeinander und die Farbe trat für einen Augenblick aus seinen Wangen. Er war offenbar sehr zornig. Ein Ausdruck des Hasses glühte in seinem Auge auf, als es auf der jungen Dame haftete, die ihm das Spiel, das er sich so leicht gedacht hatte, wider alles Erwarten erschwerte. Er beherrschte sich jedoch und hob mit sanfter, liebkosender Hand ihr Gesicht in die Höhe. Das arme Wesen zuckte und zitterte unter dieser heuchlerischen Berührung und ließ willenlos sein zartes Köpfchen auf seiner Hand liegen.

„Du würdest mich also verlassen, Helene,“ frug er traurig, „wenn ich den schweren Schritt thun müßte? würdest Dich von mir abwenden und mich einsam lassen mit einer ungeliebten Frau?“

Sie hob die vom Weinen gerötheten Lider in die Höhe und ein Strahl unsäglicher Liebe brach aus ihren Augen. Er hatte seine Rolle vortrefflich gespielt und erkannte aus diesem einen Blick sofort, daß er gewonnenen Boden unter den Füßen habe.

„Du kämpfst jetzt denselben Kampf,“ fuhr er fort, „den ich in den letzten Tagen durchmachen mußte, ehe ich zu dem festen Entschluß kam … Im Augenblick mag auch Dir der Gedanke schrecklich sein, daß eine dritte Person in unser schönes Verhältniß eintreten soll; ich gebe Dir aber mein Wort, daß dies durchaus nicht auf störende Weise geschehen wird … Bedenke, Helene, daß ich dann viel mehr für Dich thun, für Dich leben kann, als jetzt … Du kannst zu mir nach Odenberg ziehen, und ich will die Hände unter jeden Deiner Schritte legen, will Dich behüten und halten wie meinen Augapfel.“

Hollfeld besaß nicht Geist, dafür aber einen hohen Grad von Schlauheit, wie wir sehen, mit der er wirksamer agirte, als vielleicht ein Anderer mit bedeutenden Gedanken. Sein armes Opfer ging mit blutendem, zerrissenem Herzen und völlig zerstörter Willenskraft in sein Netz.

„Ich will es versuchen, den Gedanken zu ertragen,“ flüsterte Helene endlich fast unhörbar. „Was aber müßte das für ein Wesen sein, das mich duldete und das ich endlich als Schwester lieben lernte … Kennst Du wohl solch’ ein opfermuthiges, hochstehendes weibliches Gemüth?“

„Ich habe eine Idee … sie kam mir vorhin ganz plötzlich … sie ist aber ganz flüchtig und unausgebildet. Ich behalte mir vor, sie Dir nach reiflicher Ueberlegung mitzutheilen… Aber Du mußt erst ruhiger werden, theure Helene. Bedenke, ich lege ja die Wahl meiner künftigen Gattin einzig und allein in Deine Hände; es hängt von Dir ab, das zu verwerfen oder anzuerkennen, was ich Dir vorschlagen werde.“

„Und fühlst Du Dich stark genug, neben einem Weib zu leben, dem Dein Herz nicht gehört?“

Er unterdrückte weislich ein spöttisches Lächeln, denn Helenens Augen hingen an seinem Munde.

„Ich kann Alles, was ich will,“ antwortete er, „und Deine Nähe wird mir Kraft geben… Um Eines aber will ich Dich bitten, sage meiner Mutter noch nichts von dieser wichtigen Angelegenheit. Sie will, wie Du weißt, ihre Hände stets in Allem haben, und ich dulde nun einmal ihre Bevormundung nicht; sie erfährt die Sache noch zeitig genug, in dem Moment, wo ich ihr meine Braut vorstelle.“

Zu jeder anderen Zeit würde dieser herzlose, unkindliche Ausspruch Helenen empört haben, aber in diesem Augenblick hörte sie ihn kaum; denn ihr ganzes Fühlen und Denken wirbelte abermals in einem wilden Aufruhr durcheinander bei dem einzigen Wort „Braut“, das nun einmal – obgleich es sehr oft namenlos unglückliche Bräute giebt – den Begriff von Liebesseligkeit und Maiwonne an sich knüpft.

