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Bernhard von Watzdorff.

Als nun die Kunde in das Weimarische Land kam, daß am 14. Juni 1828 zu Torgau der Landesfürst Carl August rasch und unerwartet gestorben sei, da ging ein Schrei des tiefsten Schmerzes durch das ganze Land. Alles zog davon gen Weimar; der Landmann verließ den Pflug, der Städter die Werkstatt, um dem geliebten Herrn, dem freiesten Mann im Lande, das letzte Geleit der Ehre zu geben.

Und ob sie ihn auch begruben in seiner Fürstengruft, vergessen haben sie ihn nicht, vergessen werden sie ihn nie, wenn auch immer mehr von Denen dahinsterben, die sich dessen zu rühmen wußten, daß er mit ihnen gesprochen, daß er ihnen die Hand gedrückt und sie durch den eigenthümlichen Zauber seiner Persönlichkeit gefesselt hat. Der schlichte Bauer, der einfache Bürger, in deren Herzen steht er am Tiefsten geschrieben. Im Landtag, im politischen Leben nimmt man noch jederzeit Beziehung auf ihn. Sie werden ihm jetzt ein Denkmal setzen; der Geringste im Lande, selbst die ärgsten Groschenwender auf den Dörfern haben ihr Scherflein dazu gegeben. Die Liebe seines Volkes wird die eherne Statue noch überdauern.

Der Carl August folgende Großherzog Carl Friedrich konnte sich kaum einen bessern Empfehlungsbrief ausstellen, als daß er unter Bestätigung der alten Verfassung nach dem „Muster und Vorbild seines Vaters“ zu regieren versprach. In der That trug seine edle Mildherzigkeit nicht die Schuld, daß sich nach und nach das bureaukratische Element immer üppiger entwickelte; es lag dies vielmehr daran, daß in der Landesvertretung nicht genug Gegendruck ausgeübt, sondern dort eine patriarchalische Gemüthlichkeit gehegt wurde. Indeß kam es noch nicht zu einer eigentlichen Gefährdung der verfassungsmäßigen Rechte. Ziemlich rasch tritt hierauf in das Stillleben eine Wendung. Wie es in Baden einem schlichten Landmann vorbehalten war, den ersten Ankampf gegen die Maßregeln der Regierung zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte aufzunehmen, so trat hier im Anfang der vierziger Jahre ein einfacher Bürger und Buchbindermeister, ein Autodidakt, mehrfach geschult durch ein erfahrungsreiches Leben, mit unerschrockenem Freimuth auf gegen ein von der Regierung ausgeübtes einseitiges Vorgehen in der Gesetzgebung. Der von ihm ausgehende Weckruf half. Er fand im Landtag Unterstützung, und ein frischerer Geist zog in den Sitzungssaal.

Weit bedeutender wurde indeß ein anderer Umstand. Eine Stelle im Ministerium wurde vacant und in einer wahrhaft guten Stunde gerieth man darauf, den sächsischen Ministerialrath Christian Bernhard von Watzdorff dahin zu berufen. Im Herbste 1843 trat er in das Ministerium ein und ist seitdem darin verblieben. Kein einziger seiner Collegen in Deutschland kann sich deß rühmen; ihre Patente gehen sämmtlich nicht über die Erschütterungen des vorigen Jahrzehnts hinaus. Und Watzdorff hat dies bewirkt durch die einfachsten Mittel. Geradheit und Ehrlichkeit der Gesinnung, es ist fast das Einzige gewesen, womit er sich die Hochachtung aller Parteien, die ungeheuchelte Liebe, die Anhänglichkeit und das Vertrauen des ganzen Landes erworben hat. Dem gegenüber erscheinen ein außerordentliches

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_285.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)