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wird, worauf er leicht antworten kann. Eindrucksvoller wird diese leichte Betrügerei, wenn ein gefälliger Geist sich bestimmen läßt, dem Mittler die Antwort in blutiger Schrift auf den Arm zu schreiben. Das wird so gemacht. Während der Kunde irgendwie beschäftigt wird, hält der Mittler den Arm unter den Tisch, strafft die Muskeln an und schreibt mit der anderen Hand, in der er einen Bleistift oder irgend ein anderes Instrument mit stumpfer Spitze hält, die Geister-Antwort in Buchstaben von drei Viertelzoll Länge auf den Arm. Er muß so stark drücken, daß er einen leichten Schmerz empfindet, doch darf er die Haut natürlich nicht verletzen. Ist er mit seinen Buchstaben fertig, so streicht er einige Male über den Arm hin, und die Antwort steht in rother Schrift da. Der starke Druck des Bleistifts zwingt nämlich das Blut, aus den Haargefäßen herbeizuströmen, und ein Theil bleibt durch die Epidermis an den gedrückten Stellen sichtbar, bis der wiederhergestellte Kreisumlauf des Blutes es allmählich verschwinden läßt.

Die Antworten der Geister durch Klopfen sind wegen der Leichtigkeit, mit der sich klopfen läßt, in der Mode geblieben. Die beiden Beine des klopfenden Tisches auf der Seite, wo der Fragende sitzt, greifen mit einem Paar kleinen Eisenspitzen in ebenso kleine Löcher des Fußbodens ein, so daß der Tisch auf dieser Seite nicht gleiten kann. Der Mittler sitzt auf der andern Seite, legt die Hand auf den Rand des Tisches, drückt mit dem Ballen gegen die Tischplatte, hebt dadurch den Tisch und läßt ihn klopfen. Auf eine stark verbesserte Klopfmethode wurden die Geisterkenner durch einen Wirth gebracht. Herr Dexter hielt in der New-Yorker Blancker-Street einen Austern- und Liqueurladen, der nicht in Ruf kommen wollte. Als kluger Yankee wußte er sich durch Tänze neuester Art zu helfen. Eine Violine wurde herumgezeigt, in einen Kasten eingeschlossen und auf die Erde gelegt. Indem der Wirth mit der Hand oben auf dem Kasten hin- und herfuhr, spielte die eingeschlossene Violine Walzer und Rutscher, zu denen zehn bis zwölf Hüte tanzten. Der Tanz war ein bloßes Aufundniederhüpfen, aber selbst diese unvollkommene Leistung ging so weit über die Natur des Hutes hinaus, daß sie nur durch die Kraft von Geistern erklärt werden konnte. Die Geisterbanner von New-York zögerten denn auch nicht, Dexter’s Vorstellungen für neue Beweise des Hereinragens einer anderen Welt in die unsrige zu erklären. Einer von ihnen, ein Mechaniker Paine, studirte die tanzenden Hüte, bis er die bewegende Kraft ermittelt hatte. Er gab nun, zuerst in Worcester (Massachusetts), dann in New-York, Vorstellungen mit tanzenden Tischen. Die von selbst spielende Violine ließ er weg, weil ihm der verschwiegene Gehülfe fehlte, der bei Dexter ein Stock tiefer genau unter der Stelle des Fußbodens, wo der Violinkasten lag, eine andere Violine spielte. Er miethete sich in New-York bei einer stillen Familie ein und traf in Stunden, wo außer ihm Niemand im Hause war, seine mechanischen Vorkehrungen. Bei seinen Vorstellungen saß er in einem halbverdunkelten Zimmer soweit von seinem tanzenden Tische, daß man an eine Verbindung zwischen ihm und dem munteren Mahagony nicht wohl denken konnte. Ein als Indianer gekleideter Diener spielte Walzer, und zierlich hob der Tisch im Tacte das eine und das andere Bein.

Eines Tages traten drei Herren bei Paine ein. Sie hatten dem Tanz eine Weile zuzusehen, als einer aufstand, die Thür verschloß und auf den Geisterbanner zuging. „Ich werde Sie untersuchen,“ sagte er, „und finde ich bei Ihnen nicht eine dünne eiserne Ruthe, die durch ein Loch unter den Fußboden geht und auf einen Hebel wirkt, der den Tisch in Bewegung setzt, so werde ich Sie um Verzeihung bitten und an Ihre Gespenster glauben.“ Paine sah sich entdeckt und gestand Alles. Er hatte in der That unter dem Fußboden einen etwas verwickelten Mechanismus angebracht, auf den er drückte und der abwechselnd die Tischbeine hob. Auf dem Fußboden lag ein Teppich, dessen kleine Oeffnungen Niemand wahrnahm, wenn die Drähte, welche die Beine hoben, nach dem Tanze wieder unter dem Fußboden verborgen waren, und Paine die Zuschauer zu einer genauen Untersuchung des Tisches aufforderte.