„O mein Gott!“ seufzte sie und rang die fest zusammengeballten Hände, die auf ihren Knieen lagen, in namenloser Qual. „Ich habe immer gehofft, das nicht erleben zu müssen… Nicht, daß ich so selbstsüchtig gewesen wäre, zu denken, Du solltest um meinetwillen einsam durch’s Leben gehen, aber ich glaubte, die voraussichtlich kurze Dauer meines Daseins würde Dich bestimmen, diesen Schmerzenskelch an mir vorübergehen zu lassen, Du würdest warten, bis meine Augen das Schreckliche nicht mehr sehen könnten.“

„Aber, Helene, wo geräthst Du hin?“ rief Hollfeld, nur noch mühsam seine Ungeduld unterdrückend. „Wer wird in Deinen Jahren an den Tod denken! … Leben, leben wollen wir und mit der Zeit noch recht glücklich werden, das hoffe ich ganz gewiß… Ich will Dich jetzt allein lassen. Ueberlege Dir die Sache, und Du wirst zu demselben Schluß kommen wie ich.“

Er drückte ihre Hände zärtlich an seine Lippen, hauchte einen Kuß auf ihre Stirn – was er bis dahin nie gethan hatte – nahm seinen Hut und verließ leise das Zimmer.

(Fortsetzung folgt.)




Bilder aus dem Thiergarten.
Von A. E. Brehm.
Nr. 7. Molli.
(Mit Abbildung.)


Vor geraumer Zeit sind mir unter Kreuzband mehrere Bogen aus einer nicht näher bezeichneten Zeitschrift zugegangen, welche sich die Aufgabe stellen, die Annahme einer „Thierseele“ als Irrthum zu verwerfen. Ich darf mich mit dem Herrn Verfasser insofern einverstanden erklären, als auch mir der Begriff „Seele“ unfaßlich ist, da ich eben nur zu begreifen vermag, daß das Hirn eine Thätigkeit ausübt, welche wir Geist zu nennen pflegen. So meint es der gelehrte Verfasser des betreffenden Aufsatzes nun freilich nicht. Er sieht sich in der beneidenswerthen Lage, von einer „Seele“ etwas zu wissen, spricht selbige jedoch ausschließlich dem Menschen zu, begründet damit dessen Halbgöttlichkeit und stößt die gesammte übrige Thierwelt mit einem einzigen Tritt seines ebenbildlichen Fußes in den Abgrund des leeren Nichts hinab, indem er von einer „organisirenden Kraft“ faselt, welche im Thierhirn wunderbare Wirkungen hervorrufen und sogar Gesinnungstüchtigen Täuschungen bereiten soll, die leicht zu falschen Schlüssen führen können. Da dem Reinen Alles rein ist, wühlt der Mann ungescheut in dem „Schmutze des Materialismus“ und mißbraucht materialistische Grund- und Lehrsätze nach Belieben, immer aber nur, so lange es sich um das unvernünftige Vieh handelt, und in der Absicht, dadurch den Gegensatz zwischen Mensch und Thier zu beweisen.

Leider muß ich fürchten, daß der Biedermann seinen muthmaßlichen Zweck, Materialisten zu bekehren, nicht erreicht hat; leider muß ich bekennen, daß auch an mir der sonderbare Mischtrank von Kirchenthum und Naturwissenschaft, welcher mir unmittelbar verordnet und von mir heldenmüthig auch eingenommen wurde, noch keinerlei Wirkung geäußert, meine Hartgeistigkeit vielmehr noch ganz dieselbe geblieben ist. Das kommt daher, weil ich etwa drei Jahre lang mit einem Wesen verkehrte, von dem ich viel Gegentheiliges erlernt habe; mit einem Wesen, dessen Name berühmt ist in Hamburg und auf welches zum Mindesten der geistreiche Herausgeber der „Wespen“ die Annahme von einer organisirenden Kraft noch nicht angewendet hat, da er dessen Lippen Worte unterlegt, deren Weisheit mit der des Talmud wetteifern kann.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_230.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)