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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

zurückkehrt, wird Dir dieses Schreiben eigenhändig überreichen. Bin ich denn wirklich von Der; die mir so theuer ist, auf lange Zeit getrennt? Oder ist es ein Traum? Ach! es ist nur zu wahr, und Du, meine Seele, magst denken, was Dein unglücklicher Gatte empfinden muß. Mein Herz wird brechen – kaum habe ich noch eins! Was gäbe ich jetzt darum, Dich eine Viertelstunde sehen zu können! O Babby, ich fürchte, man hat uns für immer getrennt! Mein einziger Trost ist, Dein liebes Bild zu küssen und an Die zu denken, die mehr als meine Seligkeit ist. Als ich Dich nach Tisch verließ, dachten wir noch nicht daran, daß wir uns, wenigstens für lange Zeit, nicht mehr wiedersehen sollten. O Gott! Wo bin ich? Mußte zu allen unsern übrigen Qualen auch noch diese kommen? Hatten wir nicht vorher schon genug gelitten? O my dear Babby, erinnere Dich wohl aller Rathschläge, die ich Dir gegeben, denke an Alles, was ich Dir gesagt habe. Ich bin hier in Hamburg angekommen, um mich nach England einzuschiffen, da ich zu Lande nicht weiter reisen kann. Es ist ein Weg von mehr als fünfhundert (englischen) Meilen, und Gott weiß, wann wir ihn hinter uns haben werden; denn wir haben entsetzlich widrigen Wind. Diesen Abend noch muß ich das Boot besteigen, das mich nach dem hundert (englische) Meilen von hier ankernden Schiff bringen soll. Denke also an mich, wenn Du den Wind pfeifen hörst, und denke, daß er Dir vielleicht meinen letzten Segen zuträgt. Wäre es nicht für Dich, mein Abgott, so könnte mir der Tod niemals erwünschter kommen. Es liegen hier herum viel französische Rheder, die oft bis in die Mündung des Flusses hineinfahren; allein ich hoffe, weiter seewärts ein Kriegsschiff zu finden, dessen Capitän mein Freund ist. Ich habe Dir, meine Liebe, versprochen, Dir vor meiner Abreise noch brieflich meinen Rath zu ertheilen; ich will Dir deßhalb jetzt Einiges sagen, obgleich es mir bei der großen Aufregung und Bekümmerniß, in der ich mich befinde, kaum ordentlich gelingen wird. Ich halte es für überflüssig Dich aufmerksam zu machen, daß Du bei allen Liebenswürdigkeiten, die man Dir erweist, bei allen Vortheilen, die man Dir verspricht, auf Deiner Hut sein mögest. Haben sie Dich doch die Heuchelei von all’ dergleichen kennen gelehrt, indem sie mich aus Deiner Nähe vertrieben! Traue keinen schönen Worten; sei überzeugt, sie werden versuchen, Dich für immer dort festzuhalten, wenn Du nicht fest in Deinen Entschlüssen bist. Was Dein Benehmen angeht, so hoffe ich, Du werdest vorsichtiger als je sein – Du weißt schon, warum; habe ich Dir doch zur Genüge gezeigt, wo für Dich die Gefahr zu straucheln liegt. Ich bitte Dich also inständigst: sei auf Deiner Hut. Mache es Dir zur festen Regel, mit Niemandem, er sei wer er wolle, außer dem Hause zu speisen und nie auch nur einen Augenblick mit einem Mann allein zu bleiben. Sieh nicht einen und denselben Mann zu häufig, damit Du nicht mit ihm in’s Gerede kommst; denn wenn auch falsch, wird solch’ ein Gerede Dir immer schaden, und namentlich jetzt, wo man bemüht ist, alle Deine Handlungen zu vergrößern und zu übertreiben. Wenn Du an der Gesellschaft irgend eines Mannes, sei er wer er wolle, zu viel Gefallen zu finden meinst, so suche ihn gleich anfangs zu meiden, sonst läufst Du Gefahr, Denjenigen, der Dir so viel Liebe bewiesen und der sich Dir in allen Dingen als ein wahrer und treuer Freund bewährt, mit Undank zu lohnen. Komme Niemandem jemals zu nahe, dulde auch nicht, daß Dir Jemand zu nahe komme; Du weißt ja, was ich Dir über diesen Punkt gesagt habe. Gieb bei jeder Gelegenheit Zeugniß von dem Schmerz, den man Dir bereitet, indem man mich aus Deinen lieben Armen riß. Traue dort keinem Menschen, außer meinem Freunde, falls Du ihn kennen lernen solltest. Was Deine Gesundheit betrifft, so empfange im Fall einer Krankheit Niemanden, während Du zu Bette liegst; Du hast es früher nie gethan, und wirst es jetzt, ich bitte Dich darum, aus Liebe zu mir sicherlich nicht thun. Ich gebe Dir keinen Rath, den ich nicht selbst zu befolgen bereit bin – selbstverständlich, soweit es der Unterschied zwischen Mann und Weib zuläßt – und selbst wenn Du nach dereinstiger Wiedererlangung Deiner Freiheit mich nicht mehr begehren solltest, so bitte ich Dich, meinen Rath immer zu befolgen; denn ich gebe ihn Dir nur zu Deinem eigenen Besten und würde Dir stets dasselbe rathen, wenn ich auch (was Gott verhüte) Dich nimmer wiedersehen dürfte.