Eine der plumpsten Täuschungen gelang längere Zeit einer Dame, die mit dem altjüdischen Simson in Geschäftsverbindung zu stehen vorgab. Der riesenstarke Feind und Dränger der Philister saß unsichtbar, in Gesellschaft eines deutschen Accordions, einer großen zinnernen Schüssel mit Handgriffen und einer Klingel unter einem Tische, von dem ein Teppich bis zum Fußboden niederhing und auch die mit untergeschlagenen Armen ruhig daneben sitzende Dame bis zum Gürtel unsichtbar machte. Auf Bestellung entlockte Simson dem Accordion wirre Töne, klingelte und machte mit der Zinnschüssel einen Heidenlärm. Fand sich unter den Zuschauern ein besonders muthiger, so durfte er vor den Tisch treten und empfing durch den Teppich hindurch einen biedern Händedruck. Einmal hob ein solcher Mann den Teppich plötzlich und die Gesellschaft sah nun, daß die Füße der Dame der klingelnde, spielende und händedrückende Simson seien. Sie konnte ihre Zehen wie Finger bewegen. Das Kunststück des Händedrückens führte sie so aus, daß die große Zehe des einen Fußes den Daumen, die Zehen des andern Fußes die übrigen Finger vorstellten.

Mit wem man Briefe wechselt, dem kann man seine Photographie nicht wohl abschlagen. Die Geister sahen das ein und ließen sich auch in dieser Beziehung gefällig finden. Wie Barnum erzählt, gab ein Experiment, das ein ehrlicher Photograph machte, die Veranlassung zu Photographien aus dem Geisterreiche. Jener Künstler schloß sich in eine Camera obscura ein und versuchte sich selbst zu photographiren. Er erhielt ein Bild von schattenhaftem, wahrhaft gespenstischem Charakter, das übrigens eine gewisse Aehnlichkeit hatte. Ein Geisterkenner, dem er die Photographie mit geheimnißvoller Andeutung über ihren Ursprung zeigte, machte im New-York Herald of Progreß bekannt, daß Geister sich in einer Camera obscura eingefunden hätten, um sich photographiren zu lassen. Der Künstler bestätigte die Sache, weil er die Aussicht auf glänzende Geschäfte vor sich sah. In der That strömten die Menschen nun herbei, um die Photographien verstorbener Männer, Frauen, Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern zu erhalten. Der Glaube macht blind, und so wenige Anhaltspunkte der Photograph zuweilen besaß, fand doch Jeder die Photographie, die ihm eingehändigt wurde, zum Sprechen ähnlich. Einige kleine Versehen liefen auch hier mit unter, z. B. kam eine vor Jahren gestorbene Frau auf der Platte mit einer Zuavenweste vom modernsten Schnitt zum Vorschein. Der Photograph nahm anfänglich für das Bild fünf Dollars, aber bald ließ er sich zehn Dollars bezahlen, und der Zudrang nahm noch immer zu.

Gegen das Ende des Bürgerkriegs wünschte einer der frömmsten Friedensfreunde, William Lerwell Jewett, die Ueberzeugung zu haben, ob die todten großen Männer des Vaterlandes in dessen Drangsalen es umschwebten. Um darüber Gewißheit zu erlangen, forderte er von dem Photographen der Geister die Portraits von John Adams, Andrew Jackson, Henry Clay, Stephen A. Douglas und – Napoleon. Der Photograph sprach sein Bedenken aus, ob die Schatten so großer Männer seine Werkstatt beehren würden, und in der That gelang am ersten Tage blos eine Art von Nebelbild, in dem Jewett aber die Züge des ältern Adams erkannte. Um so besser geriethen die spätern Photographien – der Künstler hatte sich authentische Portraits verschafft. Die Photographie Napoleon’s I. hat Jewett dem jetzigen Kaiser der Franzosen zugeschickt, damit er sich freue, wie wenig sein großer Oheim im Grabe sich verändert hat.

Die Helden, Könige, Richter und Propheten des Alten Testaments sind unter den Geistern, die sich herbeiklopfen lassen, stark vertreten. Mit Daniel aus der Löwengrube hatte ein Medium ein kleines Unglück. Der Prophet ließ sich blos hebräisch vernehmen und seine Auslassung mußte folglich übersetzt werden. Man brachte sie einem Israeliten, der auf der Stelle einige Verse aus dem letzten Capitel des Daniel erkannte und sagte: „Hebräisch ist es, aber der Prophet hat drüben ganz vergessen, daß wir von rechts nach links schreiben.“ Einem Professor der orientalischen Sprachen wurde eine Antwort Mohammed’s auf eine Anfrage über den Werth seiner Offenbarungen vorgelegt. „Ist es nicht arabisch?“ fragte man, als er lange schwieg. „Etwas Arabisches ist drin,“ antwortete er trocken, „nämlich Gummi Arabicum.“

Das Hauptblatt der amerikanischen Spiritualisten erscheint in Boston und heißt „das Banner des Lichts“. Hinter dem Titel folgt gleich die Anzeige: „Jede Enthüllung kostet zwei Schilling.“ Die Zeitung enthält Berichte aus ganz Nordamerika und theilt ganze Correspondenzen zwischen Lebenden und Verstorbenen mit. Welch’ tolles Zeug dabei zum Vorschein kommt, wollen wir an einem Beispiel zeigen. Ein Geist schreibt an einen irdischen Bekannten: „Auf der Welt war ich ein Mann, hier bin ich eine Frau geworden. Dort unten hatte ich etwas genommen, worauf ich kein Recht hatte, ein Eigenthum, welches mir nicht gehörte. Ich habe zweitausend Dollars genommen, die mir Niemand schuldete,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_297.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)