Aber ich fürchte nicht, daß wir uns jemals vergessen; trotz unserer Trennung und unseres Unglücks sind wir durch zu feste Bande aneinander gekettet. Die Bande, die uns einen, sind stärker als die der Ehe: es sind die der Liebe, der Freundschaft und der Ehre. Unsere gegenseitigen Verpflichtungen sind zu tief, als daß die Zeit sie brechen könnte; ich wenigstens, mein geliebtestes, süßes Weib (my dearest sweet wife), denke immer, daß Du meine Gattin bist und daß wir uns nur gezwungen für einige Zeit trennen. Hältst Du Dich gut, wie ich nicht einen Augenblick bezweifle, so bleibst Du für mich immer, was Du mir gewesen bist, und ich werde Dich, sobald es die Umstände nur erlauben, mit offenen Armen aufnehmen. Indem sie uns trennten, glaubten sie, sie könnten unsere Liebe erkalten machen; halten wir deßhalb um so fester zusammen, das ist das einzige Mittel, alle Schwierigkeiten, die sich unserem Glück in den Weg stellen, schließlich zu besiegen.

Sollte ich etwa anfangen, Dir weniger theuer zu sein, so bedenke, mein Herz, daß bei unserem Wiedersehen Deine Liebe zu mir sich wieder von Neuem entzünden kann, und betrachte unser Verhältniß nicht wie eine gewöhnliche Leidenschaft, sondern wie ein für uns Beide für das ganze Leben fest begründetes Glück. So wenigstens sehe ich es an, und so werde ich es immer ansehen. Bleibe immer mein, mein Engel; ich werde Dir stets angehören.

Noch auf Eins habe ich vergessen Dich aufmerksam zu machen: sollte Dir Jemand einen Liebesbrief schicken, so siegle denselben wieder zu und schicke ihn unbeantwortet zurück. Glaube mir: wenn Du meine Vorschriften immer befolgst, so wird man Dich nie mit irgend Jemandem in’s Gerede bringen, wie man es – Du weißt es ja – obgleich mit großem Unrecht, schon gethan hat. Du wirst, glaube ich, am besten thun, diesen Brief zu verbrennen; ‚Bun‘ könnte ihn sonst leicht finden, und was dann geschähe, weißt Du. Ich bitte Dich um Gotteswillen, nimm Dich in Acht, daß Niemand etwas von diesem Schreiben erfahre; denn unser ganzes Glück hängt davon ab, da man sonst glauben würde, Alles, was Du thust, geschähe auf meinen Rath. Bedenke auch, was ich Dir betreffs aller meiner Briefe gesagt habe – Du verstehst mich! – und sieh ja zu, daß Du, wenn Du mir schreibst, immer allein bist; denn einmal entdeckt, wären wir für immer verloren. Vielleicht kannst Du es erlangen, daß man es uns gestattet, uns jetzt, da ich so weit von Dir entfernt bin, offen zu schreiben. Findest Du keine Gelegenheit, Deine Bitte mündlich anzubringen, so versuche es schriftlich; aber sei vorsichtig und sage, Du hättest nur gehört, es wäre uns verboten, mit einander zu verkehren, jetzt aber, da ich Dir so fern sei, wünschest Du lebhaft die Erlaubniß zu einem Briefwechsel zwischen uns zu erhalten. Sage aber ja nicht, daß ich Dir etwas von dem Verbot unseres Briefwechsels mitgetheilt, da Du Dich doch so stellen mußt, als wüßtest Du seit meiner Abreise gar nichts mehr von mir und als sehntest Du Dich heftig, eine Nachricht von mir zu erhalten.

Du wirst das Alles sehr unklar und verworren finden; allein ich bin überhaupt kaum im Stande zu schreiben, denn ich befinde mich in einer wahrhaft bemitleidenswerthen Stimmung. Ich glaube, Du bist von meiner Treue gegen Dich, meine Theure, überzeugt; wenigstens solltest Du, meine Liebe, es sein. Du kannst mit Zuversicht auf meine Beständigkeit, meine Freundschaft und meine Liebe bauen; sollte ich Dich je auch im Geringsten nur im Stiche lassen, dann hoffe ich, wirst Du mich hassen, und das wäre der schrecklichste Fluch, der mein unglückseliges Haupt treffen könnte. O, wann werde ich meine liebe kleine Pitti wiedersehen? Daß sie immer die Meine bleibe, ist mein Gebet zu Gott. O meine süße Babby (my sweet Babby), wie niedergeschmettert bin ich jetzt bei dem Gedanken an unser vergangenes Glück! O, vergiß mich nur nicht, mein reizendes Weib (my lovely woman); denn Du bist mein und wirst es, wie ich hoffe, auch ferner sein. O denke an Alles, was wir so oft mit einander besprechen haben; dann halte ich es für unmöglich, daß Du mir jemals in irgend einer Weise untreu würdest. Erinnere Dich an Alles, was zwischen uns vorgegangen. Denke regelmäßig jeden Vormittag von elf bis zwölf Uhr an mich, dann werden unsere Seelen sich begegnen; denn ich vermag nichts zu thun, als an Dich, Du geliebtes Wesen, zu denken. Finden wir uns dann einst wieder, dann werden wir, nach so viel gemeinsam erduldetem Unglück, einander wohl lieben müssen. O, befolge alle meine Vorschriften und frage Dich jeden Abend, ob Du nicht während des Tages gegen eine derselben gefehlt habest. Lasse Dich nicht zu häufig mit Männern öffentlich sehen; man

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_239.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)